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Donnerstag, 1. Februar 2018

In guten wie in schlechten Zeiten





"Den späten Zustand der Zivilisation charakterisiere:
  • das Greisenhafte statt des Jugendlichen, Geschichtslosigkeit,
  • Künstlichkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche,
  • Herrschaft der anorganischen Weltstadt anstelle des lebensvollen bäuerlich geprägten Landes,
  • kühler Tatsachensinn anstelle der Ehrfurcht vor dem Überlieferten,
  • Materialismus und Irreligiosität,
  • anarchische Sinnlichkeit, panem et circenses, Unterhaltungsindustrien,
  • Zusammenbruch der Moral und Tod der Kunst,
  • Zivilisationskriege und Vernichtungskämpfe,
  • Imperialismus und die Heraufkunft formloser Gewalten."
(Quelle: Der Untergang des Abendlandes – Wikipedia-Eintrag)








Im Morgenmagazin läuft ein Bericht über Pflegekräfte in Deutschland.

Den Alltag bewältigt seine 75-jährige Frau alleinI

„Wir haben das gemacht, mit guten und schlechten Zeiten und es bleibt dabei. Wenn ich mal nicht gar nicht mehr kann, dann ist das was anderes, dann muss man das sehen, aber solange ich noch kann…“, sagt die selbst fast blinde alten Dame, die ihren lungenkrebskranken Mann pflegt, der beide Beine verloren hat…

Samstag, 13. Januar 2018

Sogar die Mona Lisa zerfällt















Es gibt Sachen, die gehen kaputt und die bleiben kaputt. Die bleiben dann auch kaputt. Als ich daran denke, werde ich traurig. So ist das Leben nun mal: Man kann nicht alles kitten. So sehr du es auch versuchst, es geht nicht. Da kannst du machen, was du willst. Man kann sie wieder zusammenkleben, die Vase, aber die Risse bleiben sichtbar.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Drei Tage vor Weihnachten


  
Er hat sich direkt unterm Fenster
An einem Balken aufgehängt,
Man kann die Kirchenglocken von hier hören,
Wenn man ganz leise ist 
Ein Tagebuch liegt auf dem Tisch,
Der letzte Eintrag ist noch frisch
Nur einen Satz schrieb er groß und breit
 
„Ich bin hier und Bethlehem ist weit
Frohe Weihnacht, ich hoffe es geht euch gut,
Seid nicht böse über meine Flucht
Ich schau' euch trotzdem von hier oben beim Feiern zu“
(Die Toten Hosen - "Weihnachstmann vom Dach")

  







Hast du Geld?“

Sie steht am Kühlschrank, holt die Knusper-Gockelchen raus, die du so liebst. Die von Aldi. Deine Knusper-Gockelchen. Um sie sich zu machen. Ok, sie hat gefragt, aber… Zwei Stück! Dann ist gleich keiner mehr übrig für dich. Oder nur einer. Da lohnt sich ja fast nicht, den überhaupt zu machen. Um eins, nachdem du die 16 Stunden Intervall-Fasten hinter dich gebracht hast, um die Kilos zu verlieren, die du dir in der letzten Zeit angefressen hast. Bestimmt bist du wieder über hundert Kilo. Hundertpro. Vielleicht sogar über 110.


Sonntag, 10. Dezember 2017

Schnee


--And what did he die of so young, Gretta? Consumption, was it?
--I think he died for me, she answered.
"The Dead" - James Joyce










Und dann irgendwann fängt es an zu schneien. Feiner, weißer Neuschnee. Du läufst die Hauptstraße entlang, an der Kirche vorbei, und der weiße Schnee hat irgendwie doch etwas von Unschuld, von Neubeginn, wie er sich so auf alles legt, alles bedeckt: Die Gehwege, die Tannenbäume am Straßenrand, die Menschen. Die Vergangenheit.

Samstag, 9. Dezember 2017

Auf Linie bringen/Dann stirb doch!




