Auf einmal, im Bus, hat er ein
komisches Gefühl. Er greift sich an die Hose. Ja, das ist sein Handy: Da ruft ihn jemand an… Er guckt auf das Display und
kann seinen Augen kaum glauben. Da steht Bert. Scheiße, was ist das denn? Warum
ruft der denn an? Er guckt noch mal auf das Display, um sich ganz sicher zu
sein, aber natürlich ist er es. Scheiße. Es klingelt noch ein paar Mal (das
heißt, es klingelt ja gar nicht, sondern vibriert nur) und dann ist Ruhe.
Tatsache! Das war sein Vater! Was will der denn?! Keine Ahnung, aber da geh ich
ganz sicher nicht dran. Vor allen Dingen nicht hier, im Bus. Eigentlich
nirgendwo, nicht nach dem letzten Mal. Ich bin doch nicht blöd.
Ein Blog über das Leben, die Liebe, Beziehungen, Verlust, Angst, Spaß, die Lust, die Lust am Schreiben,Südamerika, Musik, südamerikanische Frauen, die Liebe, Spanisch, Englisch, Schottland, Spanien, Deutschland, dat Rheinland, Kinder, Literatur, Vergänglichkeit, Arbeit, Politik, die Mafia, Urlaub, Gewalt, Verbrechen, Sex, große und kleine Gefühle und vieles, vieles, vieles mehr ...
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Samstag, 25. November 2017
Freitag, 27. Oktober 2017
Fast-Begegnung der dritten Art II
“Sometimes memory can be real bitch.”
Lourd Ernest H. de Veyra, The Best of This Is A Crazy Planets
In der Bahn von Rheinbach höre
ich auf einmal eine spanische Stimme. Zuerst denke ich, das ist eine Spanierin,
aber dann muss ich feststellen, dass das definitiv eine südamerikanische Stimme
ist. Aus Kolumbien oder so. Sie redet ziemlich laut und ich verstehe alles.
Obwohl ich nur mit einem halben Ohr hinhöre und eh nur die eine Hälfte des
Gesprächs mitbekomme. Aber es zieht mich immer mehr in den Bann, je weiter wir
fahren.
Samstag, 4. März 2017
Trump und die deutsche Lebenserwartung
“Ninety-nine per cent of traditional English literature
concerns people who never have to worry about money
at all. We always seem to be watching or reading about
emotional crises among folk who live in a world of
great fortune both in matters of luck and money; stories
and fantasies about rock stars and film stars, sporting
millionaires and models; jet-setting members of the
aristocracy and international financiers.”
― James Kelman
Morgens wacht er auf und hat
Kopfschmerzen. Richtige Kopfschmerzen. Hatte er schon öfters in letzter Zeit.
Ist ja auch kein Wunder. Bei dieser ganzen Scheiße. Lief ja diese Woche sogar
im Fernsehen. Ärmer Menschen sterben früher. Dass die das überhaupt gebracht
haben, im Ersten wundert mich, denkt er. Im deutschen Lügenfernsehen. Das sich
mehr um Trump schert als um die eigenen Leute. Trump ist dies, Trump ist das,
Trump macht dies, Trump macht das, nur um nicht sagen zu müssen: Was macht denn
Merkel oder Schulz. Oder keine Ahnung, welche der anderen Witzfiguren. Was
machen die denn für die Leute. Die normalen Leute. Die arm sind. Und früher
sterben. Nichts. Nichts außer Gelaber und dumme Sprüche. Nichts. Wir müssen uns
ja um Trump kümmern. Das ein Trump auch hier Erfolg hätte, schert die nicht.
Das sehen die nicht. Das wollen die
nicht sehen. Genau wie die Wohnungsnot, die Flüchtlingskrise, die
Dumping-Löhne. Solange Trump noch in Amerika regiert, ist das ja wichtiger.
Aber das Trump genau aus dieser Unruhe entstanden ist…das hat doch alles nichts
mit nichts zu tun. Hauptsache von eigenen Problemen ablenken, denkt er, während
er wieder mal an einem Obdachlosen in der Tannenbuscher "City" vorbeikommt. Der vom
Wachdienst, der sieht das. Der hat recht. Der ist ein guter Mann. Wie er so
todmüde nachts durch Tannenbusch schlendert. Und versucht, dem Chaos Einhalt zu
gebieten. Der sagt das auch, das mit dem Obdachlosen an der Ecke. Mitte 30.
„…da kümmert sich keiner
drum.“
Während er an seiner Theke
steht und keinen Kaffee will, weil er sonst gar nicht mehr schlafen kann. Mit
seinem immer länger werdenden Bart sieht er fast aus wie ein Philosoph. Noch
ein Beruf, der obsolet geworden ist: der des Philosophen. Die Deutschen wollen
keine Philosophen mehr. Nachdem wir mal führend waren, in diesem Bereich. Wie
in vielen anderen. Ein Deutscher hat gesagt: „Gott ist tot!“ Ein Deutscher hat
vom Sein und Seinsverlust gesprochen. Aber das will ja keiner mehr hören. Davon
will ja keiner mehr wissen.
