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Mittwoch, 3. Januar 2018

Verzeihen, vergeben, vergessen und verstehen
















Im Fernsehen läuft dieser Film mit Edward Norton, der seit seiner Hauptrolle in Fight Club für dich als Schauspieler unfehlbar ist. Egal, in wie vielen Scheiß-Filmen er seitdem mitgespielt hat (wie zum Beispiel American History X). Einen Film wie Fight Club kann man eben nicht toppen, das weiß bestimmt auch Edward Norton. 

Auf jeden Fall spielt er in diesem Film den Kriminellen Stone, der einsitzt, weil er seine Mutter getötet hat, indem er das Haus, in dem sie lebte, angezündet hat. Weil es Gott ihm angeblich befohlen hat und er sich nur als Werkzeug Gottes gesehen hat. Oder irgend so ein Scheiß. Er hörte Stimmen, ein seltsames Rauschen, das nicht aufhören wollte, was weiß ich…  Im Laufe des Films schläft Stones Frau mit dem Bewährungsgutachter ihres Mannes, der von Robert de Niro wie immer meisterhaft gespielt wird, damit er Stone ein gutes Zeugnis ausstellt – aber das nur am Rande.

Sonntag, 10. Dezember 2017

Schnee


--And what did he die of so young, Gretta? Consumption, was it?
--I think he died for me, she answered.
"The Dead" - James Joyce










Und dann irgendwann fängt es an zu schneien. Feiner, weißer Neuschnee. Du läufst die Hauptstraße entlang, an der Kirche vorbei, und der weiße Schnee hat irgendwie doch etwas von Unschuld, von Neubeginn, wie er sich so auf alles legt, alles bedeckt: Die Gehwege, die Tannenbäume am Straßenrand, die Menschen. Die Vergangenheit.

Dienstag, 21. November 2017

Sonnenanbeter, die auf das Wassermannzeitalter warten





Zwei Wesen kämpfen in meiner Brust: Eines, das Veränderung, radikale Veränderung haben will, haben muss und eines, das unbeirrt, bis zum bitteren Ende an meinem alten Leben, an dem, was ich habe, festhalten will. Und beide treiben sie mich fast in den Wahnsinn. Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Illusion und Desillusion lösen sich jeden Tag ab, manchmal im Minutentakt.


***








An der Haltestelle in Meckenheim steht die alte Oma von letztens. Die so ein bisschen tüttelig ist, ein bisschen senil, aber die immer noch jede Woche den Bus nach Godesberg nimmt. Nehmen muss?

Kaum hast du die Sachen auf die braune Eisenbank gelegt, da spricht sie dich auch schon an. Mit zittriger, leicht stotternder Stimme:

„Darf ich Sie fragen, was ist denn ihr Fahrtziel?“, sagt sie.

„Godesberg.“



Freitag, 17. November 2017

Döner zum Abendessen















Ich gucke Australia. Mit Nicole Kidman. Und denke daran, wie ich das früher mit ihr geguckt hätte. Wie sie immer eingeschlafen ist, neben mir, in meinen Armen. Wäre sie bei Australia auch eingeschlafen. Weil es so langweilig war neben mir. Oder weil sie einfach nur müde war. Den ganzen Tag putzen ist hart…
Du wirst es nie erfahren…

Sonntag, 29. Oktober 2017

Müllentsorgung nach der Scheidung












Heute muss ich echt mal wieder ein bisschen aufräumen. Zuerst bringe ich den Müll raus, dann gucke ich im Keller nach, wie die Wäscheleinensituation aussieht (das muss man in einem Mehrfamilienhaus, in dem nur sechs Leinen vorhanden sind, immer tun). Aber heute ist fast alles leer (oh, Wunder!). Also wird heute auch noch gewaschen. Keine Minute Pause. 