Es ist nie zu spät für eine Diät!
(meine Mutter)
  






Heute mache ich Diät! Heute will ich es diesem Körper zeigen! Es kann ja nicht sein, dass mein Körper mich kontrolliert. Die Kontrolle über meine Gedanken übernimmt. Mir sagt, dass ich immer mehr essen soll. Nein, heute breche ich den Willen meines Körpers! Fange schon um 14 Uhr damit an, nicht mehr zu essen. Heute werde ich den absoluten Weltrekord an Stunden ohne Essen brechen! 17 Stunden 42 Minuten. Wenn ich ab 14:00 nichts mehr esse, erreiche ich das schon morgen um 8 Uhr Morgen früh! Und wenn ich dann weitermache… 

Samstag, 25. November 2017

Ist es das wert?












Sie ist so eine gute Tochter. Sie geht sogar mit mir einkaufen. In ihrem Alter! Das hast du alles nicht gesehen, die ganze Zeit über. Weil du nur eingesperrt warst, in deinem Schmerz, deinem Leid. Sie ist ein gutes Kind. Weil sie dein Kind ist. Aber du bist kein guter Vater. Du gibst ihr nicht das, was sie wert ist. Was sie braucht. Diese verfickte Welt. Nein, DU! DU! DU musst was tun! Und was? Eine Bank überfallen? Du musst den Arsch hochkriegen. Aber das ist so scheiß schwer, wenn du keinen Bock mehr hast



Dienstag, 21. November 2017

Sonnenanbeter, die auf das Wassermannzeitalter warten





Zwei Wesen kämpfen in meiner Brust: Eines, das Veränderung, radikale Veränderung haben will, haben muss und eines, das unbeirrt, bis zum bitteren Ende an meinem alten Leben, an dem, was ich habe, festhalten will. Und beide treiben sie mich fast in den Wahnsinn. Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Illusion und Desillusion lösen sich jeden Tag ab, manchmal im Minutentakt.


***








An der Haltestelle in Meckenheim steht die alte Oma von letztens. Die so ein bisschen tüttelig ist, ein bisschen senil, aber die immer noch jede Woche den Bus nach Godesberg nimmt. Nehmen muss?

Kaum hast du die Sachen auf die braune Eisenbank gelegt, da spricht sie dich auch schon an. Mit zittriger, leicht stotternder Stimme:

„Darf ich Sie fragen, was ist denn ihr Fahrtziel?“, sagt sie.

„Godesberg.“



Donnerstag, 9. November 2017

The time of our lives - Die Zeit unseres Lebens




IV. DEATH BY WATER
 
Phlebas the Phoenician, a fortnight dead,

Forgot the cry of gulls, and the deep seas swell

And the profit and loss.

                          A current under sea
Picked his bones in whispers. As he rose and fell

He passed the stages of his age and youth

Entering the whirlpool.

                          Gentile or Jew

O you who turn the wheel and look to windward,
 320
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as you.


T.S. Eliot, The Waste Land 















Vanity of vanities, says the Preacher,
    vanity of vanities! All is vanity.
What does man gain by all the toil
    at which he toils under the sun?
A generation goes, and a generation comes,
    but the earth remains forever.

Ecclesiastes 1, 1-3
 









Als ich so abends, an diesem dunklen, kalten, nassen Novemberabend, durch Bonn-Duisdorf haste, um meinen Zug nach Meckenheim noch zu bekommen, vorbei an der Videothek an der Haltestelle am Rathaus, vorbei an Domino’s Pizza, vorbei am Ärztehaus (und vor allen Dingen vorbei an unserer alten Wohnung), muss ich plötzlich denken: All diese Zeit, die weg ist, einfach so weg ist. Nicht nur unsere gemeinsame Zeit hier, sondern all Die Zeit. Die Zeit in Großbuchstaben. Kapitälchen, die ihr zusätzliches Gewicht verleihen, das sie gar nicht braucht, so schnell, wie sie verfliegt, wie sie an einem vorbeifliegt, einem durch die Finger rinnt.


