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Freitag, 9. August 2019

Das andere Deutschland










Das andere Deutschland


"Die Gegenwiklichkeit darzustellen..." Sagen die im Literarischen Quartett, das er auf dem Laptop im Bett liegend guckt. Ok, kann ich:  

Im Wohnzimmer, das keins ist, weil die Wohnung eine Art Loft für Arme ist, steht der Korb mit der dreckigen Wäsche. Mitten im Raum. Vor dem Fenster. Aber das macht nichts. Denn die Jalousien sind unten. Immer.Außer zum Lüften. Dabei muss er sich eigentlich gar nicht schämen, besonders nicht für seine polnischen Nachbarn, die in dieser schönen, sauber eingerichteten Wohnung im Vorderhaus wohnen und für die...letzte Woche die Kripo da war. Kein Witz! Schreibe ich, als würde ich Witze machen?! Die haben morgens geklingelt, er saß auf dem Klo, das heißt, eigentlich (ich liebe dieses Wort, ein ganzes Leben im Eigentlich) hat er sich erst auf Klo gesetzt, nachdem es geklingelt hatte. Um nicht aufmachen zu müssen. Um so zu tun als ob. So tun zu können als ob. Aber die haben nicht locker gelassen. Da wusste er noch gar nicht, dass das die Polizei war. Lief halbnackt durch die Wohnung. So kann ich doch nicht aufmachen, ist bestimmt nur der Postbote. Der Briefträger, oder wie die heute heißen. Aber die ließen nicht locker. Also zog er sich das England-Trikot über und die schwarze Penny-Trainingshose an, die damals sage und schreibe 2 Euro noch was gekostet hatte, und drückte den Türknopf...

Das ist schon komisch: Beim Literarischen Quartett muss er immer an das andere Deutschland denken. Und heute läuft es schon wieder. Nein, nicht das andere Deutschland. Das läuft jeden Tag. Das läuft immer weiter. Dat lööft und lööft und lööft, un hürt jar nitt mi upp. Nein, das Literarische Quartett läuft wieder. Und er findet das eigentlich ganz toll. Eigentlich ist das voll okay. Sogar inspirierend. Dort hat er Knausgard entdeckt. Und 3600 Seiten später wusste er, dass die sogar Recht hatten. Aber irgendwie fehlt, gefällt ihm trotzdem irgendwas nicht am Literarischen Quartett. Nämlich das Menschen wie er sich dort nicht repräsentiert finden. "Menschen wie er". Wie das klingt. So als wär er...

To be continued...














Montag, 23. Oktober 2017

Gott einen guten Mann sein lassen...














Er steht in der Sonne am Meckenheimer Busbahnhof und wartet auf den Bus nach Bad Godesberg, als ihm plötzlich dieser Gedanke kommt: Vielleicht hast du ja jetzt, heute die Gelassenheit, die dir damals abgegangen ist. Als du noch jung warst und Angst hattest, für immer eine Jungfrau zu bleiben. Der Himmel außerhalb des düsteren Haltestellenhäuschens aus Backstein mit seinem Holzdach und seinen dunklen Balken im Inneren ist so blau, dass er schon fast unheimlich anmutet, zumindest für Deutschland, wo er ganz sicher nicht dem klassischen Herbstwetter entspricht. Es ist wirklich keine einzige Wolke zu sehen. Noch nicht mal am Horizont. Nirgends. Fast schon symbolisch, denkt er: So als hätte Gott…

Samstag, 14. Oktober 2017

Schmutzige Wäsche













Beim Waschen fällt mir ein Handtuch auf. Es ist eigentlich ein ganz normales Handtuch. Es ist weißgrau (diese Farbe, die alle Handtücher nach einer Zeit so annehmen), aus Frottee (das, wie bei allen Handtüchern nicht mehr ganz so flauschig ist wie am Anfang) und hat auch die Standardgröße, die Handtücher in unserer genormten Welt nun mal so haben (nicht groß genug, um deinen ganzen Körper darin einzuhüllen, aber groß genug, um deine Scham zu bedecken, wenn du nicht gerade meinen Bauchumfang hast…). Eigentlich ist es ein ganz normales Handtuch, wie ich sie jede Woche im Wäschekeller aufhänge (na ja, fast jede, denn jede Woche wasche ich gar nicht).