Sonntag, 27. August 2017

Angst vor dem Tod












Nach der Arbeit, als er an der Bushaltestelle auf den Bus wartet, der ihn nach Hause bringen wird, denkt er plötzlich, wie aus heiterem Himmel: Das ist schon komisch. Seit ich getrennt/geschieden bin, muss ich gar nicht mehr an den Tod denken. Das heißt, ich denke immer noch an den Tod, aber…

…aber ich habe nicht mehr diese Panikattacken, die ich – als ich noch verheiratet war – dauernd hatte. Das ist schon komisch, aber es stimmt. Die habe ich tatsächlich nicht mehr…diese plötzlichen Angstattacken, die ich damals (trotz Nadine) dauernd hatte: beim Laufen, abends allein im Bett neben ihr und auf der Arbeit. Das war schlimm! Plötzlich ergriff mich diese vage, diffuse Angst oder Panik, dass ich irgendwann sterben würde, nicht mehr da sein würde. Einmal nachdem ich nachts nach der Arbeit im Wohnzimmer allein im Wohnzimmer diese Sendung, diesen Bericht über Mumien in den peruanischen Anden geguckt habe. Aber es waren nicht nur die Mumien, sondern auch andere Geschichtsreportagen, die dieses Gefühl hervorriefen. Und ihre schlafende Anwesenheit neben mir im Bett half bei deren Beseitigung. Denn dieses plötzliche Gefühl, diese plötzliche Gewissheit, dass ich irgendwann einmal nicht mehr da sein würde, gar nicht mehr, nie mehr, dass ich für immer tot sein würde, nie wieder zurückkehren würde, dieses Gefühl war stärker als alles andere. Man konnte nur hoffen, schnell einzuschlafen (aber selbst das war zutiefst ironisch) und wenn es einen draußen erwischte (wie einmal beim Walken in der Nähe der Universität), musste man hoffen, schnell auf andere Gedanken zu kommen. Das war ein schlimmes Gefühl. Man fühlte sich irgendwie schwerelos (so als wäre der Körper zu leicht, um auf dieser Erde zu verbleiben) und gleichzeitig wurde der Körper auf einmal so schwer wie ein Gefängnis auf Erden, wie das Gefängnis auf Erden, das er im Endeffekt ja auch war. Fast wurde ihm davon sogar schwindelig und er spürte immer diese Schwere, diesen Druck in der Brust. Das waren zwar wahrscheinlich keine Panikattacken im klassischen Sinn (was auch immer das ist), aber es waren doch im gewissen Sinne Angstattacken, eine Angststörung, diese pure, reine, kondensierte Angst, die man bekommt, wenn man merkt, dass der geliebte und zugleich verhasste Körper, das gelebte Ich irgendwann nicht mehr da sein würde, einfach weg sein würde, dass das Leben, an das man sich so klammerte, nie wieder da sein würde, einfach von einem Moment auf den anderen ausgehen würde, ausgelöscht wurde. Nicht mit einem Knall, sondern still. Dass man nicht mehr da war, nie wieder. Ich weiß, das ist der Lauf der Dinge, ich weiß, aber trotzdem machte ihm das eine Heidenangst. Immer und immer wieder. In regelmäßigen Abständen. Wie aus dem Nichts. Oft versuchte er in diesen Momenten, diesen Augenblicken des Lebens auszurechnen, wie viel Leben ihm wohl noch blieb: Er war jetzt 34, 35, 36, 37… Die Hälfte war also um, so gut wie um, ohne, dass er es gemerkt hätte. Und es würde mit fortschreitendem Alter bestimmt nicht besser werden… Man würde immer mehr Lebensqualität verlieren…Jahr für Jahr…man würde unmerklich älter werden, bis es irgendwann zu spät war…


Und heute, das hat er diese Attacken irgendwie nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Seltsam.

Einen Vorteil muss diese ganze Scheiße ja haben, denkt er. Wenigstens ist die Angst vor dem langsamen, aber sicheren Älterwerden und sterben all den Problemen gewichen, die jetzt sein Leben beherrschen, im Würgegriff haben: den Geldsorgen, den Formularen, den Sorgen um María und last but not least all dem Liebeskummer, dem Schmerz, dem unendlichen Schmerz

Einen Vorteil muss dieser ganze Scheiß, der mir passiert, ja haben! Ich denke nicht mehr (so viel) über das Älterwerden nach

über den Tod


aber ist das überhaupt ein Vorteil? Oder ist das so, weil ich innerlich schon tot bin? Hat sie mich etwa schon getötet, ohne dass ich es bemerkt hätte. Ist mein Leben schon so schlimm, dass selbst der Tod mich nicht mehr schocken kann, dass mir alles egal ist.

