Samstag, 31. Dezember 2016

Silvester










Heute ist nicht nur Silvester, sondern auch sein Jahrestag. Ihr Jahrestag. Der 21. Sein Phantom-Jahrestag. Denn das „ihr“ gibt es ja gar nicht mehr. Schon seit fast zwei Jahren nicht mehr. Und er ist ungeduscht, unrasiert, seine Hose hat noch die Erdflecken, wo er letztens im Dunkeln im Wald umgeknickt und sich hingelegt hat. Sich voll hingelegt hat. Bei dem Försterhaus, das so schön weihnachtlich geschmückt war, was ihn dazu veranlasste, sein Handy zu suchen, um ein Foto zu machen, wobei er dann ein bisschen vom Weg abgekommen ist und sich dann hingelegt hat.

Ganz zu schweigen von den Löchern zwischen den Beinen. Aber was soll er auch anziehen, wenn er in den Wald geht. Mit seiner besten Hose und besten Jacke gehen? Und sich alles versauen? Sich weitere Löcher zwischen den Beinen in die neuen Hosen zu laufen – die noch löcherfrei sind?
  
Er schämt sich zwar ein bisschen für sein Äußeres, fährt aber trotzdem zur Arbeit. Es ist ja noch dunkel. Da sieht das ja keiner (was sollen denn die Leute auch denken, wenn sie das sehen!!!!). Er muss seine Kollgin was fragen und will danach von da nach Hause laufen. Von G. Nach I. Die gleiche Kollegin, die ihm an Weihnachten Milka-Schokolade gekauft hat, ohne einen Namen dazu zu schreiben. Ich meine, für wen das ist. Und er hat sie nicht genommen. Hat sie liegengelassen und sie hat sie dann ganz alleine gegessen. Wie sie ihm heute mitteilt. Aber da stand ja auch nur „Damit 2017 besser wird als 2016“ drauf. Wie sollte er denn wissen, dass die Milka-Kleeblätter in der Herzchen-Packung auch wirklich für ihn sind. Und nicht für seinen Chef. Das hätte sie dazu schreiben sollen. Außerdem: So viel Nettigkeit ist er gar nicht gewohnt. Dass jemand einfach so was für ihn tut. Was Nettes. Das ist er gar nicht gewohnt.

„Ich dachte, die wären nicht für mich. Ich bin ja bestimmt nicht der Einzige, der ein schweres Jahr gehabt hat… Ich bin ja bestimmt nicht der Einzige, der leidet… Der Einzige, der einsam ist… Der Einzige, der keine Freunde hat, in diesem freudlosen Land…

„Das hab ich dann auch gedacht.“

„Stand ja auch kein Name drauf. Du musst das besser kennzeichnen, das nächste Mal…“


„Ich dachte, das wäre für den Udo, für den Chef. Vielleicht hat der ja auch ein hartes Jahr gehabt…“

„Der schenkt uns doch auch nichts. Die ganzen Dienste gemacht und was bekommen wir…?!“


Sie war gerade auf dem Sprung, draußen eine rauchen zu gehen. Also gehen wir vor die Tür.

„Und, wie war Weihnachten?“

Ich hab überlebt. Warum fragt sie das überhaupt? Sie weiß doch, wie es war. Beschissen. Will sie das wirklich hören?! Und wenn ja, warum? Aus Schadenfreude, diesem urdeutschen Wort. Oder weil sie besorgt ist. Schadenfreude und Besorgtsein liegt aber auch so nah beieinander.

Er zieht eine Fratze, die eigentlich schon alles sagt: „Das ist schwer…das war schwer…aber an Heiligabend war meine Tochter da…“. Obwohl das einer ihrer Müttertage war, ein Samstag. „Danach ist aber immer noch schwierig…du kennst das ja bestimmt.“

„Ja…ich bin das ja nicht anders gewöhnt“, sagt sie.

So, jetzt sind wir gleich auf!

„Ja, das ist schon Scheiße. An solchen Tagen… an BESONDEREN TAGEN. Ich hab noch zwei Flaschen Wein Zuhause…ein Geschenk…und eine Flasche Sekt. Das müsste reichen. Die knall ich mir dann rein…so um fünf…das müsste reichen… “

„Bleibst du also Zuhause.“

„Nein, danach geh ich irgendwo hin. Wenn ich dann noch irgendwo reinkomme. Irgendwo.“ Nicht wieder ins Sofa, wie letztes Jahr. „Wenn die mich reinlassen. Keine Ahnung, wohin.“ Warum tust du eigentlich immer so cool. Du wolltest doch gar nicht weggehen. Weil das doch zu teuer ist. Oder doch?! Du weißt es nicht.

