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Samstag, 28. Oktober 2017

Visionen

"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." Helmut Schmidt






   
Am Maritim steigt eine Frau in die Bahn ein, die von hinten voll aussieht wie Nadine. Wie Nadine früher aussah, als sie noch Locken und einen Pferdeschwanz hatte, vor Jahren…

Hey, nicht dass das Nadine ist!, denkt er.

Freitag, 30. Juni 2017

H wie Hoffnungslosigkeit, Heulen und...













Du liegst im Bett, willst traurig sein, es macht doch alles keinen Sinn mehr, willst heulen, nichts mehr sagen, nie wieder was sagen…

…aber dann kommt María an dir vorbei…

Und du fühlst dich wieder besser. Nur minimal, aber das reicht schon, um weiter zu leben, um wieder Hoffnung zu schöpfen. Dieses Leben ist so Scheiße. Es zieht dich ganz tief runter und gibt dir dann einen Funken Hoffnung.

Donnerstag, 11. Mai 2017

Ein Finne in der Wüste










Ich möchte für in einer halben Stunde den Tisch reservieren.“

Er guckt auf die Uhr.

„Solange du um halb eins raus bist.“

„Ja, auf jeden Fall.“

 „Ok…und, geht’s dir wieder besser?“

„Ich stecke in der schwersten existentiellen Krise meines Lebens. Das ist ein Abenteuer…

…und ich liebe es.“

Freitag, 14. April 2017

Karfreitag














Am Karfreitag liegt er wortwörtlich den ganzen Tag im Bett. Am Anfang ist ja seine Tochter noch da, aber dann, um etwa ein Uhr geht sie auch. Und dann beginnt sie wieder, die Leere. Die Leere in diesem Land, in diesem Leben. Eigentlich wollte er noch in die Kirche gehen. Um drei. Das hat er seiner Tochter groß angekündigt und ist dann keine halbe Stunde nachdem sie weg war wieder eingeschlafen. Nur um um Punkt drei aufzuwachen. Und dann doch noch die Oster- oder Karfreitagsmesse zu gucken. Aber im spanischen Fernsehen.

Donnerstag, 23. März 2017

Das Herz eines Boxers















Auf dem Weg zum Lidl sagt er sich: Es kann noch schlimmer kommen. Es kann immer schlimmer kommen. Du könntest zum Beispiel sterben…

…am Ende kommt es immer noch schlimmer.

Es wird immer noch schlimmer kommen

Es kann immer noch schlimmer kommen.

Am Ende kommt immer das Schlimmste…

Sonntag, 12. Februar 2017

Alltag im All








Though I'm past one hundred thousand miles
I'm feeling very still
And I think my spaceship knows which way to go
Tell my wife I love her very much she knows

Ground Control to Major Tom
Your circuit's dead, there's something wrong (Space Oddity – David Bowie)