Dienstag, 24. Oktober 2017

Adler-Olsen, Chigurh und das Schwarze Buch






Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, 
blickt der Abgrund auch in dich hinein
Friedrich Nietzsche 







Ich gucke Adler-Olsen im Zweiten. Habe ich letzte Woche auch schon gemacht. War auch letzte Woche schon geil. Keine Ahnung, welche Folge besser war. Die heutige hieß Erlösung. War wieder krass. Und ich frage mich: Wie kriegen die das hin? Wie kriegen die das nur hin, die Skandinavier. Immer so nah an den menschlichen Abgrund zu gehen…

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Traum und Tod, Traum vom Tod















Ich will sterben, denkt er, morgens im Bett liegend. Auf dem Computer läuft das Morgenmagazin und er streckt sich, fühlt sich gut im warmen Bett.

Heute Nacht hatte er einen Traum. Er erinnert sich an fast nichts mehr.  

Sonntag, 27. August 2017

Angst vor dem Tod












Nach der Arbeit, als er an der Bushaltestelle auf den Bus wartet, der ihn nach Hause bringen wird, denkt er plötzlich, wie aus heiterem Himmel: Das ist schon komisch. Seit ich getrennt/geschieden bin, muss ich gar nicht mehr an den Tod denken. Das heißt, ich denke immer noch an den Tod, aber…

…aber ich habe nicht mehr diese Panikattacken, die ich – als ich noch verheiratet war – dauernd hatte. Das ist schon komisch, aber es stimmt. Die habe ich tatsächlich nicht mehr…diese plötzlichen Angstattacken, die ich damals (trotz Nadine) dauernd hatte: beim Laufen, abends allein im Bett neben ihr und auf der Arbeit. Das war schlimm! Plötzlich ergriff mich diese vage, diffuse Angst oder Panik, dass ich irgendwann sterben würde, nicht mehr da sein würde. Einmal nachdem ich nachts nach der Arbeit im Wohnzimmer allein im Wohnzimmer diese Sendung, diesen Bericht über Mumien in den peruanischen Anden geguckt habe. Aber es waren nicht nur die Mumien, sondern auch andere Geschichtsreportagen, die dieses Gefühl hervorriefen. Und ihre schlafende Anwesenheit neben mir im Bett half bei deren Beseitigung. Denn dieses plötzliche Gefühl, diese plötzliche Gewissheit, dass ich irgendwann einmal nicht mehr da sein würde, gar nicht mehr, nie mehr, dass ich für immer tot sein würde, nie wieder zurückkehren würde, dieses Gefühl war stärker als alles andere. Man konnte nur hoffen, schnell einzuschlafen (aber selbst das war zutiefst ironisch) und wenn es einen draußen erwischte (wie einmal beim Walken in der Nähe der Universität), musste man hoffen, schnell auf andere Gedanken zu kommen. Das war ein schlimmes Gefühl. Man fühlte sich irgendwie schwerelos (so als wäre der Körper zu leicht, um auf dieser Erde zu verbleiben) und gleichzeitig wurde der Körper auf einmal so schwer wie ein Gefängnis auf Erden, wie das Gefängnis auf Erden, das er im Endeffekt ja auch war. Fast wurde ihm davon sogar schwindelig und er spürte immer diese Schwere, diesen Druck in der Brust. Das waren zwar wahrscheinlich keine Panikattacken im klassischen Sinn (was auch immer das ist), aber es waren doch im gewissen Sinne Angstattacken, eine Angststörung, diese pure, reine, kondensierte Angst, die man bekommt, wenn man merkt, dass der geliebte und zugleich verhasste Körper, das gelebte Ich irgendwann nicht mehr da sein würde, einfach weg sein würde, dass das Leben, an das man sich so klammerte, nie wieder da sein würde, einfach von einem Moment auf den anderen ausgehen würde, ausgelöscht wurde. Nicht mit einem Knall, sondern still. Dass man nicht mehr da war, nie wieder. Ich weiß, das ist der Lauf der Dinge, ich weiß, aber trotzdem machte ihm das eine Heidenangst. Immer und immer wieder. In regelmäßigen Abständen. Wie aus dem Nichts. Oft versuchte er in diesen Momenten, diesen Augenblicken des Lebens auszurechnen, wie viel Leben ihm wohl noch blieb: Er war jetzt 34, 35, 36, 37… Die Hälfte war also um, so gut wie um, ohne, dass er es gemerkt hätte. Und es würde mit fortschreitendem Alter bestimmt nicht besser werden… Man würde immer mehr Lebensqualität verlieren…Jahr für Jahr…man würde unmerklich älter werden, bis es irgendwann zu spät war…


Und heute, das hat er diese Attacken irgendwie nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Seltsam.

