Im Dunkeln gehst du nach
draußen, trittst vor die Tür in den kleinen Innenhof, der durch ein etwa
mannhohes grau lackiertes Metalltor von der schmalen Straße im Herzen Ippendorfs
getrennt ist. Du guckst dich um, das schwarze Album unter dem Arm, die
Streichhölzer in der anderen Hand. Du guckst dich kurz um, so als wärst du ein
Einbrecher, so als würdest du hier nicht wohnen. Drüben, im Haus gegenüber ist
noch Licht im ersten Stock. Von da oben könnten die dich jetzt theoretisch
sogar sehen… Aber hier ist alles dunkel, hier im Hof. Du hast extra gewartet,
bis alles dunkel ist draußen. Und das mitten im Sommer. Bis fast 11 Uhr. Aber
das Warten hat sich gelohnt, hat ein Ende, wie Till Lindemann sagt. Aber so was
kann man nur im Dunkeln machen, diese Rituale kann man nur im Dunkeln, im
Schutze (oder gar mit Unterstützung?) der Nacht vernünftig durchführen. Obwohl:
Der Himmel ist noch immer ein bisschen hell, ist noch immer nicht ganz dunkel
(oder ist etwa Vollmond?). Hinter dir fällt die Haustür ins Schloss. Du greifst
nach deiner Hosentasche, aber du hast den Schlüssel (sonst müsstest du nachher
noch wirklich in deine eigene Wohnung einsteigen). Du drehst dem Tor den Rücken
zu und gehst in Richtung Anbau, der sich am anderen Ende des Hofes, neben
deinem Bad befindet. Du hältst inne, betrachtest einen Moment lang den blau-schwarzen,
nächtlichen Himmel. Die zwei toten Pappeln in deinem Garten ragen wie mahnende Finger
gen Himmel, die schwarze Plane unter dem Carport raschelt und flattert im Wind.
Du öffnest die Eisentür und trittst in den Anbau. Zuerst siehst du nur dunkle
Formen, dann findest du den Lichtschalter. Siehst die Heizung rechts von der
Tür, den Rasenmäher und die paar alten Möbel vom letzten Umzug. Eine
Holzkommode und ein schmaler Schrank, der aussieht wie ein Uhrenschrank, es
aber wahrscheinlich nicht ist. Nachts wirkt sogar die Tür zu deinem Badezimmer
bedrohlich, obwohl du genau weißt, was sich hinter ihr befindet (das Chaos
deines Bades). Einen Moment lang machst du das Licht an, dann löschst du es
aber gleich wieder. Öffnest die Tür zum Garten, schiebst den Teppich unter der
Tür beiseite. Ohne das schwarze Album abzulegen. Das schwarze Album. Wie sinnbildlich. Machst einen zaghaften Schritt
auf den schmalen Gartenpfad hinaus. Guckst noch mal nach links, dann nach
rechts, siehst aber nichts. Alles ist ruhig. Aber Scheiße, drüben brennt noch
Licht, bei deinen asiatischen Nachbarn. Scheiße. Du musst also noch warten. Bis
zur Geisterstunde. Die Bilderverbrennung muss noch warten. Aber so ist das auch
symbolischer und vielleicht sogar noch befreiender, wenn es um Punkt zwölf oder
kurz nach Mitternacht passiert. In der Geisterstunde. Dann funktioniert der
Zauber vielleicht sogar. Die schwarze oder weiße Magie. Der Fluch (huch, ein
Fluch).
Fortsetzung
folgt (zur Geisterstunde…)