„Ich bleib bei meinem Hund…“ Sie verzieht das Gesicht eigentlich so ähnlich wie du.

„Ich weiß ja nicht, ob der Angst kriegt…“

„Ja, für Hunde ist das ja nichts, das Feuerwerk.“

Die Freundin von Nadine hat das damals auch gesagt, diese Dicke. Diese Deutsche. Die hatte aber auch Angst vor allem. Ich glaub, die hatte irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht.
Ich erzähle ihr von meinem Termin, DEM TERMIN (hab ich das nicht schon mindestens zweimal gemacht – egal): „Da ist das dann auch durch…“

Und sie stellt mir die Frage (die sie mir auch schon mehrmals gestellt hat; vielleicht stellt sie sie mir auch nur deshalb, weil sie das von dem Termin auch schon mehrmals gehört hat – es gibt im Westen eben nichts Neues): „Und wenn sie jetzt noch kommen würde…“

Am Anfang versteht er sie gar nicht, die Frage (oder will sie nicht verstehen?), dann macht es selbst bei ihm Klick. Klick: „Ach so, das meinst du…“

„Ich meine, wenn sie wieder ankommen würde…“

„Ich weiß nicht…“

Er guckt sie an, verzieht das Gesicht, wie er es jedes Mal an dieser Stelle verzogen hat).

Sie sagt: „…das Vertrauen ist ja dann auch weg.“

„Stimmt…“, pflichtet er ihr bei, „…stimmt, man weiß ja dann auch nicht, ob sie nicht irgendwann wieder…aber es gibt ja eh keine Sicherheiten im Leben…ob sie irgendwann nicht wieder geht…“

Aber für María wäre es sicherlich besser…, sagt er nicht.

„Aber ich glaube, die Tatsache, dass ich „weiß nicht“ gesagt habe, ist ja schon Antwort genug…,“ sagt er.

Das zeigt ja, dass ich froh wäre…, sagt er nicht.

„Ja, das ist dann auch nicht mehr das Wahre…“, sagt sie

„Ne“, lügt er. „Und, was machst du heute Abend“, fragt er. Scheiße, hat sie ihm das eben nicht schon gesagt. Scheiße! Du solltest wirklich an deiner Aufmerksamkeit arbeiten. Echt. Du musst lernen besser zuzuhören…

…wenn du noch besser zuhörst, kannst du dich auch gleich in eine Ecke setzen und gar nichts mehr sagen, so viel, wie du anderen und ihren Problemen immer zuhörst. Wie hat der Kunde das letztens gesagt? „Ich hab nur manchmal das Gefühl, dass der sich gerne reden hört…“ Und du hast geantwortet, vielleicht ein bisschen härter als du wirklich wolltest: „Das Gefühl hab ich bei vielen. Eigentlich bei allen, mit denen ich spreche…“ So war das gar nicht gemeint, das sollte gar nicht auf den bezogen sein, aber…ich glaube er hat es ein bisschen so verstand. Er hat es ein bisschen verstanden. Wie viel soll ich denn noch zuhören? Ich hab auch keinen Bock, mein ganzes Leben immer nur anderen zuzuhören. Was ist denn mit mir…?

Sie gehen wieder rein, in die „Halle“ und er wünscht ihr artig noch einen guten Rutsch und watschelt raus, in seiner dreckigen Hose.


Er geht durch den Wald nach Hause. Es ist kalt. Eiskalt. Diese Scheiße, dieses Scheißland. Anderthalb Stunden ist er unterwegs. Dann isst er eine ganze Packung Rillenfritten von Aldi, schaltet den Coronation Street Omnibus ein und legt sich hin. Nachdem er das Bett neu bezogen hat. Zum neuen Jahr.

Irgendwann um kurz nach fünf wacht er auf. Scheiße, es ist ja immer noch nicht neues Jahr. Fuck! Auf dem Laptop laufen die Nachrichten. Jede Menge Leute haben einen Orden bekommen, in England, oder Großbritannien, um genau zu sein. Geil.