Einen Vorteil muss diese ganze Scheiße ja haben, denkt er. Wenigstens ist die Angst vor dem langsamen, aber sicheren Älterwerden und sterben all den Problemen gewichen, die jetzt sein Leben beherrschen, im Würgegriff haben: den Geldsorgen, den Formularen, den Sorgen um María und last but not least all dem Liebeskummer, dem Schmerz, dem unendlichen Schmerz

Einen Vorteil muss dieser ganze Scheiß, der mir passiert, ja haben! Ich denke nicht mehr (so viel) über das Älterwerden nach

über den Tod


aber ist das überhaupt ein Vorteil? Oder ist das so, weil ich innerlich schon tot bin? Hat sie mich etwa schon getötet, ohne dass ich es bemerkt hätte. Ist mein Leben schon so schlimm, dass selbst der Tod mich nicht mehr schocken kann, dass mir alles egal ist.

Oder ist es so, dass ich jetzt, trotz allem, mich nicht mehr so eingeengt fühle, nicht mehr so eingeengt bin, in einer Ehe mit einer Frau, die ich nie zu hundert Prozent geliebt habe. In einem sozialen Umfeld, in dem es um Dinge ging, die ihm letzten Endes nichts bedeuteten: Häuser, Autos, Möbel

(er weiß noch ganz genau, wie viel Ärger er an diesem Samstag hatte, an dem er mit ihrer Freundin im Auto, dass er und Nadine nicht hatte, nach Köln gefahren war, um sich Sofas anzugucken, die er nicht wollte, die eh zu teuer waren oder nur billige Notlösungen aus grobem Stoff und nicht aus schwarzem Leder wie sie ihm gefielen…als er plötzlich zu Nadine und ihrer Freundin sagte, wie aus heiterem Himmel: „Dann brauch ich mir ja nur noch einen Sarg kaufen, wenn ich das Sofa nehme, dann kann ich mir ja gleich einen Sarg kaufen…“ Was natürlich nicht gut ankam, mal ganz abgesehen, von seinem schlechten Gewissen, dem Sofa gegenüber und den Leuten, die sich Mühe gemacht hatten, es herzustellen…ja, er hatte damals tatsächlich ein schlechtes Gewissen dem Sofa gegenüber…das größer war als sein schlechtes Gewissen seiner Ehefrau oder ihrer besten Freundin gegenüber, die sich extra die Mühe gemacht hatte, sie nach Köln zu fahren


Ach, was weiß ich denn, ich weiß nicht, ob das so besser ist oder nur einfach anders, denkt er, keine Minute bevor der Bus kommt, der ihn in sein neues Zuhause, sein neues Leben zurückbringt… 









Sonntag, 20. August 2017

Kurzes Leben, langer Schwanz















Der brasilianische Koch von nebenan kommt rein. Boah, ich liebe den, der ist echt geil. Immer diese Mischung aus Melancholie und Zweckoptimismus.

„Und, wie geht’s?“, sage ich extra laut, extra provokant.

Samstag, 19. August 2017

Geister





You know nothing? Do you see nothing? Do you remember
Nothing?” T.S. Eliot - "The Waste Land"







Und, wann bist du gestorben?

Nicht lange danach. Ich hatte keinen Bock mehr.

Und du?

Ein Autounfall. Richtung Köln. Frontal in einen LKW.

Donnerstag, 20. Juli 2017

Leben nach dem Tod













Ich sitze auf dem Klo, lese dieses Buch über ein Leben nach dem Tod und denke: So eine ähnliche Erfahrung hattest du doch damals auch, oder nicht?! Wie du das Gefühl hattest, dass du aus deinem Körper rausgehst, dass du deinen Körper verlässt, nachts im Bett, als Jugendlicher

Sonntag, 9. Juli 2017

Wofür lebst du?















