Samstag, 2. Juli 2016

You're my nigga, Bruder!









Abends kommt dieser Schwarze, der in Abwesenheit von Gisela die Halle putzt. Der ist cool. Der ist wirklich „nett“ (obwohl du dieses Lieblingswort der Deutschen hasst wie die Pest – was oder wer ist schon „nett“?!). Er ist zwar mit seinen rund 40 Jahren noch ein bisschen ein kleiner Junge geblieben – besonders, wenn er seine Action-Stories von seiner Zeit als französischer Bodyguard erzählt. Aber wer ist das nicht?! Wer befindet sich schon vollends und komplett im Erwachsenen-Ich? Dein Vater. Genau.

Er mag den Schwarzen und er wird ihm noch sympathischer, als er ihm sagt, dass er Probleme mit seiner Tochter hat. Mit seiner 16-jährigen Tochter, von der er schon Fotos aus dem gemeinsamen Nigeria-Urlaub gesehen hat. Nicht schlecht, sagt er nur.

„Nur Ärger. Wir mussten die suchen“, sagt er. „Die macht nur Ärger.“

„Echt?“ fragt er unschuldig und denkt: Nadine würde María mit dir gar nicht suchen gehen. Vielleicht macht sie deswegen keine sicht- oder hörbaren Probleme.

„Ja. Die Mutter ist Pädagogin. Und die Tochter hat die Mutter komplett in der Hand. Die kann machen, was die will.“


„…aber die will jetzt nach Nigeria. Für ein Jahr. Die hat keine Lust mehr auf Deutschland.“

Er auch nicht. Wer hat das schon?! Ein paar verkrustete Suffköppe aus Köln-Kalk, die noch nie was anderes gesehen haben… Oder Herr Baden, der das hier als Paradies bezeichnet. „Das ist das Paradies auf Erden hier.“ Ja, klar. Was hast du denn genommen? Beziehungsweise nicht genommen.

„Ach, so?“ sagt er ebenso unschuldig. Okay.

Um im Bild zu bleiben, brauchen Sie an dieser Stelle vielleicht ein paar Hintergrundinfos: Der Typ ist von seiner Frau geschieden, wie sollte es anders sein (gibt es überhaupt noch nicht getrennte oder geschiedene Menschen in diesem Land, nicht „gepatchworkte“ Kinder), sie ist Deutsche, er Nigerianer und die Tochter wohnt bei ihr und nicht bei ihm – warum eigentlich nicht, wenn das Wechselmodell doch so in Mode ist, in letzter Zeit.

„Ich kann dich verstehen, mein Freund.“ Ich habe auch nur Ärger, aber das erzähl ich dir doch nicht. Damit du es postwendend weitererzählst und es die Runde macht. Runde um Runde dreht, bis es komplett aufgebauscht und aufgeblasen am anderen Ende wieder rauskommt. Nur männliche Kollegen am Arbeitsplatz sind fast genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer, als Frauen.

Du gehst zu ihm hin, legst ihm deine Arm um die Schulter, berührst seine tatsächlich stahlharten Bauchmuskeln und sagst: „Das Leben ist schon Scheiße.“ Nein, das sagst du nicht. Du sagst: „Boah, hast du harte Bauchmuskeln. Unglaublich!“ So ist das unter Männern. Wahre Liebe gibt es nur unter Männern. Und wahre Vermeidung. Projektion auch.

Aber er lässt sich durch seine Bauchmuskeln nicht hundert Prozent ablenken und fragt: „Wieso? Hast du etwa auch Probleme? Ich dachte, dass wäre die große Liebe bei dir. Ich dachte, da wär alles in Ordnung.“

Ist es auch, mein schwarzer Schnuckel. Ist es auch. Die Grenzen sind fest abgesteckt. Sie zweifelt über ihren Anwalt das Wechselmodell an und ich drohe mit ihrer Schwarzarbeit. Sie steht mit ihren Verwandten zum Kampf bereit und, während du es mehr mit der Guerilla-Einzelkämpfer-Taktik eines Rambos hältst (familiäre Unterstützung gibt es ja auch bei Deutschen nicht, das wär ja noch schöner, die sind sich ja alle spinnefeind).

Vom Automaten, den du gerade befüllst, sagst du undeutlich: „Das Fass mach ich jetzt nicht auf…“ Und er fragt auch nicht weiter nach. Er ist viel zu sehr mit seinen eigenen Fantasien beschäftigt.