Sonntag, 10. September 2017

Mordlust im Alltag






"Ya no hay guapos
Luis Martín Santos - Tiempo de silencio






Plötzlich kommt ihm dieser Gedanke: Heute hätte ich echt Bock, jemanden zu töten, denkt er.

Echt!

Natürlich weiß ich nicht wie. Oder wen. Aber irgendwie ist mir, wär mir danach. Keine Ahnung warum. Die Wege des Herrn sind unergründlich… Natürlich werde ich das jetzt nicht in die Tat umsetzen, ist ja klar, aber… Wie denn auch?!

In einem Land ohne Gesetze…

Samstag, 2. September 2017

Zwischen Himmel und Erde









 
Hab dich lieb, Schatzi! Schönes Wochenende!, steht auf dem Blatt Papier, dass ich ihr hinlege, kurz bevor ich schlafen gehe. Mit ihrem Taschengeld. Für Morgen, wo ich wahrscheinlich noch am Schlafen sein werde, wenn sie in die Schule muss.

Montag, 28. August 2017

Montag und die Tür zu einer anderen Welt














In der Unterführung steht „Ihr Fotzen“ an der Wand. In kleinen, fiesen Buchstaben. Und direkt daneben „Kurdistan“. Der Typ, der aus der Bahn aussteigt trägt ein T-Shirt, auf dem „The Good Die Young“ steht. In silberner  Glitzerschrift! Kaum ist er ausgestiegen, da zündet er sich auch schon eine Zigarette an. So jung ist er ja schließlich auch nicht mehr… Du auch nicht. Und du hast es schließlich auch noch nicht hinter dir, genau wie er. Dieses Leben, diese Hölle, dieser Ritt auf dem…ach, leckt mich doch! Dafür, dass er jung sterben will, verschwindet der aber noch relativ schnell in der Gasse. Mit seinem Lederarmband und seinem Drei-Tage-Bart. Er geht an der Polizei vorbei. Polizeiwache Rheinbach. Ich werd das denen nie verzeihen denkt er. Die sind für mich gestorben. Die Staatsmacht. Seit damals… Was für Arschlöcher. Aber es gibt keinen anderen Weg als an der Wache vorbei. Durch den Raiffeisen-Tunnel hindurch zum Bücherschrank, vor dem ein Buch auf dem Boden liegt. Er hebt es auf, aber keine zehn Sekunden später fällt es fast wieder runter. Was für eine Scheiße!

Sonntag, 6. August 2017

Wie geht es dir?














Hast du den eigentlich mal gesehen?

Ja, aber nur einmal. Das ist aber schon lange her. Einmal ist der vorbeigekommen; da hab ich ihn rausgeschmissen!

Echt? Den Moussa? Rausgeschmissen? Warum das denn?

Sonntag, 2. Juli 2017

Another Sunday Morning...




  










Vom Klo aufstehend ziehe ich mir die schwarze Unterhose, die im Flur auf dem Boden liegt (wie ein Vergewaltigungsopfer) wieder an, stelle den Stuhl mit dem Laptop in Flur, öffne das Fenster an der Wohnungstür, das ich vorher auf Rücksicht auf die Empfindlichkeiten meiner Nachbarn (die haben da, wo sich meine Klogerüche verflüchtigen würden, genau ihre Küche) geschlossen habe, gehe am Herd vorbei, trinke etwas Hühnerbrühe mit Knoblauchscheibchen direkt aus dem Topf, nehme diesen mit, stelle ihn mit einer Flasche Mineralwasser (als Ausgleich zur salzigen Knoblauchbrühe) neben meinem Bett ab, schließe den Computer wieder an und lege mich mit nacktem Oberkörper davor. (Wo ist denn mein Trikot geblieben? Ach, egal!)