Es ist aber auch nichts drauf. Also schaltet er den Fernseher ein. Ein bisschen deutsches Fernsehen kann ja nicht schaden, oder?! Aber es ist noch zu früh für die Nachrichten, die im Moment das Einzige sind, was ihn interessiert. Gib es zu insgeheim hoffst du doch immer noch auf einen Terroranschlag (am besten bundesweit) oder zumindest einen Atomkrieg, der den anderen die Feier vermiest. Schadenfreude ist ein deutsches Wort.

Im Fernsehen will ein Pfarrer seine Kirche retten und ein nicht mehr ganz so junger Mann gesteht seiner Angebeteten, dass er noch Jungfrau ist. Im englischen Fernsehen auf filmon.com läuft auch nichts Gescheites. Im spanischen auf rtve ebenso wenig. Also guckt er CSI auf 5USA. Obwohl er das hasst. Aber so ein bisschen Amerikanisch vor dem neuen Jahr…

Er hat sich schon fast entschlossen, heute nicht rauszugehen, das Neue Jahr einfach mit sich selbst zu begehen. Sich einen…nein, das hat er schon, bevor er eingeschlafen ist.

Ich hab mein Leben immer so gelebt, wie ich das für richtig halte

Toll, denkt er. Wenn du Schauspielerin bist und an Silvester im Fernsehen dann ist das ja auch nicht so schwer, oder?! Oder?

Der kann sich nicht mehr ändern…und ich auch nicht…


du verlässt ja die Menschen, die dich lieben…

Nadine, wenn du das jetzt liest, du hattest Recht, ich war der mit den Problemen, nicht du. Du hast Freunde. Du hast Freude. Du hast Familie. Du magst es hier.Du bist ja gar kein Narzisst. Das bin ja ich. Scheiße. Der innerlich leere Narzisst, der jetzt auch seine äußere Leere gefunden hat

Zuversicht, Zusammenhalt und Miteinander…betont Merkel in ihrer Neujahrsansprache...

Dann kommt doch noch was, das mich interessiert. Der Film mit…Scheiße, wie heißt der noch mal?? Er googelt es. Mel Gibson. Genau, wusste ich doch. Ich werde alt. Wenn du vergisst, wie Schauspieler heißen, wirst du alt. Selbst wenn es nur deswegen ist, weil du nicht mehr ins Kino gehst. Das ist der Film, wo der Typ plötzlich die Gedanken der Frauen lesen kann. Obwohl er eh schon voll der Frauenheld ist. Was Frauen wollen…wüsstest du auch gerne. Obwohl: So richtig Bock auf Frauen hast du nicht. deswegen gehst du ja auch heute Abend nicht weg. Selbst wenn du jemand kennenlernen würdest, eine neue Frau, du würdest ihr nicht vertrauen. Du könntest ihr nicht vertrauen. Und auch ihr gegenüber


Dauernd verwechselst du das Telefon im Film mit deinem Telefon, das ohnehin stumm geschaltet ist – wie soll es auch anders sein an Silvester. Da ruft eh keiner an. Nicht wegen einer Wohnung und nicht von der Arbeit und überhaupt nicht…

Draußen probiert jemand schon mal Feuerwerk aus. Dabei ist es erst…19:46. Mehrere Male hintereinander ist ein Knall zu hören und er denkt nur: Hoffentlich sprengt der mich in die Luft. Vielleicht ist es ja sein Vermieter mit der Feuerwerkpistole. Der kommt, um ihm, seinem letzten Mieter ein Ende zu setzen. Mit der vermeintlich harmlosen Feuerwerkspistole.

„Kommen Sie schon raus, Herr Flores, ich weiß, dass sie da sind!“

Das Telefon klingelt.

Wieder nur im Film. Immer wenn der da reinkommt. In die Firma. Das solltest du mittlerweile wissen…

Ich gucke den Film ein bisschen…muss sogar lachen…despite myself, a pesar de mí, unfreiwillig…

Lächeln. Ich bin hier alleine, an Silvester, habe einen Haufen Probleme, gucke einen Film auf Englisch und muss lächeln. Das ist doch auch schon mal was…

Das ist doch schon mal was…

Wieder klingelt das Telefon. Und es bricht aus mir heraus. Galgenhumor. Ich muss mir sogar die Spucke von den Lippen wischen, so muss ich lachen…

Etwas

Nicht nichts

Ich denke an Essen. Immer öfter. Öfter als mir lieb ist. Ich hab noch Hackfleisch. Und Nudeln. Nein, Reis. Nein, Nudeln. Mich so richtig vollfressen, an Silvester. Einen ganzen Topf Nudeln essen. Ach nein, das hast du ja schon gestern gemacht. Einen ganzen Topf Nudeln mit Pesto. Scheiße. Keine Nudeln. Reis.