Ich werfe zu viel Klopapier in die Toilette und sie spült wieder nicht ab, obwohl das Wasser schon bis zum Rand steht und ich nicht mehr Wasser nachlaufen lassen kann. Dann gehe ich ins Wohn-/Schlafzimmer, suche das Buch, das ich zurückgeben muss, finde es aber nicht. Stattdessen fällt mir ein anderes Buch runter. Ich kann es nicht mehr fangen, es gleitet mir einfach aus der Hand. Ach, lass es fallen, scheiß drauf, lass alles fallen. Vielleicht willst du ja sogar, dass es fällt. Vielleicht soll es ja fallen. Also scheiß drauf! Ein paar Minuten später liege ich im Bett und das Handy macht diesen Ton, den es immer macht, wenn der Akku leer ist. Geil. Der Akku des Computers ist auch leer, aber das Kabel steckt zum Glück noch in der Steckdose. Mein Akku ist auch leer, aber es gibt kein Kabel, keine Reißleine, die ich ziehen kann und mit Hilfe derer ich mich fallen lassen kann. Mich einfach fallen lassen kann. Wie der Typ in Fight Club. Einfach loslassen kann, von diesem deutschen Alltag, der mich jeden Tag aufs Neue fickt. Von vorne und von hinten. In den Arsch und…keine Ahnung wohin. Langsam werde ich nervös. Denn das Buch muss morgen zurück. Scheiße. Also starte ich einen zweiten Suchversuch. Während das Handy noch mal klingelt. Ich weiß, dass du leer bist. Ich auch. Ein Leerkörper. Das haben wir früher immer zu unseren Lehrern gesagt. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass und wie sehr das eines Tages auch auf mich zutreffen würde. Ich blicke nach rechts, zum Fernsehtisch neben dem Bett. Geil! Ein Buch habe ich gefunden. Aber dieses Buch war auch nicht das Problem. Sondern das andere. Da liegt es: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Nein, nicht von mir, sondern von Milan Kundera. Habe ich nie zu Ende gelesen. Weil ich genau weiß, was am Ende passiert. Das hat Milan Kundera nämlich schon ungefähr zur Hälfte des Buches vorweggenommen. Das  Ehepaar stirbt. Beide sterben. Wir müssen alle sterben. Will er wahrscheinlich damit sagen. Keine Ahnung. Egal wie viel wir betrügen und lügen, wir werden alle sterben. Was für eine Message! was für eine Moral! Die Moral von der Geschicht ist…wir müssen alle sterben. Alle fallen. Alle loslassen. Das Handy klingelt wieder. Wie ein Baby, das seine Flasche will. Ich nehme das Buch, finde dieses Bookmark, dieses Lesezeichen, das ich damals gefunden habe. In irgendeinem anderen Buch. Auf der Vorderseite ist eine rote Kerze abgebildet, deren Flamme vor dunklem Hintergrund hell brennt und unter der steht:
Jesus Christus
Licht der Welt. Licht für
jede Dunkelheit.
Licht auch
für dich.

Ohne Ausrufezeichen. Nur mit Punkt. Als ob es so wär. Einfach so wär. Und als wär das nicht schon genug (Licht) steht auf der Rückseitein schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund:

Ich bin
das Licht der Welt.
Wer mir vertraut,
wird nicht mehr
in der Finsternis
bleiben, sondern
wird das Licht
des Lebens haben.
Jesus Christus

Wird nicht mehr fallen, nichts mehr fallen lassen. Oder wird gerade fallen, wird fallen lassen können, loslassen können, endlich loslassen. Die Welt ist so voller Zeichen, voller Botschaften, voller Messages, man muss sie nur erkennen. Erkennen können. Deuten. Deuten können. Man muss nur glauben. An sie…

…seine Ex-Frau…

…vertrauen können…

…dass wir zwar sterben werden, aber trotzdem wieder zueinander finden können…in diesem Leben

oder im nächsten

„…willst du ein Revival?“

„Ich weiß nicht…“

Meine Lieblingsphrase um zu sagen: „Ja.“ „Ja, ich glaube schon.“ „Ja, ich glaube.“ Einfach so. So einfach.
Jetzt muss ich nur noch das andere Buch finden…geil
Du stehst mitten im Raum, lässt das Chaos deines Lebens auf dich wirken und kratzt dich am Penis. An dieser Stelle unterhalb der Eichel. Zwischen Eichel und Schaft, an der du dich so gerne kratzt. Das ist so mit die empfindsamste Stelle des gesamten Penis. Wenn man da kratzt, dann  macht das richtig Spaß, manchmal. Ist belebend. Wirkt belebend. Manchmal kannst du da kratzen, bis es blutet, an diesen Häutchen unter der Vorhaut. Ziehen, kratzen und kneten. Bis du nichts mehr fühlst. An dieser empfindsamsten Stelle des männlichen Körpers.