Samstag, 17. Juni 2017

Wie es ist













Auf dem Weg zur Arbeit liest er Kämpfen von Karl Ove Knausgard und denkt: Manchmal muss man das Leben einfach so beschreiben, wie es ist. So wie das auch Knausgard in seinen Romanen macht. In Min Kamp. Und obwohl das auf Deutsch „Mein Kampf“ heißt und der sechste und letzte Roman des Romanzyklus den Titel Kämpfen trägt, geht es Knausgard nicht so sehr um den großen politischen oder historischen Kampf, sondern mehr um den kleinen, alltäglichen „Überlebenskampf“.

Samstag, 25. März 2017

Nett böse












Um halb zwölf kommt der Koch zu ihm in die Halle. Der aus dem brasilianischen Restaurant nebenan. Der Koch und Philosoph. Er mag ihn, aber manchmal ist er ihm zu negativ, zu…keine Ahnung. Er hat Feierabend und will noch Geld wechseln. Für Zigaretten (traue nie einem Raucher).

Donnerstag, 23. März 2017

Das Herz eines Boxers















Auf dem Weg zum Lidl sagt er sich: Es kann noch schlimmer kommen. Es kann immer schlimmer kommen. Du könntest zum Beispiel sterben…

…am Ende kommt es immer noch schlimmer.

Es wird immer noch schlimmer kommen

Es kann immer noch schlimmer kommen.

Am Ende kommt immer das Schlimmste…

Freitag, 17. März 2017

Bis morgen...















Morgens wache ich auf, als meine Tochter ins Bad geht. Um ungefähr zwanzig nach sechs. Obwohl ich gestern erst um zwei Uhr nach Hause gekommen bin. Sie setzt sich vor den Fernseher auf dem alten Esszimmertisch und erzählt mir, dass ihre Lehrerin gestern nicht zu dem Termin mit ihr gekommen ist. Wegen der Facharbeit. Dass die nicht gekommen ist, weil die auf irgendeiner Veranstaltung war. Angeblich. Was für eine Scheiße, sage ich. Das ist so typisch. Erst den Termin machen und dann nicht kommen. Viel verlangen, aber nichts geben. Ist ja egal. Das was du schreibst, ist ja gut so. Das brauchst du ja nicht noch extra von der zu hören, oder?! Mach einfach so weiter, wie bisher. Bau vielleicht noch ein paar Zahlen ein… Sie geht wieder ins Bad, kommt dann wieder. Erzählt dir, mir, dass sie gestern in der Stadt war mit Jacqueline, ihrer besten Freundin. Dass sie da die Würstchen gekauft hat, die Mettwürstchen. Die Mettwürstchen, die sie mir in die Nudeln gemacht hat Mit Pesto. Die Nudeln, die mir immer noch schwer im Magen liegen. Aber die Würstchen waren lecker. Richtig lecker. Das waren echt Mettwürstchen. Zuerst wolltest du es gar nicht glauben und dachtest, sie hätte sich da vertan.

Sonntag, 12. März 2017

Nudeln













Erst mal keine Nudeln mehr, lache ich laut mit mir selbst, auf der Toilette sitzend, mir den Arsch abwischend. Erst mal keine Nudeln. Wieder muss ich über mich selbst lachen. Was hab ich letztens gelesen? Muslime hätten keinen Alltagshumor? Dafür hab ich umso mehr davon… Näh, aber echt. Nach zwei Tagen ungebremsten Nudelbeschuss reicht es langsam auch mal. Eigentlich wollte ich ja heute schon Reis machen, aber…

…dann hatte ich doch keinen Bock. Die Geschichte meines Lebens: Eigentlich wollte ich ja was machen, aber…

(sie ahnen es)

…dann hatte ich doch keinen Bock.

Hey, das wär doch ein gutes Motto für meinen Grabstein. Eigentlich wollte ich ja…

…but I couldn’t be bothered…in the end I couldn’t be bothered.