Aber ich schaffe es den Gedanken wegzudrücken. Du musst hungrig bleiben! Weiter schreiben. Weiter Scheiß über Nudeln und Essen und Silvester und Hunde schreiben. Wieso Hunde? Wegen deiner Kollegin? Kann man Hunde auch essen?

Und jetzt hab ich genug! Basta! ¡Basta ya! Jetzt hab ich echt die Schnauze voll. Ich schnappe mir die Flasche Wein, einen Öffner, trinke einen Schluck (baaaaaaaaaaahhhhhhhhh), rasiere mich, dusche mich, ziehe mir mein bestes Hemd an (fuck, das ist mein bestes Hemd???), schließe ab, schließe wieder auf, kontrolliere noch mal, ob alles aus ist, ob ich auch mein Geld habe, schließe noch mal ab (hoffentlich ist keiner so verrückt, BEI MIR einzubrechen) und ziehe los…

We’re gonna paint the town red…


so einfach kann ich dich jetzt doch nicht vom Haken lassen


a guy who treats you like that, talks like that, is not worth it












Freitag, 30. Dezember 2016

Der dunkle Wald deiner Seele










Abends komme ich um ungefähr Viertel vor zehn nach Hause. Ich komme aus dem Wald, wo ich Laufen war. In Dunkeln. „Im Dunkeln“ ist eigentlich noch untertrieben. In kompletter Dunkelheit wäre wohl passender. Der kompletten Dunkelheit meiner Seele, haha. Voller Angst, aber immer weitergehend. Immer tiefer hinein in den stockdunklen Wald. Was für ein Hobby. Letztes Jahr hat mich eine Frau gesehen, wie ich gerade dabei war in diese dunkle Röhre, die in den Wald hineinführt, einzutauchen  und hat zu ihrer Kollegin gesagt: "Also, ich würd da nicht reingehen. Freiwillig." Würdest du schon, habe ich nur gedacht: Wenn du keine Hobbys, keine Freunde und heute 2 Eier, 2 Hähnchenschnitzel, 2 Hühnergockelchen von Aldi, jede Menge Salat und 1 Tüte Frit-Sticks gegessen hättest. Dann würdest du da reingehen. Um den Kopf und den Bauch freizukriegen. Obwohl das am Ende, hinter dem Tannenwald, in den ich mich heute Abend nicht begeben habe (weil man da am Tag schon wenig seht und ich Angst hatte, Angst habe vor den dichten Tannen), obwohl das am Ende schon irgendwie komisch war. Denn da waren irgendwelche Tiere oder irgendwas in den Büschen neben dem Weg, das sich bewegt hat und das mich dann doch zum Zurückgehen bewegt hat. Einem Wolf oder Fuchs oder Wildschwein wollt ich dann doch nicht begegnen. Das ist dann doch zu viel des Abenteuers. Also machte ich kehrt und watschelte langsam in Richtung Zuhause, in Richtung I. zurück.

Wobei ich, wie immer, über alles nachdachte. Dass ich ein komisches Gefühl habe. Dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Mit María, mit Nadine.

Irgendwas stimmt da nicht, ich spüre das. Im Moment sogar besonders stark.

Aber willst du wirklich dein ganzes restliches Leben darüber nachdenken, darüber rätseln, was da nicht stimmt? Irgendwann muss es auch mal gut sein. Du kannst nicht alles kontrollieren. Es ist normal, dass María dir nichts erzählt. Sie ist eben ein typischer Teenager. Du hättest dir damals auch lieber die Zunge rausgeschnitten als deinen Eltern irgendwas zu erzählen. Obwohl, das mit Nadine hast du ihnen direkt erzählt. In der gleichen Nacht noch, in der du sie Silvester 1995 kennengelernt hast.

Warum eigentlich?

Weil du stolz warst, dass du auch mal Glück gehabt hattest, dass du auch mal eine Frau kennengelernt hattest. Ein Mädchen.

Wahrscheinlich.