Plötzlich geht der Fernseher aus. Das macht er immer, wenn er zu lange ohne Unterbrechung läuft. Das heißt, er läuft jetzt schon 4,5 Stunden ununterbrochen. Der Moderator des Morgenmagazins kann gerade noch sagen: „Wir sprechen gleich über Übergewicht, über Dicke“…und schon ist er aus. Gut so, vielleicht. Du stehst wieder auf, kratzt dich zwischen Sack und Arschloch. An dieser ebenfalls sehr empfindlichen, sehr empfindsamen Stelle. Diesen Weichteilen des menschlichen Körpers. Nadine konnte das damals während des Laufens. Sich am nicht vorhandenen Sack kratzen. Da steckte sie sich manchmal einfach so die Hand in die Hose und roch danach an ihrem Finger. Wie ein Mann. Wie du. Manchmal hielt sie ich  sogar dir unter die Nase. Aber ihren Geruch mochtest du nicht. Man mag nur seinen eigenen Eiergeruch. Arschgeruch. Nie den anderer. Du hast dir damals auch immer direkt die Hände gewaschen, nachdem du ihr den Finger in den Arsch gesteckt hast. Beim Bumsen. Du wolltest sie immer in den Arsch bumsen, aber sie wollte das nicht. Keine Ahnung warum…(beides).

Wir kompensieren Sorgen mit essen…

Kenne ich irgendwoher… Dabei fällt mir ein. Ich hab ja noch Eis.

…wiegt 188 Kilo. Die Selbsthilfegruppe war sein Weckruf…

Der Typ im Fernsehen ist Köln-Fan, zeigt seine alte Trikot-Sammlung. Da würd ich auch essen, um zu kompensieren, denkst du. (Nur ein Witz, ein einsamer Witz in der Dunkelheit, in der Einsamkeit…)

Das Buch taucht immer noch nicht auf. Scheiße.

Am Ende findest du das Buch doch – wieder – nicht und machst dir Sorgen…

Mach dir keine Sorgen, ich komme Morgen…

Und was ist, wenn das nicht auf der Arbeit ist? Was ist, wenn das nicht mehr da ist? Gar nicht mehr da? Dann muss ich das ersetzen… Scheiße…

***

Später am Vormittag checke ich meinen Lottoschein. Ich hab bestimmt wieder nichts gewonnen. Wie immer. Aber dann überraschen mich die Zahlen. Ich habe tatsächlich…3 Richtige…die 30, 31 und 46. Und das sind tatsächlich 13,10€. Scheiße, ich bin reich. Aber ehrlich:13,10 € ist für 3 Richtige echt nicht schlecht!
Warum gibt einem Gott eigentlich immer in den hoffnungslosesten Momenten wieder Hoffnung? Ich hasse das. Ich hasse die Hoffnung


Auch das Scheiß-Buch nehmen die ohne das beschissene Faltblatt an. Wozu hab ich mich eigentlich bekloppt gemacht, den ganzen Tag lang
            och, es gibt da noch so ein paar weitere Gründe, but we wouldn’t want to go into that, would we?!












Freitag, 14. Oktober 2016

Phönix aus der Asche









Irgendwann hörst du auf, noch daran zu glauben. Nach mehr als anderthalb Jahren. Das ist ja auch normal. Wer glaubt denn nach so einer langen Zeit noch daran, dass sie zurückkommt. Das ist ja auch gut so. Das Leben muss ja weitergehen. Du kannst ja nicht ewig in der Trauer um eine Frau gefangen sein, die nicht tot ist, sondern die dich einfach nur nicht mehr liebt. Oder nicht genug. Oder was auch immer. Irgendwann sagt dir dein Körper, dein Kopf das Schluss ist, das es jetzt reicht

Und du gibst die Hoffnung auf

Das Leben muss weitergehen

Aber zuerst fällst du in ein richtig schwarzes Loch, ein richtig tiefes Loch. Denn dieser verlorene Glauben ist zwar notwendig, sogar gut, um abzuschließen, endlich abzuschließen mit der Vergangenheit, aber am Anfang fühlst es sich nur an, wie ein weiteres Stück Leben, das wegbricht, das nicht mehr da ist.

Und das Loch ist tief, glauben Sie mir. Und es lässt sich weder mit Pornos mit asiatischen Massagen noch mit Essen stopfen. Auch die Arbeit vermag es nicht zu stopfen.

Du fällst, um irgendwann wieder aufstehen zu können. Hoffentlich wieder aufstehen zu können. Deinen Kopf, dein Haupt wieder erheben zu können. Dich langsam erst nur auf die Knie zu stützen und dann langsam, ganz langsam dich wieder zu erheben. Wie Phönix aus der Asche. Nur, dass es sich nicht so glorreich anfühlt wie sich das anhört. Weiß Gott nicht.