Aber irgendwann ist das dann auch genug. Mit den Nudeln, mein ich. Gestern Hackfleischnudeln, mein traditionelles, fast schon legendäres Samstag-Rezept. Mit Bolognese-Sauce, mit Senf, Knoblauch und Zwiebeln und Pilzen verfeinert. Keine Ahnung, was die auf der Arbeit schlimmer fanden: den Geruch nach Knoblauch, der aus meinem Mund kam oder den Schweißgeruch, den ich nach 90 Minuten Waldlauf verströmte. Dabei rieche ich doch sowieso schon anders, nach der Trennung/Scheidung, so sehr, dass ich mich manchmal selbst gar nicht riechen kann

Ja, es geht aufwärts. Ich laufe wieder. Läuft! Check! Bald wiege ich dann auch wieder unter 120 Kilo. Ich schwöre! Bei Gott! Du dann noch der ganze Knoblauch. Nicht, dass ich am Ende noch zu niedrigen Blutdruck bekomme. Obwohl, am Ende bekommen wir wahrscheinlich alle niedrigen Blutdruck. Blutdruck, der wie die Lebenslinie in Fight Club gegen null tendiert. Aber wo waren wir? Bei den Nudeln von gestern. Fast 500g Teigwaren! Mit Pfeffer, Paprika und Pilzen. Scharf. Und heute das Gegengewicht. Nudeln mit Buttergemüse, Ei und Spinat. Lasch. Und wenn es Morgen wieder Nudeln geben sollte, drehe ich noch durch. Aber was soll man auch sonst essen?! Kartoffeln? Viel zu kompliziert! Reis? Viel zu langweilig und angeblich Arsen-belastet. Couscous? Wo krieg ich dat denn her? Und jeden Tag Kroketten, Fritten und Kartoffelecken geht ja wohl auch nicht, oder?! Morgen gibt es erst mal wieder Bratwürstchen oder Frikadellen. Die haben wenigstens keine Kohlenhydrate. Boah, jetzt rede ich schon wie meine Tochter... Ich lache noch mal. Herzhaft. Richtig herzhaft. Wie die Nudeln,die ich gestern und heute hatte...

der Wahnsinn ist nah, denke ich, dann sage ich es sogar laut, zu mir selbst: "Der Wahnsinn ist nah..."

Aber egal: Bis Morgen schaffe ich es auch noch. Und Morgen kommt meine Tochter wieder. Die erdet mich. Mehr als diese ganzen, schweren Nudeln. Mit ihrer Abgeklärtheit. Ihren sorgfältig gewählten Worten, ihrer Coolheit.









Sonntag, 19. Februar 2017

Glühwürmchen












Ich weiß noch, damals, als wir noch in Bonn-Hardtberg gewohnt haben (nein, nicht auf dem Brüser Berg, sondern in Finkenhof!), da haben wir im Sommer abends immer zusammen unsere Runde gedreht (mit wem drehst du eigentlich jetzt „unsere“, äh, „deine“ Runde?!). Hoch zum Verteidigungsministerium, am Hardtberg-Bad vorbei, durch den Wald um das Ministerium herum, an der Tennis- und der Basketshalle vorbei und wieder zurück. Zu uns nach Hause. So drei-, viermal in der Woche bestimmt. Um den Tag sacken zu lassen und ein bisschen Sport zu treiben (das dauerte schon immer so ne Stunde oder so). sich zu unterhalten. Sie über ihre señoras, ihre „Frauen“, bei denen sie putzte und ich über meine Schüler, meine Bücher und manchmal auch meine Filme. Manchmal, mitten im Sommer, wenn sie eins ihrer kurzen Röckchen trug, schweiften wir auch ein bisschen vom Weg ab und befriedigten unsere niederen Bedürfnisse entweder hinter dem Edeka neben der Basketshalle oder auf den Holzbänken neben dem großen Fußballplatz am Verteidigungsministerium. Ich hatte da so meinen Fimmel, was Sex im Freien anging – da konnte ich stundenlang in der Gegend rumlaufen und nach einem geeigneten Ort für unsere kleine sexuelle „Notdurft“ suchen. Aber nicht an diesem Tag. Glaub ich zumindest. An diesem Tag waren wir ganz gesittet in den Sonnenuntergang gelaufen. Und als wir auf der anderen Seite des Waldes wieder rauskamen, war es schon dunkel. Links des Weges lag die breite Umgehungsstraße, die am Verteidigungsministerium vorbeiführte und rechts war der Wald. Und auf einmal, ich weiß gar nicht mehr, wer sie zuerst bemerkte, sagte Nadine oder ich: „Guck mal da! Was ist das?“ Und wir guckten in den dunklen Wald hinein. Und dann sahen wir es. Ich hatte so was noch nie gesehen. Am Anfang war es auch gar nicht so leicht, etwas zu erkennen. Sie zu sehen. Aber dann, wenn man anhielt, innehielt und sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah man diese kleinen Lichtchen, diese kleinen Lichtpunkte zwischen den Ästen, Zweigen und Blättern. Überall. Da waren überall Glühwürmchen.