Er hört sich das an, das
Arme früher sterben und rechnet sich die Jahre aus, die er noch hat. So viele sind
es dann doch nicht mehr, denkt er. Lieber nicht drüber nachdenken. Denken ist
sowieso nicht mehr angesagt. Nachdenken noch weniger. Das wird bald bestimmt
abgeschafft. Das Fühlen haben die schon lange abgeschafft oder an die Soaps
delegiert. Wenn im Fernsehen einer stirbt, werden wir traurig, heulen sogar, an
den Obdachlosen in der U-Bahn fahren wir vorbei. Und wenn sie sterben, umso
besser: Dann müssen wir sie nicht mehr jeden Tag auf dem Weg von und zur Arbeit
ertragen. Das ist dann doch zu nah an „zu Hause“, too close to the bone, das ist nicht so weit weg wie Putin oder
Trump. Bei denen erwartet man das ja. Aber doch nicht hier, im (schlechten)
Gewissen der Welt. Also fragt er sich – während der Bericht über den Typen mit
den kaputten Knien, der raucht und trinkt, und mit seiner Einschätzung, dass er
nur ungefähr 70 Jahre alt war, wahrscheinlich goldrichtig liegt – im Fernsehen
läuft: Warum zeigen die das überhaupt? Die Journalisten, die von
Enthüllungsjournalisten der Wahrheit zu Sprachrohren der Politik geworden zu
sein scheinen. Warum bringen die noch solchen Berichte? Wollen die etwa doch etwas
ändern? Wollen die etwa doch eine Revolution? Oder – immerhin ist "Schadenfreude"
ein deutsches Wort, das sogar seinen Weg ins Englische gefunden hat – wollen die
noch Salz in die Wunde streuen. Die fühlen diese Armut nämlich nicht. Die
verdienen 10.000 im Monat und werden über 90 oder gar 100 Jahre alt. Wollen die
die Armen noch weiter ausgrenzen, mit dem medialen Finger auf sie zeigen, die
Armen, die die AfD wählen und sich noch nicht mal, nicht mehr, von Schulz täuschen
lassen? Wollen die sagen: Seid ihr wirklich so? Wollt ihr wirklich so sein? Wie
diese Shows bei RTL, mit der Polizei und so weiter, die immer wieder Recht und
Ordnung herstellt? Hartz-IV-TV? Ist das Armuts-Voyeurismus? Beim Ersten? Oder
Angstmache? Damit sich die Leute weiter nur um sich selbst kümmern, um ihr eigenes
Überleben? Und nicht die anderen sehen? Sind das etwa die letzten Züge der
medialen 68er-Bewegung, die postuliert, dass wir uns nur alle schön um uns
selbst, um unseren eigenen Arsch kümmern müssen, dann wird schon alles gut?
Unsere Individualität ausleben müssen: Zwischen Apple und Samsung, Pepsi und
Coca Cola, Nike und Adidas, Aldi und Lidl?
Aber egal: Er selbst ist ja
auch nicht besser. Er macht ja auch nichts für „die Armen“. Für andere. Er leidet
ja auch nur für sich selbst. Und außerdem ist er ja in gut 30 Jahren eh weg,
wenn er so bleibt, wie er ist. So arm, so ausgegrenzt, so sich nur um sich
selbst drehend. Dann ist das Problem auch gelöst. Und bei den Kopfschmerzen,
die er heute hat, löst sich das Problem vielleicht sogar wesentlich früher…
Und außerdem: Wer will schon
ewig leben?
Oder wie Herr Baden, der ein
Haus in einem ruhigen Vorort hat und früher bei der Telekom groß im Geschäft
war, ihm das einmal gesagt hat, als er nach der Trennung total am Boden zerstört
war und sich bei ihm ausgeheult hat: „Willst du wirklich SO noch 30 Jahre
weiterleben? SO WIE JETZT?“ So kaputt? So leidend? So arm? So perspektivlos?
Das ist die Frage
Sein oder Nichtsein.
Heidegger oder Shakespeare
Merkel oder Trump
Oder gibt es vielleicht doch
eine Alternative?
Wahrscheinlich sagen die
auch noch (oder denken es zumindest): Wer früher stirbt, ist länger tot!
Er kriecht aus seinem alten
Doppelbett, dessen andere Seite schon lange leer ist, trinkt einen Schluck Cola
Zero aus der Plastikflasche, geht in die Küche und macht sich einen
Käse-Salami-Mayonnaise-Wrap mit Butter, dann noch einen…
Er ist ja selbst dran
schuld, ich weiß.
„Du bist ja selbst dran
schuld!“
„Jeder ist seines eigenen
Glückes Schmied!“
„Dann lass doch mal diesen
Scheiß aus dem Leib. Die Cola und so…“
...würde sein Vater sagen. Sein
Vater, der 50 Jahre als Kfz-Mechaniker geschuftet hat, geraucht hat, flaschenweise
Cola gesoffen hat und dann für 1600€ in Rente gegangen ist, einer Rente, von
der er sich noch nicht mal eine vernünftige Wohnung leisten werden kann, wenn
er irgendwann mal aus seiner Wohnung raus muss. „Eigenbedarf“ nennt sich so
was. Aber vielleicht wird er die nächste Wohnung ja gar nicht mehr brauchen.