Oder ist es so, dass ich jetzt, trotz allem, mich nicht mehr so eingeengt fühle, nicht mehr so eingeengt bin, in einer Ehe mit einer Frau, die ich nie zu hundert Prozent geliebt habe. In einem sozialen Umfeld, in dem es um Dinge ging, die ihm letzten Endes nichts bedeuteten: Häuser, Autos, Möbel

(er weiß noch ganz genau, wie viel Ärger er an diesem Samstag hatte, an dem er mit ihrer Freundin im Auto, dass er und Nadine nicht hatte, nach Köln gefahren war, um sich Sofas anzugucken, die er nicht wollte, die eh zu teuer waren oder nur billige Notlösungen aus grobem Stoff und nicht aus schwarzem Leder wie sie ihm gefielen…als er plötzlich zu Nadine und ihrer Freundin sagte, wie aus heiterem Himmel: „Dann brauch ich mir ja nur noch einen Sarg kaufen, wenn ich das Sofa nehme, dann kann ich mir ja gleich einen Sarg kaufen…“ Was natürlich nicht gut ankam, mal ganz abgesehen, von seinem schlechten Gewissen, dem Sofa gegenüber und den Leuten, die sich Mühe gemacht hatten, es herzustellen…ja, er hatte damals tatsächlich ein schlechtes Gewissen dem Sofa gegenüber…das größer war als sein schlechtes Gewissen seiner Ehefrau oder ihrer besten Freundin gegenüber, die sich extra die Mühe gemacht hatte, sie nach Köln zu fahren


Ach, was weiß ich denn, ich weiß nicht, ob das so besser ist oder nur einfach anders, denkt er, keine Minute bevor der Bus kommt, der ihn in sein neues Zuhause, sein neues Leben zurückbringt… 









Dienstag, 16. Mai 2017

Traumdeutung: Kreuzweg











In der ersten Szene des Traumes sind wir im Schlafzimmer. Ich weiß nicht, ob es unser Schlafzimmer ist, aber wir sind da. Auf jeden Fall. Im Schlafzimmer, mit María, die kleiner ist als jetzt (okay, das ist ja kein Wunder, jetzt ist sie ja schließlich schon erwachsen, wie sollte sie denn da nicht kleiner sein). Ich schreie Nadine an, María sagt nichts, wie immer. Ich schreie

Samstag, 31. Dezember 2016

Silvester










Heute ist nicht nur Silvester, sondern auch sein Jahrestag. Ihr Jahrestag. Der 21. Sein Phantom-Jahrestag. Denn das „ihr“ gibt es ja gar nicht mehr. Schon seit fast zwei Jahren nicht mehr. Und er ist ungeduscht, unrasiert, seine Hose hat noch die Erdflecken, wo er letztens im Dunkeln im Wald umgeknickt und sich hingelegt hat. Sich voll hingelegt hat. Bei dem Försterhaus, das so schön weihnachtlich geschmückt war, was ihn dazu veranlasste, sein Handy zu suchen, um ein Foto zu machen, wobei er dann ein bisschen vom Weg abgekommen ist und sich dann hingelegt hat.

Ganz zu schweigen von den Löchern zwischen den Beinen. Aber was soll er auch anziehen, wenn er in den Wald geht. Mit seiner besten Hose und besten Jacke gehen? Und sich alles versauen? Sich weitere Löcher zwischen den Beinen in die neuen Hosen zu laufen – die noch löcherfrei sind?
  
Er schämt sich zwar ein bisschen für sein Äußeres, fährt aber trotzdem zur Arbeit. Es ist ja noch dunkel. Da sieht das ja keiner (was sollen denn die Leute auch denken, wenn sie das sehen!!!!). Er muss seine Kollgin was fragen und will danach von da nach Hause laufen. Von G. Nach I. Die gleiche Kollegin, die ihm an Weihnachten Milka-Schokolade gekauft hat, ohne einen Namen dazu zu schreiben. Ich meine, für wen das ist. Und er hat sie nicht genommen. Hat sie liegengelassen und sie hat sie dann ganz alleine gegessen. Wie sie ihm heute mitteilt. Aber da stand ja auch nur „Damit 2017 besser wird als 2016“ drauf. Wie sollte er denn wissen, dass die Milka-Kleeblätter in der Herzchen-Packung auch wirklich für ihn sind. Und nicht für seinen Chef. Das hätte sie dazu schreiben sollen. Außerdem: So viel Nettigkeit ist er gar nicht gewohnt. Dass jemand einfach so was für ihn tut. Was Nettes. Das ist er gar nicht gewohnt.