„Guck mal, da! Und da!“

„¡Mira! ¡Allí!“

„¡Qué bonito!“

„Sí, ¿¡no?!“

Und wir blieben stehen und sahen in der Dunkelheit den Glühwürmchen zu, wie sie aus und angingen. Sich bewegten. Fasziniert. Selbst Nadine. Die damals schon schwer zu faszinieren war. (Die Zeit, wo sie mir mit ihren kurzen, dünnen, in hautengen Leggings gekleideten Beinchen entgegengesprungen kam, waren lang vorbei.) Selbst ich, der sich schon damals für fast nichts mehr faszinieren konnte (außer vielleicht den Fick hinter Edeka im Sommer). Die hatten irgendwas, diese kleinen Lichtchen im Wald. Am Wegesrand. Irgendwie magisch. So als gäbe es eine andere Welt… Etwas anderes…

Wir machten sogar glaub ich ein Foto, das aber nicht gelang – diese Momente lassen sich nicht so einfach einfangen, lassen sich nicht so einfach in Pixel bannen. Sind nach dem Sommer viel zu schnell vorbei. Waren glücklich. Vielleicht nahm ich sogar auf dem Rückweg ihre Hand, ihre kleine, dünne Hand, küsste sie auf die Wange, tätschelte ihr auf den Arsch, packte ihr zwischen die Beine von hinten.

„Larson!“

„¡Mira, las lucecitas, Ahí!

„¡Mira, tu culo! ¡Sexy! Es que tienes el culo sexy…“

“Yo soy flaca…”

„¿¡Bonito, eh, las lucecitas?!“


Glühwürmchen habe ich seitdem nicht mehr gesehen. Sternchen schon, an ganz vielen Tagen, aber keine Glühwürmchen. Seit diesem, wie ich glaube unserem letzten Sommer. Es war uns nicht vergönnt, die Glühwürmchen im nächsten Jahr wiederzusehen.

Keine Glühwürmchen mehr. Es wäre auch nicht mehr dasselbe.



Heute, wo ich bei Nicholas Sparks etwas über die fireflies, also den Glühwürmchen, die  es in den Südstaaten der USA in Hülle und Fülle geben soll, gelesen habe, habe ich mich an diesen Tag erinnert. Diesen einen besonderen Tag damals. In einer langen Reihe (vermeintlich) grauer Tage. Diesen einen Tag als wir noch eine Familie waren. Ein Ehepaar.