Nach seinem zweifachen Bypass…
Obwohl seine Lebenserwartung
etwas über dem arbeitslosen Möbelpacker beim Morgenmagazin liegen dürfte…
Donnerstag, 12. Januar 2017
Innerer Monolog
bei mir muss eh keiner zuhören
interessiert ja eh keinen, was ich sage
aber wann soll ich denn was sagen? Wenn ich von der
Brücke gesprungen bin? Wenn ich unter der Erde liege? Oder jetzt?!
für mich muss sich ja eh keiner interessieren
alles, was ich sage, prallt ungehört ab. Denken die
eigentlich alle, ich bin so stark, dass ich schon damit klarkommen werde?
Irgendwie? Irgendwann? Oder denken die gar nichts
oder denken die, dass ich so dumm bin
wahrscheinlich Letzteres
das war mein ganzes Leben lang so…ich kenne das ja gar
nicht anders. Wer als Kind schon auf Außenseiter geeicht
kein Wunder, dass ich mit mir selbst rede
ich hab mich das schon oft gefragt, warum das so ist: Ist
das nur so, weil die Leute eh alle gleichgültige Arschlöcher sind, die sich für
niemanden außer sich selbst interessieren; oder ist das wegen mir so weil mich keiner will oder muss
denkt nur alle weiter, ihr könnt sowieso nicht helfen,
sowieso nichts tun
bei den Leuten im Fernsehen, in den Serien fühlt man mit,
aber bei den echten Personen im wahren Leben ist das zu viel verlangt
irgendwann hörst du auf zu reden. Weil dir ja eh keiner
zuhört wenn du keine Komödie mehr
spielst wenn du es ernst meinst
hilft ja eh nichts
warum sollte sich das jemals ändern
vielleicht wollen die ja, dass ich kaputtgehe
vielleicht wollen die mich ja leiden sehen
vielleicht genießen die das ja. Und denen geht es umso
besser je schlechter es mir geht
warum bin ich es nicht wert, dass man was für mich tut
einmal was für mich tut
Donnerstag, 20. Oktober 2016
Jungfrauen und kleine Lügen
Ich weiß noch, wie wir mit dem
Spanisch-LK im Rincón de España,
diesem spanischen Restaurant gleich bei mir um die Ecke in Kessenich waren. Weil
das eines dieser heimeligen, spanischen Restaurants in Bonn war und man dort
original-spanische Tapas essen konnte. Eigentlich war das Restaurant
tatsächlich gar nicht mal so schlecht. Es befand sich in einem alten Wirtshaus
an einem Hang, genau auf der Ecke, wo sich eine Straße in zwei kleinere Straßen
gabelte. Die Decke war relativ niedrig und wurde von alten Holzbalken getragen.
Auch die Tische waren aus robustem, massivem Holz und das Restaurant war
brechend voll. Selbst an einem Wochentag! Zum Glück hatte unsere Lehrerin
vorher reserviert. Wir hatten einen gemütlichen, langen Holztisch in der Ecke
des Restaurants.
Ich saß – wie fast immer –
neben Mario. Manchmal saß ich natürlich auch neben Jessica und manchmal – in
seltenen Glücksfällen – neben Maria, der Griechin, die ich süß fand (sie hatte
die dichten Naturlocken, die bei mir – zugegebenermaßen heute erst – die
Assoziation mit Schamhaar hervorrufen – bestimmt hatte sie genauso lockiges
Schamhaar. Ob es damals schon die radikale Intimrasur wie heute gab, ich weiß
es nicht, aber ich glaube nicht). Aber neben Jessica oder gar Maria saß ich
eigentlich nur im Unterricht. Nicht privat. Und das hier war privat. Zumindest halbprivat.
Und es sollte noch privater werden – viel privater als ich mir das jemals hätte
träumen lassen, selbst in meinen kühnsten Alpträumen.
Ich weiß noch, wie ich
einmal diesen Witz machte, mitten im Spanisch-Unterricht von Frau Hunger – so
hieß die wirklich, das ist kein Witz! Da saß Jessica definitiv neben mir.
Zumindest da – wenn auch nicht im Restaurant. Das weiß ich noch, bis heute.
Denn sie hat sich total kaputtgelacht. Sie kriegte sich fast nicht mehr ein.
Ich mochte das, genoss es richtig. Dass mal ein Mädchen mit und nicht – (hinter
meinem Rücken) über mich lachte. Und so gut war der Witz ja auch wieder nicht.
Eigentlich war es gar keiner, war gar kein richtiger Witz. Nur einer dieser
Nebensätze. Die man vermeintlich beiläufig raushaut. Ich sagte bloß irgendwas
von wegen Frau Hunger – so hieß die wirklich, aber so viel Hunger konnte sie
gar nicht haben, denn sie war eigentlich ziemlich dürr, fast schon
ausgetrocknet – auf irgendeiner nicht näher beschriebenen Wiese den Kühen
Spanisch beibringen könnte oder beibringen würde. Vielleicht kam das auch so
trocken, dass es wieder witzig war. Ich weiß es nicht. Oder Jessica stand insgeheim
auf dich, dass sie so lachte. Das würde erklären, warum sie dich später sogar
auf ihre Feier eingeladen hat. Ihre Abschiedsfeier. Ihre Abschiedsfeier von Deutschland.