Und wenn er jetzt den Rudi fragt? Ob der das weiß?

…dann kannst du auch nichts dran ändern. Er erzählt dir ja auch nicht haarklein, wie und warum er seine Tochter suchen musste. Was sie (wieder) Böses angestellt hat. Selbst als du nachfragst nicht. Denn deine Fantasien sind mittlerweile fast komplett aufgebraucht.

Er tritt an die Theke und erzählt dir irgendwas aus besseren Zeiten. Wo er noch als Personenschützer gearbeitet hat. In Frankreich. Waren wir nicht alle irgendwann mal Personenschützer?! Und Bauarbeiter?!

„Warum machst du das nicht?“ frage ich ihn. „Warum machst du das nicht wieder? Personenschutz.“

„Ich kann nicht. In Deutschland, ich kann nicht.“

„Und in Frankreich?“

„Weißt du, ich habe damals für einen Millionär gearbeitet. Einen Multimillionär. Und die Frau hat mich angemacht. Die wollte Sex. Ich aber nicht–“

„Ja, ja… Klar! Hast du mit der etwa auch ein Kind?“

Er lacht. „Nein, ich wollte nicht…“

…und dann hat sie dich vergewaltigt…

„Sie hat das ihrem Mann erzählt. Und die reichen Leute, die kennen sich alle…“

…und dann war er weg vom Fenster. Ohne wenigstens mit der Frau geschlafen zu haben. Warum passiert mir eigentlich so was nicht? Seit ich von Nadine entjungfert wurde, wollte niemand Sex. Oder vielleicht doch: Conchita? Ne, die wollte auch nicht! Nicht richtig. Mannomann. Andere Leute haben ein echt aufregendes Leben. Personenschützer, sexgeile Chefinnen, ich hätte da nicht nein gesagt… Aber vielleicht ist das auch, weil der schwarz ist. Weil ich schwarz bin… Man hört ja so einiges über afrikanische oder schwarze Männer im Allgemeinen. Man sieht ja so einiges von schwarzen Männern. Auf einschlägigen Seiten und zwielichtigen Filmchen. Schmuddelfilmchen. Klar, dass die dann alle mit denen Sex wollen, die geilen, schon ein bisschen in die Jahre gekommenen Chefinnen. Und dann auch noch in Frankreich. Oh, là, là! Mon ami! Voulez vous…

Klar, dass dir so was nicht passiert. Was wollen die denn auch mit einem deutschen Hamsterpenis. Ungeschickte deutsche Hamster, die stochern und stochern, bis die Frau sagt: „Bist du schon fertig! Ich muss gleich…“

Ich weiß noch, der hat mir mal erzählt, der Jacques, so heißt er nämlich, hat mir mal erzählt, das dünne Männer am besten bumsen. Kurz nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ein bisschen korpulente Männer die besten Liebhaber sind. (Ja, ich weiß…aber das hab ich so gelesen…echt!)


Als er mit dem Putzen fertig ist, tritt er zu dir ans Kassenhäuschen und sagt: „Da kauft der sich hier ein Trikot für 90 Euro, der Weiße. Für 250 Euro. So sind sie die Weißen.“

Worauf du antwortest: „Was willst du denn, du Afrikaner? Du Neger, du!

Er lacht, überrascht, dass er das gerade wirklich gesagt hat. Und schon sind sie wieder auf sicherem Terrain, haben wieder sicheren Boden unter den Füßen.

„Ich bin hier der Kolonialherr. Wo kommst du her? Welche Nation hat denn dein Land besiedelt. Frankreich, oder was?!

Er nickt verlegen.

„Und wer hat Frankreich ge*****?“ Er guckt ihn an, zeigt mit dem Finger auf seine Brust. „Wir!“

„Und wer hat euch kaputt gemacht?“

„Aber nicht die Franzosen. Die Engländer, die Amerikaner, aber nicht die Franzosen…“

„Wo ist mein Geld?“ sagt er.

„Boah…“, antworte ich „jetzt will der Neger auch noch Geld.“

Er lacht und gibt mir High Five.


Und alles ist wieder gut. Keine Trennungen, keine Töchter. Keine nächtlichen Suchaktionen. Keine Echsen und andere Naturkatastrophen. Ecuadorianische Erdbeben, Tsunamis, was weiß ich. Nichts