Diesen Tag, an dem ich das Gefühl hatte, ihr einmal was bieten zu können. Was Besonderes. Was anderes als unseren im Gleichtakt mit unseren Haaren immer grauer werdenden Alltag. Und wenn es nur Glühwürmchen sind









Sonntag, 12. Februar 2017

Alltag im All








Though I'm past one hundred thousand miles
I'm feeling very still
And I think my spaceship knows which way to go
Tell my wife I love her very much she knows

Ground Control to Major Tom
Your circuit's dead, there's something wrong (Space Oddity – David Bowie)









Ich werfe zu viel Klopapier in die Toilette und sie spült wieder nicht ab, obwohl das Wasser schon bis zum Rand steht und ich nicht mehr Wasser nachlaufen lassen kann. Dann gehe ich ins Wohn-/Schlafzimmer, suche das Buch, das ich zurückgeben muss, finde es aber nicht. Stattdessen fällt mir ein anderes Buch runter. Ich kann es nicht mehr fangen, es gleitet mir einfach aus der Hand. Ach, lass es fallen, scheiß drauf, lass alles fallen. Vielleicht willst du ja sogar, dass es fällt. Vielleicht soll es ja fallen. Also scheiß drauf! Ein paar Minuten später liege ich im Bett und das Handy macht diesen Ton, den es immer macht, wenn der Akku leer ist. Geil. Der Akku des Computers ist auch leer, aber das Kabel steckt zum Glück noch in der Steckdose. Mein Akku ist auch leer, aber es gibt kein Kabel, keine Reißleine, die ich ziehen kann und mit Hilfe derer ich mich fallen lassen kann. Mich einfach fallen lassen kann. Wie der Typ in Fight Club. Einfach loslassen kann, von diesem deutschen Alltag, der mich jeden Tag aufs Neue fickt. Von vorne und von hinten. In den Arsch und…keine Ahnung wohin. Langsam werde ich nervös. Denn das Buch muss morgen zurück. Scheiße. Also starte ich einen zweiten Suchversuch. Während das Handy noch mal klingelt. Ich weiß, dass du leer bist. Ich auch. Ein Leerkörper. Das haben wir früher immer zu unseren Lehrern gesagt. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass und wie sehr das eines Tages auch auf mich zutreffen würde. Ich blicke nach rechts, zum Fernsehtisch neben dem Bett. Geil! Ein Buch habe ich gefunden. Aber dieses Buch war auch nicht das Problem. Sondern das andere. Da liegt es: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Nein, nicht von mir, sondern von Milan Kundera. Habe ich nie zu Ende gelesen. Weil ich genau weiß, was am Ende passiert. Das hat Milan Kundera nämlich schon ungefähr zur Hälfte des Buches vorweggenommen. Das  Ehepaar stirbt. Beide sterben. Wir müssen alle sterben. Will er wahrscheinlich damit sagen. Keine Ahnung. Egal wie viel wir betrügen und lügen, wir werden alle sterben. Was für eine Message! was für eine Moral! Die Moral von der Geschicht ist…wir müssen alle sterben. Alle fallen. Alle loslassen. Das Handy klingelt wieder. Wie ein Baby, das seine Flasche will. Ich nehme das Buch, finde dieses Bookmark, dieses Lesezeichen, das ich damals gefunden habe. In irgendeinem anderen Buch. Auf der Vorderseite ist eine rote Kerze abgebildet, deren Flamme vor dunklem Hintergrund hell brennt und unter der steht:
Jesus Christus
Licht der Welt. Licht für
jede Dunkelheit.
Licht auch
für dich.

Ohne Ausrufezeichen. Nur mit Punkt. Als ob es so wär. Einfach so wär. Und als wär das nicht schon genug (Licht) steht auf der Rückseitein schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund:

Ich bin
das Licht der Welt.
Wer mir vertraut,
wird nicht mehr
in der Finsternis
bleiben, sondern
wird das Licht
des Lebens haben.
Jesus Christus

Wird nicht mehr fallen, nichts mehr fallen lassen. Oder wird gerade fallen, wird fallen lassen können, loslassen können, endlich loslassen. Die Welt ist so voller Zeichen, voller Botschaften, voller Messages, man muss sie nur erkennen. Erkennen können. Deuten. Deuten können. Man muss nur glauben. An sie…