Alle Guten verlassen Deutschland. Nur die Langweiler bleiben. Die Langweiler
und die Türken. Um nicht die Araber zu vergessen – das war keine Absicht,
wirklich nicht! Bitte keinen heiligen Krieg starten - nicht, dass die sich in
ihrer EHRE gekränkt fühlen (EHRE, EHRE über alles, über alles auf der Welt…). Auf
jeden Fall wieherte Jessica vergnügt wie ein Pferd, wobei ich nicht weiß, ob
dabei auch ihre Glocken wackelten oder gar bebten (Jessica hatte Atomglocken,
das waren so mit die größten Dinger, die ich je (nicht) gesehen habe –
zumindest nicht live). Sie wieherte und hörte auch nach ein paar Minuten noch
nicht auf zu gackern, so dass Frau Hunger bestimmt was gemerkt haben muss. Sehen
Sie, es gab auch glückliche Momente während meiner Schullaufbahn! Nur waren es
eindeutig zu wenige!
Aber ich schweife ab. Wenn
man jung ist, hat man scheinbar unendlich viel Zeit. Man ist trotz seines
Außenseiterstatus einigermaßen glücklich – oder zumindest halbwegs zufrieden.
Wir waren also alle beim Spanier (das klingt wie der Anfang eines billigen
Liebesromans – ist es aber nicht!). Wir saßen alle so da – ich, wie gesagt,
neben Mario -, dachten an nichts Böses – ich zumindest nicht – genossen das
Essen und vielleicht sogar den Wein – nein, Wein hätte ich bestimmt nicht vor
meiner Lehrerin getrunken – als Mario die
Frage stellte. Die Frage. Mein
heißgeliebter Freund Mario. Liebster Mario,
wenn
du irgendwo dort draußen bist, irgendwo dort draußen deine miserable Existenz
eines kleinwüchsigen Möchtegern-Bodybuilders fristest, mit deiner kleinen,
süßen indischen Freundin (die eigentlich nichts für deine Wut kann, das will
ich an dieser Stelle ausdrücklich festhalten!) ein paar Kinder in diese
beschissene, verfickte Welt geworfen hast und deine beginnenden grauen Haare
zählst, dann möchte ich dir, lieber und treuer Freund meiner Jugend, lieber und
treuer Begleiter im Spanisch-Leistungskreis (Englisch konntest du als
Portugiese ja nicht!) noch eins sagen, mein Teuerster. Und ich hoffe, dass du
in deinem lusischen Gleichmut es mir nicht allzu übel nimmst, mir nicht allzu
böse bist, wenn ich dir hier und jetzt, in der dunklen Sackgasse meines Lebens
zuzische:
VERRECKE
PS:
Solltest du nicht mehr unter uns weilen, keine Kinder in die Welt geworfen
haben, deine Muskeln an das Leben verloren haben, dann ist das auch gut,
eigentlich noch besser, dann vergiss meine Wut. Sie kommt schließlich von
Herzen!
Dein
Jugendfreund
xxx
(das macht man bei Männern glaub ich nicht, das könnte jetzt ziemlich schwul
rüberkommen – Tschuldigung, ich habe nichts gegen Schwule, obwohl ich im
Gefängnis sitze.)
Aber ich schweife schon
wieder ab! Vielleicht sogar, weil ich mich diesem Thema nur äußerst ungern
nähere, mich ihm nur äußerst ungern annähere,
es sozusagen auch mit der Kneifzange nur äußerst ungern angehe.
Machen wir es also kurz.
Mario stellte die Frage.
Die Vertrauensfrage.
Nachdem er mir gestanden
hatte, dass das Gras in seinem Beziehungsparadies auch nicht so grün war wie
ich mir das in meiner jungfräulichen Unschuld vorstellte(, sondern in
Wirklichkeit ziemlich vertrocknet daherkam – pun intended)
Da muss ich jetzt aber
abschweifen. Das geht nicht anders. Das muss ich jetzt voll auskosten. Bis ins
kleinste Detail (seines vom vielen Bodybuilding geschrumpften Penis).
Ich muss ja auch was davon
haben.
Also, ganz langsam.
Ruhig, Brauner!
Immer langsam mit den wilden
Pferden!
Den wilden Inderinnen!
Augen auf bei der
Frauenwahl!
Bei der Freundinnenwahl.
(Obwohl, die war süß, die
kleine Inderin. Was die wohl für eine Muschi hatte? So eine kleine braune?
Rasiert oder unrasiert? Bestimmt nur halbrasiert. Ein Landestreifen. Und ihre
kleinen süßen Tittchen erst! Die hätte dir auch gefallen, so weh das tut. Wem?
Der oder dir? Bestimmt hat die einen geilen, kleinen, aber gleichzeitig runden,
kaffebraunen Arsch gehabt, der nach Rosen roch. Oder nach Kurkuma.)
Also, Mario war mal wieder
redsam (Redsamen!). Redselig, meine ich natürlich, Tschuldigung. Sehr redselig,
indeed! Locuaz, wie das, glaub ich,
auf Spanisch heißt. Er war sehr locuaz,
de verdad. Mehr als mir lieb war. Mehr als dem guten Geschmack oder gar dem
guten Anstand zuträglich war. Dem guten Ton. Das war immer so bei ihm. Ich
glaube, er genoss es richtig, seinen besten Trumpf mir gegenüber auszuspielen
oder besser gesagt förmlich auszuweiden, wie ein stolzer, starker, schwarzer, portugiesischer
Bodybuilder-Zuchthengst auf der Weide (jetzt ist es aber gut!).