„Ich dachte, die wären nicht für mich. Ich bin ja bestimmt nicht der Einzige, der ein schweres Jahr gehabt hat… Ich bin ja bestimmt nicht der Einzige, der leidet… Der Einzige, der einsam ist… Der Einzige, der keine Freunde hat, in diesem freudlosen Land…

„Das hab ich dann auch gedacht.“

„Stand ja auch kein Name drauf. Du musst das besser kennzeichnen, das nächste Mal…“


„Ich dachte, das wäre für den Udo, für den Chef. Vielleicht hat der ja auch ein hartes Jahr gehabt…“

„Der schenkt uns doch auch nichts. Die ganzen Dienste gemacht und was bekommen wir…?!“


Sie war gerade auf dem Sprung, draußen eine rauchen zu gehen. Also gehen wir vor die Tür.

„Und, wie war Weihnachten?“

Ich hab überlebt. Warum fragt sie das überhaupt? Sie weiß doch, wie es war. Beschissen. Will sie das wirklich hören?! Und wenn ja, warum? Aus Schadenfreude, diesem urdeutschen Wort. Oder weil sie besorgt ist. Schadenfreude und Besorgtsein liegt aber auch so nah beieinander.

Er zieht eine Fratze, die eigentlich schon alles sagt: „Das ist schwer…das war schwer…aber an Heiligabend war meine Tochter da…“. Obwohl das einer ihrer Müttertage war, ein Samstag. „Danach ist aber immer noch schwierig…du kennst das ja bestimmt.“

„Ja…ich bin das ja nicht anders gewöhnt“, sagt sie.

So, jetzt sind wir gleich auf!

„Ja, das ist schon Scheiße. An solchen Tagen… an BESONDEREN TAGEN. Ich hab noch zwei Flaschen Wein Zuhause…ein Geschenk…und eine Flasche Sekt. Das müsste reichen. Die knall ich mir dann rein…so um fünf…das müsste reichen… “

„Bleibst du also Zuhause.“

„Nein, danach geh ich irgendwo hin. Wenn ich dann noch irgendwo reinkomme. Irgendwo.“ Nicht wieder ins Sofa, wie letztes Jahr. „Wenn die mich reinlassen. Keine Ahnung, wohin.“ Warum tust du eigentlich immer so cool. Du wolltest doch gar nicht weggehen. Weil das doch zu teuer ist. Oder doch?! Du weißt es nicht.

„Ich bleib bei meinem Hund…“ Sie verzieht das Gesicht eigentlich so ähnlich wie du.

„Ich weiß ja nicht, ob der Angst kriegt…“

„Ja, für Hunde ist das ja nichts, das Feuerwerk.“

Die Freundin von Nadine hat das damals auch gesagt, diese Dicke. Diese Deutsche. Die hatte aber auch Angst vor allem. Ich glaub, die hatte irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht.
Ich erzähle ihr von meinem Termin, DEM TERMIN (hab ich das nicht schon mindestens zweimal gemacht – egal): „Da ist das dann auch durch…“

Und sie stellt mir die Frage (die sie mir auch schon mehrmals gestellt hat; vielleicht stellt sie sie mir auch nur deshalb, weil sie das von dem Termin auch schon mehrmals gehört hat – es gibt im Westen eben nichts Neues): „Und wenn sie jetzt noch kommen würde…“

Am Anfang versteht er sie gar nicht, die Frage (oder will sie nicht verstehen?), dann macht es selbst bei ihm Klick. Klick: „Ach so, das meinst du…“

„Ich meine, wenn sie wieder ankommen würde…“

„Ich weiß nicht…“

Er guckt sie an, verzieht das Gesicht, wie er es jedes Mal an dieser Stelle verzogen hat).

Sie sagt: „…das Vertrauen ist ja dann auch weg.“

„Stimmt…“, pflichtet er ihr bei, „…stimmt, man weiß ja dann auch nicht, ob sie nicht irgendwann wieder…aber es gibt ja eh keine Sicherheiten im Leben…ob sie irgendwann nicht wieder geht…“

Aber für María wäre es sicherlich besser…, sagt er nicht.

„Aber ich glaube, die Tatsache, dass ich „weiß nicht“ gesagt habe, ist ja schon Antwort genug…,“ sagt er.