…seine Ex-Frau…

…vertrauen können…

…dass wir zwar sterben werden, aber trotzdem wieder zueinander finden können…in diesem Leben

oder im nächsten

„…willst du ein Revival?“

„Ich weiß nicht…“

Meine Lieblingsphrase um zu sagen: „Ja.“ „Ja, ich glaube schon.“ „Ja, ich glaube.“ Einfach so. So einfach.
Jetzt muss ich nur noch das andere Buch finden…geil
Du stehst mitten im Raum, lässt das Chaos deines Lebens auf dich wirken und kratzt dich am Penis. An dieser Stelle unterhalb der Eichel. Zwischen Eichel und Schaft, an der du dich so gerne kratzt. Das ist so mit die empfindsamste Stelle des gesamten Penis. Wenn man da kratzt, dann  macht das richtig Spaß, manchmal. Ist belebend. Wirkt belebend. Manchmal kannst du da kratzen, bis es blutet, an diesen Häutchen unter der Vorhaut. Ziehen, kratzen und kneten. Bis du nichts mehr fühlst. An dieser empfindsamsten Stelle des männlichen Körpers.

Plötzlich geht der Fernseher aus. Das macht er immer, wenn er zu lange ohne Unterbrechung läuft. Das heißt, er läuft jetzt schon 4,5 Stunden ununterbrochen. Der Moderator des Morgenmagazins kann gerade noch sagen: „Wir sprechen gleich über Übergewicht, über Dicke“…und schon ist er aus. Gut so, vielleicht. Du stehst wieder auf, kratzt dich zwischen Sack und Arschloch. An dieser ebenfalls sehr empfindlichen, sehr empfindsamen Stelle. Diesen Weichteilen des menschlichen Körpers. Nadine konnte das damals während des Laufens. Sich am nicht vorhandenen Sack kratzen. Da steckte sie sich manchmal einfach so die Hand in die Hose und roch danach an ihrem Finger. Wie ein Mann. Wie du. Manchmal hielt sie ich  sogar dir unter die Nase. Aber ihren Geruch mochtest du nicht. Man mag nur seinen eigenen Eiergeruch. Arschgeruch. Nie den anderer. Du hast dir damals auch immer direkt die Hände gewaschen, nachdem du ihr den Finger in den Arsch gesteckt hast. Beim Bumsen. Du wolltest sie immer in den Arsch bumsen, aber sie wollte das nicht. Keine Ahnung warum…(beides).

Wir kompensieren Sorgen mit essen…

Kenne ich irgendwoher… Dabei fällt mir ein. Ich hab ja noch Eis.

…wiegt 188 Kilo. Die Selbsthilfegruppe war sein Weckruf…

Der Typ im Fernsehen ist Köln-Fan, zeigt seine alte Trikot-Sammlung. Da würd ich auch essen, um zu kompensieren, denkst du. (Nur ein Witz, ein einsamer Witz in der Dunkelheit, in der Einsamkeit…)

Das Buch taucht immer noch nicht auf. Scheiße.

Am Ende findest du das Buch doch – wieder – nicht und machst dir Sorgen…

Mach dir keine Sorgen, ich komme Morgen…

Und was ist, wenn das nicht auf der Arbeit ist? Was ist, wenn das nicht mehr da ist? Gar nicht mehr da? Dann muss ich das ersetzen… Scheiße…

***

Später am Vormittag checke ich meinen Lottoschein. Ich hab bestimmt wieder nichts gewonnen. Wie immer. Aber dann überraschen mich die Zahlen. Ich habe tatsächlich…3 Richtige…die 30, 31 und 46. Und das sind tatsächlich 13,10€. Scheiße, ich bin reich. Aber ehrlich:13,10 € ist für 3 Richtige echt nicht schlecht!
Warum gibt einem Gott eigentlich immer in den hoffnungslosesten Momenten wieder Hoffnung? Ich hasse das. Ich hasse die Hoffnung


Auch das Scheiß-Buch nehmen die ohne das beschissene Faltblatt an. Wozu hab ich mich eigentlich bekloppt gemacht, den ganzen Tag lang
            och, es gibt da noch so ein paar weitere Gründe, but we wouldn’t want to go into that, would we?!