Wie damals, als er mir
erzählt hatte, wie er mit seiner Freundin im Auto geschlafen hatte. Und die Scheiben
beschlagen waren (das wäre immer so, bei so viel Aktivität in seinem KFZ,
seinem Kraftfickfahrzeug, seinem Kraftfickzeug). Solche Sachen erzählte er mir
auf dem Pausenhof. Zwischen dem Butterbrot meiner Mutter und dem Gong (Ding dong!).
Mir, der NOCH-IMMER-JUNGFRAU-MIT-MEHR-ALS-18-JAHREN!!!!! Stellen Sie sich das
mal vor! Da erzählt der mir brühwarm wie er seine Freundin strambuliert.
Und das, wo ich noch Jungfrau bin. Immer
noch. Noch immer KEINE FREUNDIN habe (brauchen wir die Großbuchstaben
wirklich?? Sind die wirklich nötig???). Einen treuen Zuhörer hatte er in mir
gefunden. Einen, dem er einen vom Pferd (nein, seine Freundin sah gut aus, so
meine ich das nicht, das mit dem Pferd!) erzählen konnte, der von Tuten und
Blasen (noch – so viel Stolz hab selbst ich) keine Ahnung hatte. Wie sollte er
auch, bei dieser Mutter! Dieser omnipräsenten, alles verschlingenden Mutter,
die mit ihrem nackten Arsch und anderen nicht minder gewölbten Körperteilen wie
selbstverständlich quer durch die Wohnung lief?!
Aber lassen wir das.
Ruhig, Brauner!
Ruhig!
Ich hing förmlich an seinen
Lippen, so sehr, dass ich mich fast an ihnen erhängt hätte! Seine detaillierten
Schilderungen waren so gut, dass ich selbst damals – in meiner vielleicht sogar
schon post-pubertären Jungfräulichkeit (wie peinlich!) – instinktiv wusste oder
zumindest erahnte, dass er ein Spacko war und kein cooler Stecher.
Aber wer war ich, ihn zu
kritisieren!
Ich freundinloses – und
damit auch relativ freudloses – Etwas!
Du Stück, du!
Er erzählte mir also, dass
seine Scheiben beschlagen waren – genauso beschlagen wie wahrscheinlich sein
Gehirn. Als er mit seiner Freundin auf sexueller Entdeckungstour war. Auf
Safari! Mit seiner ersten Freundin –
immerhin war sie wenigstens das, das war aber auch alles! Dass er ihn nicht
richtig reinkriegte, weil sie noch Jungfrau sei (eine Jungfrau für Mario, eine reine Frau. Noch unberührt!).
Ach, wie schön, dachte ich
bei diesen Schilderungen, die für mich damals ungefähr so aufregend waren wie
ein Damenabend im Altersheim. Eine Familienfeier mit Tante Angelika und Onkel
Rudi mit dem Riesenrüssel. Rudi Riesenrüssel (Das ist eine Alliteration! Vom Autoren
absichtlich gewählt. Zur Hervorhebung der wahren Größe benutzt). Aber was
sollte ich denn damals sagen?! Halt die Klappe, du inkompetentes Arschloch, der
du ihn noch nicht mal richtig reinkriegst. Wahrscheinlich auch noch, weil er zu
groß ist,
nääääääääääääääähhhhhhhhhhhhhhh!
Gähhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn!
Das hättest du wohl gerne.
Aber in Wahrheit war ich weit davon, dir zu glauben. Wenn du gewusst hättest…
Mir tat nur deine arme Freundin leid. Das war ein gutes Mädchen, viel zu gut
für einen wie dich! Um Längen zu gut für dich. Für mich wär die viel besser
gewesen. Ich hätte ihn wenigstens reingekriegt. So einfühlsam wär ich
mindestens gewesen!
Aber ich kriegte ihn nicht
rein, weder bei ihr noch bei irgendeiner anderen!
Wenn die gewusst hätte…
…was ihr ach so toller
Freund über sie erzählte.
Seinem jungfräulichen
Kumpanen. Weil er bei anderen bestimmt nicht mit so einem Scheiß gepunktet
hätte. Bei einem richtigen Mann. Einem richtigen Stecher. Wie Roberto, zum
Beispiel. Der hätte Mario wahrscheinlich aus der Schule gelacht! Und es
heimlich seiner Freundin gemacht! Und zwar gut, tief…tiefgreifend…immer tiefer.
Immer mitten in die Fresse
rein!
Aber ich war nun mal sein
bevorzugtes Opfer für diese Art von Geschichten. Wahrscheinlich sogar, weil ich
die einzige verbleibende, männliche Jungfrau auf der ganzen Schule war.
„Männliche Jungfrau“, wie das klingt! Irgendwie unnatürlich. Realistisch!
Das ist mein Problem. Bis
heute. Ich kann den Arschlöchern nie sagen, sie sollen die Klappe halten,
sondern höre treudoof zu. Wahrscheinlich hätte ich Folgendes sagen sollen: Ich
bin zwar Jungfrau, Mario, aber wenigstens nicht so dumm, dass ich ihn nicht
reinkriegen würde, wenn sich irgendwann, vielleicht in hundert Jahren oder
mehr, eine Frau dazu erweichen würde, ihn in sich aufzunehmen. Einzuführen. That would have shut him up!
