Heute ist meine Tochter mit
meiner Noch-Frau in Urlaub gefahren. Am Ende stand sie auf und sagte nur
lakonisch: „Ich geh dann jetzt.“ Vorher waren wir noch bei Edeka, kinder buenos
kaufen für sie und eine Pepsi Max für mich kaufen. Da waren nur sechs Stück
drinnen, in der Packung und die haben stolze zwei Euro gekostet. Sie hat mir
die Hälfte abgegeben. Unglaublich
Es sind die kleinen Dinge,
die einen glücklich und unglücklich machen. Und manchmal sogar beides in einem.
Wir haben noch GZSZ geguckt –
wie früher immer – und irgendwann ist sie dann aufgestanden und hat gesagt: „Ich
geh dann jetzt.“ Ich hatte diesen Moment schon gefürchtet, erwartet,
gefürchtet.
Sie kommt ja wieder, in zwei
Wochen. Sie ist ja nicht aus der Welt. Nur in diesem Land, wo die Deutsche
hassen. Tun die nicht. Das ist schon okay. Außerdem sieht sie eh nicht aus wie
eine typische Deutsche. Eher wie eine Argentinierin oder Italienerin.
„Ich geh dann jetzt.“
Soll ich nicht mitkommen,
früher sind wir doch auch immer zusammen in Urlaub gefahren.
Es
geht vorbei…
Ich umarmte sie noch mal,
gab ihr einen Kuss auf ihr wie immer glattes, perfekt aussehendes Haar und
wünschte ihr alles Gute. Obwohl ich das natürlich nicht tat. Oder doch: Ihr
schon, den anderen Reiseteilnehmern nicht. Aber was soll ich denn machen?! Ihr
den sauer verdienten Urlaub verbieten. Das würde sie eh nicht mit sich machen
lassen. Keine Chance. Am Ende gab ich ihr noch ein „Scheidung zerstört die
Gesellschaft“ mit auf den Weg und dann war sie weg. Ich weiß, es sind nur zwei
Wochen, aber früher waren wir immer zusammen im Urlaub. Dieses Jahr fühlt sich
das noch schlimmer an als letztes. Letztes Jahr war ich viel zu viel mit mir
selbst beschäftigt, mit meinem eigenen Überleben. Dieses Jahr auch noch, aber
dieses Jahr ist das anders. Natürlich hab ich ihr das mit der „Scheidung
zerstört die Gesellschaft“ nicht so gesagt, ich muss ja „Bindungsakzeptanz“
gegenüber der Beziehung zu ihrer Mutter beweisen. So nennen das die Juristen
und die Ratgeber zum Thema Scheidung, die überall über mein Schlaf-/Wohnzimmer
verstreut sind. Unübersehbar.
Was ich wirklich dachte, war:
Hoffentlich gibt es ein Erdbeben in Griechenland, einen Tsunami, einen
Atomkrieg…was weiß ich
„Schreib mir eine Mail, wenn
du angekommen bist. Du weißt ja jetzt meine Adresse! Ich weiß ja eh, wo du bist
"Ja."
Und sogar ihre Erdbeeren
nahm sie noch mit. Die Erdbeeren, die sie heute erst auf dem Markt gekauft
hat. Und auf die ich so scharf war. Und die Scheiß-Buttermilch hat sie mir dagelassen.
„Die Buttermilch lass ich
da...“
„Geil. Ich bin begeistert.
Warum nimmst du nicht die Buttermilch mit und lässt die Erdbeeren da?!“
„Nähhh…“
Keine fünf Minuten später –
ich hab mich wieder ins Bett vor den Laptop gelegt und gucke diesen komischen
deutschen Film auf dem Zweiten – klopft es ganz heftig an meinem Fenster. Das
ist…sie! Will sie etwa doch nicht mit ihrer Mutter in den Urlaub? Ich stehe auf
und gehe in den Flur. Sehe schon durch das Milchglas der Tür, dass sie das ist.
Ich mache die Tür auf, schaffe es aber noch nicht mal mehr „Du? Schon wieder
hier?! zu sagen, da ist sie schon an mir vorbei und sagt: „Ich hab mein Kabel
vergessen!“ „Hier!“ sage ich in der Tür stehend. Aber sie hat es schon
gefunden.
Scheiße. Fuck
Und schon ist sie wieder auf
dem Weg zur Tür, nach draußen, in den Regen. Den sie schon Morgen durch die
griechische Sonne ersetzen wird. Ohne mich.
Ohne dich, du Arschloch.
Weil du deine Ehe zerstört hast. Weil deine Frau deine Ehe zerstört hat. Weil
das Leben deine Ehe zerstört hat. Weil die genetische Vorbelastung deine Ehe
zerstört hat (hab ich gelesen: voll viele Trennungen sind genetisch
vorbestimmt, man kann also null gegen sie tun!)
„Jetzt hab ich meinen Bus
verpasst…
…vielleicht krieg ich den
noch…“
…
„Mach die Tür zu!“
„Ja, mach ich!“
Und schon ist sie wieder
weg.
Im Regen, um zu ihrer Mutter
zu fahren, mit der sie alleine in Urlaub fahren wird. Ohne mich
Sie ist ein gutes Kind, sie
hat sich einen Urlaub verdient, nach all dem Stress.
So eine gute Tochter haben
wir echt nicht verdient.
Aber wer kriegt schon was
er verdient hat, im Leben