Das zeigt ja, dass ich froh wäre…, sagt er nicht.

„Ja, das ist dann auch nicht mehr das Wahre…“, sagt sie

„Ne“, lügt er. „Und, was machst du heute Abend“, fragt er. Scheiße, hat sie ihm das eben nicht schon gesagt. Scheiße! Du solltest wirklich an deiner Aufmerksamkeit arbeiten. Echt. Du musst lernen besser zuzuhören…

…wenn du noch besser zuhörst, kannst du dich auch gleich in eine Ecke setzen und gar nichts mehr sagen, so viel, wie du anderen und ihren Problemen immer zuhörst. Wie hat der Kunde das letztens gesagt? „Ich hab nur manchmal das Gefühl, dass der sich gerne reden hört…“ Und du hast geantwortet, vielleicht ein bisschen härter als du wirklich wolltest: „Das Gefühl hab ich bei vielen. Eigentlich bei allen, mit denen ich spreche…“ So war das gar nicht gemeint, das sollte gar nicht auf den bezogen sein, aber…ich glaube er hat es ein bisschen so verstand. Er hat es ein bisschen verstanden. Wie viel soll ich denn noch zuhören? Ich hab auch keinen Bock, mein ganzes Leben immer nur anderen zuzuhören. Was ist denn mit mir…?

Sie gehen wieder rein, in die „Halle“ und er wünscht ihr artig noch einen guten Rutsch und watschelt raus, in seiner dreckigen Hose.


Er geht durch den Wald nach Hause. Es ist kalt. Eiskalt. Diese Scheiße, dieses Scheißland. Anderthalb Stunden ist er unterwegs. Dann isst er eine ganze Packung Rillenfritten von Aldi, schaltet den Coronation Street Omnibus ein und legt sich hin. Nachdem er das Bett neu bezogen hat. Zum neuen Jahr.

Irgendwann um kurz nach fünf wacht er auf. Scheiße, es ist ja immer noch nicht neues Jahr. Fuck! Auf dem Laptop laufen die Nachrichten. Jede Menge Leute haben einen Orden bekommen, in England, oder Großbritannien, um genau zu sein. Geil.

Es ist aber auch nichts drauf. Also schaltet er den Fernseher ein. Ein bisschen deutsches Fernsehen kann ja nicht schaden, oder?! Aber es ist noch zu früh für die Nachrichten, die im Moment das Einzige sind, was ihn interessiert. Gib es zu insgeheim hoffst du doch immer noch auf einen Terroranschlag (am besten bundesweit) oder zumindest einen Atomkrieg, der den anderen die Feier vermiest. Schadenfreude ist ein deutsches Wort.

Im Fernsehen will ein Pfarrer seine Kirche retten und ein nicht mehr ganz so junger Mann gesteht seiner Angebeteten, dass er noch Jungfrau ist. Im englischen Fernsehen auf filmon.com läuft auch nichts Gescheites. Im spanischen auf rtve ebenso wenig. Also guckt er CSI auf 5USA. Obwohl er das hasst. Aber so ein bisschen Amerikanisch vor dem neuen Jahr…

Er hat sich schon fast entschlossen, heute nicht rauszugehen, das Neue Jahr einfach mit sich selbst zu begehen. Sich einen…nein, das hat er schon, bevor er eingeschlafen ist.

Ich hab mein Leben immer so gelebt, wie ich das für richtig halte

Toll, denkt er. Wenn du Schauspielerin bist und an Silvester im Fernsehen dann ist das ja auch nicht so schwer, oder?! Oder?

Der kann sich nicht mehr ändern…und ich auch nicht…


du verlässt ja die Menschen, die dich lieben…

Nadine, wenn du das jetzt liest, du hattest Recht, ich war der mit den Problemen, nicht du. Du hast Freunde. Du hast Freude. Du hast Familie. Du magst es hier.Du bist ja gar kein Narzisst. Das bin ja ich. Scheiße. Der innerlich leere Narzisst, der jetzt auch seine äußere Leere gefunden hat

Zuversicht, Zusammenhalt und Miteinander…betont Merkel in ihrer Neujahrsansprache...