Sie hat dich nicht geliebt. Das ist Scheiße. Aber das hat deine Mutter auch nicht. Und dein Vater auch nicht. Aber trotzdem bin ich noch da. Alive and kicking, wie der Engländer das nennt. Vivo y coleando, wie man auf Spanisch sagt. Coleando, nicht culiando, denn das heißt etwas komplett anderes, in Ecuador

Du musst ja auch weitermachen. Was gibt es denn sonst. Nichts. Wir müssen immer weitermachen. Es gibt ja keine Alternative. Denn dieses Leben werde ich für sie nicht früher verlassen.

Dieses Leben ist zwar nicht toll, aber es ist alles, was ich habe











Freitag, 29. Juli 2016

Marina Joyce Mystery










Heute hast du frei – obwohl: von deinem Kopf hast du ja nie frei. Also stehst du um 9 Uhr auf und gehst auf Klo. Et drückt. Wenn et drückt, dann musst du…kacken (und das ist nicht witzig). Das heißt: Erst mal musst du pissen, denn Pissen kommt immer vor dem Kacken. In letzter Zeit bleibt dazwischen auch irgendwie immer weniger Zeit, denn…et drückt. Also streifst du dir die Unterhose runter, kneifst die Arschbacken zusammen, holst schnell in kleinen Trippelschritten den Laptop, und dann den Hocker, den du auf den Küchenstuhl vor der Kloschüssel stellen musst, damit der Laptop ungefähr auf Augenhöhe steht. Ich weiß, das klingt nicht so, aber das hat System! Schaffst es gerade so noch, bevor es losgeht. Ach ja, Pipi hast du übrigens schon gemacht – trotz Morgenlatte. Und noch bevor du den Computer angeschaltet hast, geht’s los (die Details erspare ich Ihnen jetzt…). Danach wischst du dir den Arsch ab und willst dich eigentlich anziehen, um Laufen zu gehen. Aber als du wieder in deine Unterhose und die dazugehörige Blümchenshorts schlüpfst, hörst du schon das Plätschern draußen. Scheiße, es pisst. Scheiße! Und das tut es wirklich…und wie… In Strömen. Das ist echt voll der Dschungel hier, in Deutschland. Also wartest du und gehst dann Laufen. Mit Regenschirm. Durch den Wald. Durch den deutschen Psychoregen (nicht genug, um den Schirm aufzumachen und zu viel um den Schirm zuzumachen). Das ist echt, als würde da oben jemand sitzen, der exklusiv dich ärgern wollte…

Nach dem Laufen jib et Frühstück. Kalte Hühnerbrühe von gestern (die kühlt ab und du schwitzt nicht so viel in die Pfanne mit den Rösti-Ecken und den restlichen Knusper Gockelchen rein. Obwohl das voll geil ist: Denn jedes Mal, wenn ein Schweißtropfen von deiner Stirn in die Pfanne fällt, zischt das Hammer…