Aber ich sagte ihm nichts,
blieb weiter Opfer. In meiner Opferrolle gefangen. Das unwillige Opfer eines
inkompetenten, portugiesischen Stechers! Wie hört sich das denn an?!
Geil.
Also - um in das Rincón de España zurückzukommen – ich
saß neben ihm und er konnte wieder seine Klappe nicht halten. Vor versammelter
Mannschaft (wer weiß schließlich, wer sonst noch zuhörte)! Das waren
schließlich alle keine Engel. Umsonst nimmt man nicht Spanisch-Leistungskurs.
Wie gestört kann man eigentlich sein?
Er erzählte mir…
…genau das…
…dass er nicht reinging.
(Tschuldigung, aber ich weiß
wirklich nicht, wie – und ob - ich das anders ausdrücken soll. Lass dir das eine
Lehre sein, Mario, das hast du davon!)
Nicht nur das: Er
demonstrierte es mir auch! Mit seinen Fingern (welche anderen Gliedmaßen hätte
er auch sonst zu Demonstrationszwecken missbrauchen sollen/können). Ich weiß,
das klingt jetzt voll klischeehaft, aber so war es wirklich. So war es nun mal.
Soll dann was anderes erfinden, oder was?! Die Wahrheit verfälschen?
Er machte diese Geste…
…die ich so unglaubliche
liebe…
…die ich meinem ärgsten
Feind nicht an den Kopf gestikulieren würde!
Er nahm – muss ich das jetzt
wirklich noch beschreiben (vielleicht doch, zumindest für die Glücklichen
Seelen, die die Geste nicht kennen und lieben gelernt haben) - den Daumen seiner Hand (er hatte eigentlich
ganz schöne Finger) zwischen Zeige- und Mittelfinger, quetschte den armen
Finger sozusagen zwischen den beiden Fingern ein. So als wäre dort zufällig
steckengeblieben. So als wäre er dort gefangen. Der Arme. Das zeigte er mir
natürlich nicht offen vor allen – selbst Mario hatte seine Grenzen – sondern
halb unter dem Tisch. So war sein schlimmer Finger auch näher am wirklichen
Übeltäter. An der Wurzel allen Übels. Oder zumindest seines Übels. Denn –
machen wir es kurz (no pun) – er ging nicht rein. Nicht, nicht er
ganz. Das ist ja keine Regressions-Fantasie, sondern schnöde Mechanik. Wenn der
Ölstand niedrig ist, gibt es einen Kolbenfresser! Sein Kolben ging auf jeden
Fall nicht richtig bei der armen Inderin rein, die ihre Jungfräulichkeit an
diesen Portugiesen statt an mich verschwendet hatte. Um das Dilemma in seinem
vollen Ausmaß, seinem vollen Umfang zu demonstrieren, bediente er sich erneut
seinem Daumen, den er zwar aus seiner Umklammerung zwischen den beiden anderen
Fingern befreite, dessen Spitze beziehungsweise oberstes Glied (siehe oben) er diesmal
aber umknickte, so dass es schon vom bloßen Zusehen wehtat. Und zwar nicht nur
in der Seele, glauben Sie mir das.
Selbst der ewigen Jungfrau
wurde das so langsam zu heiß, zu peinlich.
Wenn Mario Gedanken hätte
lesen können…
Aber trotz seiner expliziten
und mit eindeutigen Gesten untermauerten Schilderungen, blieben doch so einige
Fragen unbeantwortet. Und zwar nicht zu wenige!
Zum Beispiel: Was wollte er
mir eigentlich sagen? Wollte er mir zeigen, wie cool er doch ist, er, der er
anders als ich schon eine Freundin hat mit der er zumindest versucht zu
schlafen? Oder war da noch mehr? Wollte vielleicht er am Ende sogar noch einen
Rat von mir – von der männlichen Jungfrau vom Dienst? Was willst du denn von
mir hören? wollte ich ihm in sein unrasiertes und wie immer leicht schmieriges
(nicht nur wegen seinem Lächeln) Gesicht schreien. Soll ich dir noch Tipps
geben, oder was? Mach das besser so, dann fluppt das auch mit der Freundin.
Dann kriegst du ihn auch rein. Oder sollte ich bewundernd sagen: Vielleicht ist
er auch zu dick, zu groß für sie, diese zierliche Inderin mit diesem trotzdem
wohlig gerundeten Hinterteil und diesen kleinen Tittchen. Was hast du denn für
einen Knüppel zwischen den Beinen, dass er nicht reingeht? Meiner würde sich
wahrscheinlich in ihr verlaufen. Mario, du Hengst! Und natürlich stellte sich
mir auch die alles entscheidende Frage: Lag das wirklich an ihr, so wie er das
– in seiner gekränkten portugiesischen Ehre – darstellte? Oder lag es
vielleicht an ihm selbst? Trotz meiner Unerfahrenheit auf diesem Gebiet manifestierte
sich mir der Verdacht, dass es vielleicht an seinem fehlenden
Einfühlungsvermögen lag. Zum Hauptteil. Und nicht an ihr, wie er es darstellte.