Aber jetzt musst du auch abschließen können. Noch nicht einmal mehr in einem Monat bist du geschieden (auf einmal geht das so schnell) und dann siehst du sie – außer durch Zufall – nie wieder.

All das denkst du immer noch vage, als du in die Straße einbiegst, die nach einer Kurve zu deiner Straße führt. Komisch. Da steht ein Wagen mit Blaulicht oder einem gelben Licht. Ne, das ist keine Polizei, das ist der ADAC, wie du dem Schrift an der Seite des Wagens entnehmen kannst. Komisch. Hier oben. Du gehst an dem Wagen vorbei, hinter dem ein Mechaniker sich um einen roten Golf kümmert. Einen roten Golf?

Einen roten Golf…

Dann guckst du hoch, siehst die Person, die Frau, die an der anderen Seite des Motors steht, an der der Mechaniker am Arbeiten ist. Eine kleine Frau, eine sehr kleine Frau. Ausländisch…

Scheiße

Scheiße

Schon bist du vorbei, siehst im Vorbeigehen noch den Aufkleber, der hinten an dem roten Golf klebt. Einer dieser typischen Aufkleber. Du guckst zurück, siehst sie nicht mehr richtig, im Dunkeln. Die kleine Frau, die da an der Seite des Motors steht, dich mitleidig anguckt. Oder bildest du dir das nur ein?

Sie? Sie! Sie?

Quatsch, du wirst langsam bekloppt. Du wirst langsam echt bekloppt. Was sollte sie schon hier machen? Außer ihre Tochter mit dem Auto zurückbringen. Nach Hause zurück. In der einen Hälfte ihres neuen Zuhauses. In ihrem Zuhause 2.0, sozusagen. Und dann ist ihr das Auto hier auf der Ecke liegen geblieben. Genau hier, wo du jetzt langkommst. Haha

Du willst zurückgehen, gehst aber weiter.

Kann das Zufall sein? Zweimal, so kurz hintereinander. Wenn sie das überhaupt war

Wenn du jetzt deinem Gefühl folgen solltest, deinem Bauchgefühl, wie die das immer sagen, dann…

…ist die Sache eindeutig…

Und als du bei dir Zuhause vor dem Tor stehst, fällt dir noch was auf. Denn das Licht ist an. Das Licht draußen und im Flur. Ohne dass du den Knopf über den Klingeln gedrückt hast. Und da du im Moment alleine hier wohnst, kann das nur María gewese…

…oder sie?

Oder bildest du dir das nur ein, hast selber den Knopf gedrückt…

…ohne es zu merken…

Oder ist sie gerade gegangen?

Nein, das hieße ja…

…das sie hier ist, wenn du nicht da bist.

(das glaube ich nicht)

Ja, klar…, hörst du María abfällig sagen. Aber was verbirgt sich hinter dieser Verachtung…?

Warum hat sie dich auch heute gefragt, ob du arbeiten gehst?! Zweimal sogar.

Und wenn sie nicht mit ihrer Freundin Jacqueline ausgegangen ist – die eh einen „strengen“ Vater hat –, sondern…

…mit ihrer Mutter

Skandalös!


Sie ist schon in ihrem Zimmer, als du die Haustür aufschließt, hat schon abgeschlossen. Du klopfst trotzdem, unter dem Vorwand, noch eine Cola zu wollen. Nachdem du noch ein paarmal geklopft hast, tut sich endlich was und sie macht auf. Sie hat sich einen Morgenmantel über ihre Straßenkleidung gezogen.

„Hi. Ich brauche noch eine Cola…“


„Und sonst? Alles klar?“

„Ja.“

„Das ist komisch…“, sagst du am Ende.


„Bist du gerade erst gekommen?“

„Ne, ich bin schon länger hier. Ich war im Bett…“

„Ach so. I could have sworn that the woman whose car broke down just around the corner looked vaguely familiar…Keine Ahnung, warum du das auf Englisch sagst. Etwa damit sie es nicht versteht?

Aber sie versteht – glaub ich – alles, sagt nichts, guckt nur komisch.

Sagt aber auch nicht: „Was redest du da?!“ Wie sie es sonst immer tut.

„Ok, gute Nacht.“

Du gehst in dein Schlafzimmer und plötzlich geht dir ein Licht auf: Wenn sie das war, dann geht es ihr auch nicht gut. Genau wie dir.