Nach dem Essen schläfst du ein bisschen (so ungefähr zwei Stunden), wachst dann langsam auf und liest die Bild. Stößt auf diesen Artikel über Marina Joyce, diese Mode- und Schmink-YouTuberin, die in letzter Zeit so seltsam sein soll. In ihren Videos. Das musst du natürlich gleich recherchieren. Also auf zu YouTube. Und das stimmt irgendwie. Die ist schon komisch, obwohl die eigentlich voll geil aussieht. Für eine Engländerin zumindest. Wie hat das dein Kumpel Miro damals in Schottland so gewählt ausgedrückt: „Die Frauen sehen hier alle aus wie Schnitzel.“ Also, wie ein Schnitzel auf Beinen sieht die nicht so richtig aus, mit ihren riesigen, blauen Augen. Aber glücklich auch nicht, wie sie dieses Kleid im Garten dieses typisch englischen Backsteinhauses in der Vorstadt von London präsentiert. In dem Video Date Outfit Ideas. Manchmal bekommt ihr Blick so etwas Abwesendes, etwas Ängstliches, was irgendwie voll krass wirkt. So als wär sie nur halb da. Die Diskussionen um diese Videos schossen tatsächlich so ins Kraut, dass die sogar die Polizei gerufen haben. Die war dann wirklich bei der (mehrmals!), um sich zu vergewissern, dass es der wirklich gut geht. Die Polizei hat auch nichts Besseres zu tun, denkt er! Vielleicht sollte er die mal seiner Tochter empfehlen, die ist wirklich nicht schlecht. Aber schon krass, wie die guckt. Augen riesig und diesen vagen Ausdruck von Angst, Unsicherheit im Blick. Spannend! Er liest: Manche spekulieren, dass sie Drogen nimmt, weil sie auf verschiedenen Raves gesehen wurde. Andere sagen, sie sei schizophren (Hammer, auf was die Leute kommen, ohne jemanden wirklich zu kennen oder irgendwelche gesicherten Diagnosen zu haben. Krass, ne!? Dass sie misshandelt wird…von ihrem Freund, ihrer Familie, ihrer toten Großmutter, suchen Sie sich was aus. Da ham sogar welche behauptet, die sei von dem IS entführt worden und solle möglichst viele Follower an einen Anschlagsort locken. Geil, ne?! Und das Geilste ist: Wenn du das so liest, denkst du: Boah, da bin ich ja sogar noch relativ normal… Relativ. Alles ist relativ. Oder um deinen Vater zu zitieren: „Pervers ist eine Abweichung von der Norm, aber wer kann die Norm schon bestimmen?!“ Da war er immer ganz stolz drauf, auf diesen Spruch, obwohl der heute, jetzt im Nachhinein schon ziemlich gruselig daherkommt (nur so am Rande…). Du guckst dir einen fetten Typen mit undefinierbarem Akzent (ist der jetzt Engländer oder nicht?) an, der über alles Mögliche spekuliert (dass er nicht noch den Geist der toten Großmutter aus der Truhe holt, ist schon fast ein Wunder!). Aber irgendwie überzeugt dich das alles noch nicht – ist aber spannend genug, um nicht wieder einzuschlafen. Boah, früher hatte ich ein Leben! (Nein, hattest du nicht, da hast du genau das Gleiche gemacht, an deinem freien Tag! Okay…). Also guckst du dir noch ein Video von ihr selbst an (nicht von irgendwelchen fetten, undefinierbaren Kommentatoren, die sowieso nur Scheiß labern). Und dieses Video hat es in der Tat in sich. Du weißt nicht, was du davon halten würdest, wenn sich deine Tochter diese YouTuberin angucken würde – obwohl der britische Akzent so geil ist und die Alte auch nicht schlecht (Anfang 20, kleine Tittchen, tiefblaue Psychoaugen, ein hübsches Gesicht…). In dem Video, das den für Schmink- und Modetipps eher untypischen Namen Near Death Experience trägt, sitzt Marina Joyce in ihrem (?) Schlafzimmer, auf ihrem Bett (nein, das ist kein Porno-Video, eher genaue Gegenteil davon!), neben sich den Laptop. Auf dem Bett liegt eine violette Decke, die perfekt zu dem etwas helleren, aber ebenfalls violetten Wollpulli, den Marina trägt, passt. Im Hintergrund ist ein Katzenkissen, das einen mit großen Augen anzustarren scheint (ich mag Katzenmenschen, auf jeden Fall besser als Hunde!). Marina trägt eine rote Rosa hinter dem Ohr, ihre Haare sind wie immer perfekt frisiert und ihre blauen Augen werden durch die schwarze Umrandung noch blauer. Aber das ist kein Schminkvideo. Das wird dir schnell klar! Sie scheint echt aufgewühlt zu sein, redet von seltsamen, verrückten Erfahrungen, die sie vor kurzem gemacht hat, ihrem „geheimen Leben“, der Absurdität…ja, von was eigentlich! Und das ist der Trick: Das sagt sie nämlich in 9:23 nicht! Stattdessen sagt sie, dass sie im Februar geboren ist. Wassermann, wie du! Dat sinn die schlimmsten. Aber irgendwie kannst du dich auch mit dem identifizieren, was sie sagt. Marina Joyce, die Schminktante aus London! Aber wenn sie davon redet, dass sie stärker dadurch geworden ist, was sie durchgemacht hat, aber was sie nicht genau sagen will. Und zu heulen anfängt. Also: Entweder sie ist eine gute Schauspielerin oder… Das willst du dir gar nicht ausmalen, daran willst du gar nicht denken. Sie fühlt sich so alleine (genau!), da nur sie alleine weiß, wie hart diese Erfahrungen waren (I’m feeling you, Marina, I really do!). Mich versteht auch keine Sau, wie sehr ich unter der Trennung von meiner Frau gelitten habe, keine Sau, echt, so als hätten die alle keine Gefühle oder ich zu viele oder keine Ahnung. Wie hart ich kämpfe, um eine stärkere Person zu werden…wem sagst du das, Schnucki?! Ne, aber echt, ernsthaft… Du warst zwar nie, wie Marina Joyce sagt, the happiest person in the world, auch früher nicht, wo du noch halbwegs ganz warst, halbwegs whole. Wild mit den Armen gestikulierend, sagt sie mit dramatischer, tränenreicher, ja fast schon hysterischer Stimme: …das Gefühl, dass ich nicht mehr am Leben wäre... Und dich beschleicht auch so ein Gefühl: Nämlich, dass sie über den Tod redet. Und darüber, wie man sich fühlt, wenn man weiß, wenn man sich bewusst wird, dass man sterben muss, dass das Leben endlich ist. Dass man einfach irgendwann nicht mehr da ist. Das kannst du schon verstehen, selbst, wenn das nicht echt ist, wie manche Kommentatoren behaupten. Selbst dann, dann ist das schon eins der echtesten Gefühle, die es gibt, Im Leben. Also, warum sollte das nicht echt sein, warum sollte die das nicht fühlen dürfen?! Nur, weil sie Schmink-, Dating- und Modetipps gibt?! The meaning of life, sagt sie, die Bedeutung des Lebens…es ist die Kunst, die dich möglicherweise retten kann…Leute können über Depressionen, über PTSD, über Angststörungen oder Panikattacken hinwegkommen…wenn sie sehen, wie schön das Leben ist… Die Kunst kann Leute retten… Weiß nicht…aber...