Darzustellen versuchte. Was ihm aber nur mittelprächtig gelang. Davon abgesehen
das keiner – und am wenigsten ich – diesen Scheiß hören wollte. Diese intimen
Details.
Also hielt ich mich einfach
äußerst bedeckt – wie immer in solchen Situationen –, nickte nur unauffällig
(stell dir mal vor, jemand anderes am Tisch hätte unser Gespräch mitbekommen -
oder noch schlimmer – in seiner Langeweile gar mehr oder minder aufmerksam
mitverfolgt. Wie peinlich wär das denn! Die Jungfrau und der portugiesische
Hengst. Mario war aber auch manchmal eine Zumutung. Aber ich konnte mir auch
nicht gerade meine Freunde aussuchen damals. Ich musste das nehmen, was kommt.
Und wenn es so einer wie Mario war. Besser als gar nichts. Besser als betreten
Löcher in die Luft zu starren, während sich alle anderen am Tisch angeregt
unterhielten. Also nahm ich das was kam, vor allem weil ich was meine sozialen
Kontakte anging sowieso nicht gerade der Überflieger war. Und wenn es einer wie
Mario war, der noch nicht mal sein Ding bei der Frau reinkriegte. Uns wäre das
nicht passiert, ne, mein Hamster. Vor allen Dingen wäre ich bestimmt zärtlicher
und mit ein bisschen mehr Feingefühl an die Sache herangegangen, weil die
Inderin ja bestimmt auch nervös war, die
war ja schließlich noch ein bisschen jünger (Mario, du Kinderschänder-Hengst!).
Das ahnte ich damals natürlich nur, wissen konnte ich es ja noch nicht.
Vielleicht merkte Mario ja
auch, dass er mir peinlich war oder dass seine Fragen auf taube Ohren stießen
und fühlte sich von mir auf seinen Schlips getreten, der ja immerhin so groß
war, dass er bei der armen Inderin nicht reinging. Immer abknickte, wie Mario
mir konsterniert mit den Fingern zu demonstrieren versuchte. Dieser Daumen, der
hatte schon was! Ehrlich! Aber Schweigen ist bei solchen Hengsten kein Gold,
besonders nicht, wenn sie sich in ihrer vielleicht doch nicht so ausgeprägten
Manneskraft gekränkt fühlen (war sie nur zu trocken oder er zu unfähig?). Dann
gehen sie schnell in die Offensive über. Und tatsächlich: Der Schuss ging nach
hinten los. Denn Mario fing auf einmal an, mich ins Visier zu nehmen. Mich und
meinen äußerst ausgeprägten sexuellen Erfahrungsschatz. Der aus dreimal
hintereinander wichsen und immer wieder wie gebannt auf die Ritze dieser
blonden Playboy-Tante zu starren (wozu ein Videorekorder alles gut ist!), so
als würdest du dadurch das Mysterium der weiblichen Sexualität knacken. Und
einmal in seinem Leben stellte Mario die richtige Frage und brachte mich damit
direkt in Bedrängnis. In arge Bedrängnis. In schwere Erklärungsnot.
Ja, nun sag schon!
Er fragte:
Ich hab es gleich.
Er fragte:
Los, raus damit!
Er fragte:
HAST DU DENN SCHON MAL MIT
EINER FRAU GESCHLAFEN?
Jetzt ist es raus! Puh!
Nicht, dass er eine Antwort
gekriegt hätte.
Also fragte er noch
mal.
HAST DU DENN SCHON MAL MIT
EINER FRAU GESCHLAFEN?
Und ich fing richtig an, ins
Schwitzen zu kommen. Zu perspirieren. Oder zu transpirieren? Mich nervös zu
allen Seiten umzugucken.
Ich? antwortete ich
schließlich. Nicht doch der kleine Mann da hinten?
Ich?
Mich fragst du sowas?!
Vor potentiellen Zuhörern.
Der Tisch spitzte die Ohren,
das belebte Gespräch meiner Klassenkameraden verstummte und wie aus einem Hals
schienen sie alle diese Frage zu stellen.
Und, Larson, hast du schon
mal?
Ja, natürlich, haufenweise.
Sagte ich natürlich nicht.
Stammelte stattdessen rum
oder druckste sogar nur rum. Betreten. Boah, der hat gesessen! Rums! Kawumm!
Ich? Ja, sagte ich
schließlich leise. Und berief mich auf eine Taktik aus meinem Lieblingsfilm.
Oh, Breakfast Club, ich bin dir bis heute dankbar für diese
Hilfe aus höchster Not. Denn Mario kam
gar nicht dazu zu fragen, wann und mit wem und wie und ging er rein oder nicht
oder doch und ist sie gekommen (ne, Letzteres hätte ihn niemals interessiert,
so, wie er die Inderin über seine natürlich allzu lange, allzu breite Klinge
springen ließ). Nein, er musste gar nicht nachfragen oder kam gar nicht dazu.
Denn du warst schneller. Der Breakfast
Club und dein letzter Urlaub mit Pilar in Spanien oder mit Ani in Ungarn
kamen dir mit vereinten Kräften zur Hilfe.