Dann kommt doch noch was, das mich interessiert. Der Film mit…Scheiße, wie heißt der noch mal?? Er googelt es. Mel Gibson. Genau, wusste ich doch. Ich werde alt. Wenn du vergisst, wie Schauspieler heißen, wirst du alt. Selbst wenn es nur deswegen ist, weil du nicht mehr ins Kino gehst. Das ist der Film, wo der Typ plötzlich die Gedanken der Frauen lesen kann. Obwohl er eh schon voll der Frauenheld ist. Was Frauen wollen…wüsstest du auch gerne. Obwohl: So richtig Bock auf Frauen hast du nicht. deswegen gehst du ja auch heute Abend nicht weg. Selbst wenn du jemand kennenlernen würdest, eine neue Frau, du würdest ihr nicht vertrauen. Du könntest ihr nicht vertrauen. Und auch ihr gegenüber


Dauernd verwechselst du das Telefon im Film mit deinem Telefon, das ohnehin stumm geschaltet ist – wie soll es auch anders sein an Silvester. Da ruft eh keiner an. Nicht wegen einer Wohnung und nicht von der Arbeit und überhaupt nicht…

Draußen probiert jemand schon mal Feuerwerk aus. Dabei ist es erst…19:46. Mehrere Male hintereinander ist ein Knall zu hören und er denkt nur: Hoffentlich sprengt der mich in die Luft. Vielleicht ist es ja sein Vermieter mit der Feuerwerkpistole. Der kommt, um ihm, seinem letzten Mieter ein Ende zu setzen. Mit der vermeintlich harmlosen Feuerwerkspistole.

„Kommen Sie schon raus, Herr Flores, ich weiß, dass sie da sind!“

Das Telefon klingelt.

Wieder nur im Film. Immer wenn der da reinkommt. In die Firma. Das solltest du mittlerweile wissen…

Ich gucke den Film ein bisschen…muss sogar lachen…despite myself, a pesar de mí, unfreiwillig…

Lächeln. Ich bin hier alleine, an Silvester, habe einen Haufen Probleme, gucke einen Film auf Englisch und muss lächeln. Das ist doch auch schon mal was…

Das ist doch schon mal was…

Wieder klingelt das Telefon. Und es bricht aus mir heraus. Galgenhumor. Ich muss mir sogar die Spucke von den Lippen wischen, so muss ich lachen…

Etwas

Nicht nichts

Ich denke an Essen. Immer öfter. Öfter als mir lieb ist. Ich hab noch Hackfleisch. Und Nudeln. Nein, Reis. Nein, Nudeln. Mich so richtig vollfressen, an Silvester. Einen ganzen Topf Nudeln essen. Ach nein, das hast du ja schon gestern gemacht. Einen ganzen Topf Nudeln mit Pesto. Scheiße. Keine Nudeln. Reis.

Aber ich schaffe es den Gedanken wegzudrücken. Du musst hungrig bleiben! Weiter schreiben. Weiter Scheiß über Nudeln und Essen und Silvester und Hunde schreiben. Wieso Hunde? Wegen deiner Kollegin? Kann man Hunde auch essen?

Und jetzt hab ich genug! Basta! ¡Basta ya! Jetzt hab ich echt die Schnauze voll. Ich schnappe mir die Flasche Wein, einen Öffner, trinke einen Schluck (baaaaaaaaaaahhhhhhhhh), rasiere mich, dusche mich, ziehe mir mein bestes Hemd an (fuck, das ist mein bestes Hemd???), schließe ab, schließe wieder auf, kontrolliere noch mal, ob alles aus ist, ob ich auch mein Geld habe, schließe noch mal ab (hoffentlich ist keiner so verrückt, BEI MIR einzubrechen) und ziehe los…

We’re gonna paint the town red…


so einfach kann ich dich jetzt doch nicht vom Haken lassen


a guy who treats you like that, talks like that, is not worth it












Donnerstag, 20. Oktober 2016

Fast zwei Jahre danach...












Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Ein Vater, der nach fast zwei Jahren Trennung immer noch meiner Mutter hinterhertrauert, immer noch wie ein Geist umherschleicht, genau wie am ersten Tag nach der Trennung...

…oder eine Mutter, die schon zwei Tage nach der Trennung so tut, als wär nichts passiert, als hätte mein Vater nie existiert…

…beides ist irgendwie unheimlich…

…selbst in der Trennung sind meine Eltern zwei entgegengesetzte Pole...

…wie schon während ihrer Ehe…