Du guckst dir die Kommentare an und findest einen, der sagt, dass sie weiß, worüber Marina redet. Nämlich, dass sie ANGST VOR DEM TOD hat (und die Großbuchstaben sind nicht von mir, sondern von der Autorin des Kommentars!). Und du denkst: Hey, stimmt! Das hast du auch gedacht, als du das gehört hast! Hey, du bist nicht der Einzige, obwohl du das immer denkst. Du bist nicht der campeón del sufrimiento, wie das letztens dieser Typ, der Leiter des „Zeitministeriums“ in der gleichnamigen spanischen Serie gesagt hat. Du bist nicht der Weltmeister im Leiden. Alle leiden. Wir alle leiden. Ihr alle leidet! Unter dem Tod, unter der Liebe, unter den Gefühlen oder dem Ausbleiben derselben. Darunter, dass wir sterblich sind, dass wir irgendwann gar nicht mehr da sind, überhaupt nicht mehr, nie wieder




Ach ja, irgendwo dazwischen, irgendwo zwischen schlafen, auf den Klo gehen, essen, laufen hast du auch noch die Mail deiner Tochter gelesen: Komme erst am Samstag, spät. Auf Deutsch: Sonntag ist auch nicht drin. Also erst Montag, wie das Wechselmodell das vorsieht. Bin begeistert. Ne, aber echt: Ich liebe es von meiner Frau und Tochter getrennt zu sein…!

Aber wenigstens hat das einen Vorteil. Du musst keine Antwort mehr schreiben…






Wenn das jetzt deine Tochter wär, Marina Joyce meine ich, dann würdest du dir echt Sorgen machen…warum machen sich die ihren Eltern eigentlich nicht?! Oder machst du dir zu viele...

Obwohl: Fürsorge ist ein klares Zeichen, das man kein Narzisst ist. Zumindest kein hoffnungsloser, haha...