Und du sagtest, immer noch
ein bisschen kleinlaut, ein bisschen leise) man weiß ja schließlich nie, wer
noch am Tisch zuhört!):
Soviel Erfahrung hat er ja
schließlich auch nicht, sonst würde er ihn ja reinkriegen.
Du sagtest: Ja, im Urlaub.
In Spanien. (Ich weiß nicht, ob ich wirklich Letzteres hinzufügte, ich glaub
eher nicht.)
In Spanien. Am Strand. (Ich
weiß, es war dumm, das zu sagen. Das machte das Ganze erst richtig
undglaubwürdig.) Abends.
Mehr sagte ich nicht.
Und er glaubte es mir auch
glaub ich nicht. Fragte aber nicht weiter nach.
Mit einer Spanierin. Am
Strand. Mit Pilar. Das wär schön gewesen. Um nichts in der Welt hätte ich an
diesem Abend, vor versammelter Mannschaft zugegeben, dass ich noch Jungfrau
bin. Das war nun wirklich zu viel verlangt!
Vielleicht hätte ich – wenn
ich richtig gemein und nicht so sehr auf mein eigenes Schamgefühl versteift
gewesen wäre – noch hinzufügen sollen: „Und er ging rein, Mario! Hörst du?!
Nicht, wie bei dir."
Aber das ließ ich dann doch
oder es kam mir gar nicht erst in den Kopf.
Du hattest also in Spanien
mit einer Frau geschlafen. Einem Mädchen. Interessant! Dann warst du ja gar
keine Jungfrau mehr, die sich jeden Tag
darüber den Kopf zerbrach, wann sie endlich ihr erstes Mal, ihre erste
Freundin haben würde. Oder ob das überhaupt irgendwann einmal passieren würde.
Eine Jungfrau, die immer mehr Druck verspürte. Mit jedem Tag, jeder Stunde,
jeder Sekund mehr Druck. Nicht mehr so zu sein, wie du nun mal warst. Nicht
mehr alleine zu sein. Endlich mit einer Frau zu schlafen. Einem Mädchen.
Endlich Ruhe zu haben. Vor Vätern, Marios, anderen Mädchen, Klassenkameraden
und deiner Schwester. Endlich sich als ein vollwertiger Mensch deines Alters zu
fühlen, nicht ein immer nur an sich selbst herumspielender Außenseiter. A weirdo. Ein Eigenbrötler. Oder
möglicherweise gar etwas ganz anderes. Ein Schwuler. Einer vom anderen Ufer,
der nur so tut, als wäre er eine Jungfrau, obwohl sein Arsch schon seit Jahren
keine Jungfrau mehr ist. Tag für Tag baute ich einen unglaublichen Druck in
meinem Inneren auf. Sie wissen gar nicht, wie das ist. Wenn man will, endlich
will…aber nicht kann, irgendwie nicht kann, weil man sich einfach nicht traut,
den nächsten Schritt zu tun, ein Mädchen zu fragen, aus Angst eine Abfuhr zu
bekommen, einen Korb. Dabei ist man doch ein ganz normaler Junge mit Gefühlen,
Sehnsüchten und Wünschen. Kein Holzklotz wie Mario. Ich habe auch Gefühle! Ein
ganz normaler Junge, der immer und immer wieder den Breakfast Club guckte und sich so nach menschlicher Nähe (nicht nur
nach Sex, sondern einfach nach Wärme sehnte), die ihm aber keiner geben wollte.
Oder konnte. Wer will schon mit diesem Sonderling zusammen sein, der den Mund nicht aufkriegt.
Gehemmt
ist.
Schüchtern
ist.
Vielleicht
sogar schwul ist.
Einen Sprachfehler hat.
Immer
so doof guckt.
Der
heult. Aus heiterem Himmel.
Diesem
Außenseiter.
Der
immer nur guckt, während andere machen.
MACHEN!
HANDELN!
Nicht
so lange warten.
Wie gern wäre er so gewesen,
wie die Jungs aus dem Breakfast Club, dem Frühstücksclub, diesem Film, den er damals
gefühlte 50 Mal geguckt hat. Wie sie war auch er…
…ein Schlaukopf, ein Muskelprotz, eine Ausgeflippte, eine Prinzessin und
ein Freak…
Aber wenigstens für diesen
Abend war er keine Jungfrau mehr. Denn er hatte es getan, hatte mit dieser
unbekannten, rassigen, ausländischen Schönheit geschlafen. Am Strand, wie es
sich gehört. Für einen richtigen Stecher. Nicht wie du Mario, der du ihn noch
nicht mal reinkriegst. Bei mir flutschte das nur so! Muss wohl an der Nähe zum
Wasser gelegen haben. Salzwasser auf deiner Haut.
Warum hab ich damals nicht
einfach ganz unschuldig gesagt, so als könnte mich kein Wässerchen trüben: Bei
mir ging er eigentlich ganz gut rein, der Kleine? Warum nur nicht? Wenn ich
doch bloß die Zeit zurückdrehen könnte.
Warum fällt mir so was immer
bloß im Nachhinein ein? Immer erst, wenn alles vorbei ist. Das ist immer so.
Siehst du Mario, ich bin
keine bemitleidenswerte Jungfrau mehr und bei mir flutscht es nur so.
Vielleicht ist ja deiner zu groß!
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