Wofür lebst du?“

Wofür lebst du?, liest er auf dem Blatt, in der Schrift von Herrn Baden. Geil, denkt er. Und dann: Wofür lebst du? Fast hört er es Herr Baden sagen, sieht ihn vor sich, in dieser Weinbar in der Bonner Südstadt. Wie er da sitzt, mit dieser Selbstverständlichkeit. Dieser Unerschütterlichkeit. Als wüsste er alles. Als hätte er alle Antworten. Auf alle Fragen des Lebens. Er guckt sich den Zettel noch mal an. Das ist jetzt schon so lange her. Mehr als zwei Jahre. Und das Komische ist: Bis heute hat er keine Antwort auf diese Frage. Damals war es noch seine Tochter. Oder war das etwa nur eine Verlegenheitsantwort? Keine Ahnung. Wie immer: keine Ahnung. Kann man überhaupt für seine Tochter leben? Ich meine, bis zu einem gewissen Grad bestimmt, aber doch nicht 100%ig. Also, wofür lebst du dann? Wofür tust du dir das an? Wofür tust du dir das noch an? Trennungsschmerz, Geldsorgen, existentielle Sorgen, einen Körper, der immer älter wird und irgendwann auch nicht mehr mitmacht. Also, wofür lebst du dann?








 Und, wofür leben Sie? Wenn Sie es wissen, teilen Sie es mir mit...






Freitag, 27. Januar 2017

I want to die









“And in that moment, he was finally able to accept it all. In the deepest recesses of his soul, Tsukuru Tazaki understood. One heart is not connected to another through harmony alone. They are, instead, linked deeply through their wounds. Pain linked to pain, fragility to fragility. There is no silence without a cry of grief, no forgiveness without bloodshed, no acceptance without a passage through acute loss. That is what lies at the root of true harmony.”(Haruki Murakami - Colorless Tsukuru Tazaki and His Years of Pilgrimage)








Freitagabend, nach der Arbeit, steigt er in I. aus dem Bus aus. Es ist schon dunkel. Stockdunkel. Wie sollte es auch anders sein?! Es ist ja erst Januar. Und scheißkalt. Kaum ist er aus dem Bus raus, denkt er: I want to die. Fast sagt er es sogar laut: I want to die. I want to die. Immer wieder. Und in diesem Moment, heute Abend, wo María nicht da ist, an diesem düsteren Freitag, meint er es sogar. I want to die. Er geht über die Straße, guckt sich um, um zu sehen, ob auch kein Auto kommt. I want to die. Das ist schon fast wie eine Beschwörung. Er hat keinen Bock mehr. Er hat echt keinen Bock mehr. Er betritt den Edeka-Markt auf der anderen Seite, schräg gegenüber von der Haltestelle, geht vorbei am Obst und Gemüse. I want to die. I can’t do it anymore. I can’t fucking do it anymore. Er holt sich Chips. Die Leckeren von Alnatura. Bio-Chips! Und Sauce. Bolognese-Sauce. I want to die. Er nimmt sich eine Tüte Chips, geht dann zur Sauce. Rein äußerlich ist ihm nichts anzusehen. Er ist geduscht, seine Klamotten sind sauber und seine Frisur ist, wie er gestern noch zu seiner Tochter (als sie noch da war) gesagt hat, die „genau die richtige Länge“. Die „beste Frisur aller Zeiten“, hat er mit einem gewissen Stolz gesagt, aus dem Bad kommend.
Nur innerlich sagt er sich immer wieder: I want to die. Und er sagt es nicht nur, er fühlt sich auch so, als er in der Dunkelheit in die kleine Straße abbiegt, in der er noch wohnt. I want to die. Das heißt jetzt nicht, dass er ernst machen wird, sich Zuhause in die Badewanne legen und die Klinge seines Rasierers den Rest  erledigen lässt. Das ist mehr so eine Feststellung. Eine präzise, aber gleichzeitig vage Feststellung seines derzeitigen Gemütszustandes. Eine objektive, sachlich-deutsche Feststellung. Noch nicht mal postfaktisch…

I want to die