Donnerstag, 31. Dezember 2015

Heute werde ich saufen, bis ich nichts mehr fühle (dachte er, mit einem Lächeln).

Frohes Neues an alle fünf Leser!!!!!!!!!!!!!!!!

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Lichtjahre entfernt



30.12.15

sie tippt in ihr Handy

ich in meinen Computer

es gibt

keine Kommunikation

kein Gespräch mehr

vielleicht auch besser so

das willst du doch

dass sie endlich merkt, dass das alles kein Witz mehr ist

trotzdem tut es so weh

ich wollte das nie

ich wollte das nicht

ich wäre nie gegangen

sie ist gegangen

hat klare Tatsachen geschaffen

hätt ich auch machen können, all die Jahre

sie hat die Eier

und ihr Ex-Mann und ihre Tochter leiden darunter

das Leben ist nicht fair

sie liegt keine zwei Meter von mir und ist doch Lichtjahre entfernt

sie spielt ihre Sprachnachrichten neben mir ab

ich verstehe nicht wirklich was, weil die alle so nuscheln

das klingt alles so verschlafen, fast bedrohlich

„…als ich in Marokko war…“

das hab ich jetzt verstanden

„das hab ich jetzt verstanden.“

sie lacht

wenigstens lacht sie

ist das so gut

du wolltest doch, dass sie merkt, dass die ganze Scheiße auch sie betrifft

ach, keine Ahnung, ich weiß eh nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen soll

wenn ich fröhlich bin, bin ich ein Heuchler

wenn ich niedergeschlagen bin, bin ich genau so ein Heuchler

weil ich eigentlich froh bin, dass sie hier ist (an 4 Tagen die Woche)

wenn ich etwas sage, klingt es falsch

(weil ihre Mutter fehlt und mir meine ganze Freude ausgesaugt hat – wie ein Vampir)

wenn ich nichts sage und schweige, ist das genau so unnatürlich

was soll ich denn machen

was soll ich denn noch machen

wie ging dieser Satz aus American Beauty noch mal:

"Janey ist ein ziemlich typischer Teenager, zornig, unsicher, verwirrt. Wie gern würde ich ihr 
sagen, dass das alles vorbeigeht. Aber ich will sie nicht belügen."

so ungefähr fühle ich mich im Moment

oder so:

„Beide, meine Frau und meine Tochter, halten mich für einen totalen Verlierer. Und, sie haben recht. Ich habe etwas verloren. Ich bin mir nicht ganz sicher, was es ist, aber ich weiß, ich habe mich nicht immer so gefühlt. So betäubt! Aber wissen sie was? Es ist niemals zu spät, es sich zurückzuholen!"

ich hingegen weiß, was es ist: eine Frau, eine Familie, eine Tochter (an 3 Tagen), meine Eltern (von denen ich endgültig die Schnauze voll hab), unsere alte Wohnung, mein altes Leben, alles

aber sie lacht neben mir, jetzt immer häufiger

wenigstens habe ich das (noch) nicht verloren

aber da arbeitet Nadine auch fleißig dran

nach Neujahr kommt die Großoffensive

Anwalt, Störfeuer, das volle Programm

und von mir die Gegenoffensive

Anwältin, Verfügungen, Gericht, das volle Programm

will ich das

nein

aber was bleibt mir für eine andere Wahl

wenn jedes Wort eins zu viel ist

früher konnten wir stundenlang durchreden

immer weiter

ich frage mich manchmal, wo das alles hin ist

wo meine Frau hin ist

geographisch weiß ich es

sie lächelt noch immer

"boah, ich bin gar nicht müde

ich geh aber jetzt trotzdem ins Bett."

sie liebt ihre beiden Eltern


Montag, 28. Dezember 2015

Damals war die Welt noch in Ordnung








Damals war die Welt noch in Ordnung, obwohl sie langsam anfing, Risse zu bekommen. Wo ich trunken vor Glück in den frühen Morgenstunden des neuen Jahres mit Nadine und ihren Schwestern aus der Disko kam. Dem Ysabeau, das es heute nicht mehr gibt (zu viele Razzien, zu viele Illegale), Nadine auf der einen Seite und Mandy und Slainté auf der anderen. Wir umarmten uns sogar. Heute wär sowas undenkbar.

Das waren noch Zeiten. Wo ich bestimmt jeden zweiten Tag bei Nadine und ihren Schwestern schlief, bei ihr übernachtete, mit ihr schlief. Heute ist Krieg zwischen uns. Alles ist anders. Und glauben Sie mir das: ganz sicher nicht besser.

Einmal wollte ich sogar mit Nadine schlafen, obwohl ihre Schwester keine zwei Meter weiter auf dem Wohnzimmersofa schlief. Das gab Ärger. Denn die hat das mitbekommen damals. Und am nächsten Tag Nadine kritisiert. Oder es ihr gesagt. Das ich keinen Respekt hätte und der ganze Bla. Das war mir egal. Einem geilen Mann ist Respekt egal. Wir ham ja auch noch nicht mal. Denn Nadine wollte nicht, im gleichen Zimmer wie ihre Schwester.

Also mussten wir auf den Flur ausweichen. Ins Treppenhaus. Das war bei einem 5-stöckigen Wohnhaus ziemlich groß. Aber nicht groß genug. Ich glaube, nur einmal ham wir es geschafft, ganz hastig, Nadine auf mir sitzend, im Treppenhaus zu bumsen. Denn jedes noch so kleine Geräusch konnte heißen, das gleich eine alte, entrüstete Dame, die seit dem Krieg keinen Sex mehr gehabt hatte, aus der Wohnungstür gestürmt kam und uns mit dem Besen vertrieb. Was nie passierte. Zum Glück nicht, denn dann hätte Nadine und ihre Schwestern bestimmt Ärger mit dem Vermieter bekommen. Und damals waren die alle drei noch illegal in Deutschland. Das war lange bevor Nadine mich heiratete, Slainté sich mit einer Frau auf eine Scheinehe einließ und Mandy als frischgebackene, spanische Staatsbürgerin aus Barcelona zurückkam. Also ging das nur ganz ruckartig, fast überfallartig und machte somit keinen großen Spaß. Dafür bereitete es umso größeren Nervenkitzel. Genau wie der Sex im Freien, zu dem wir uns fast genötigt sahen, da Nadine Schwestern fast immer abends Zuhause waren.

Wie vor der Beethovenhalle am Baum. Das lief immer nach dem gleichen Muster ab: Wir saßen irgendwo draußen auf einer Bank und küssten uns wie wild, wobei es nicht blieb. Denn das war zwar geil, aber nicht genug. Ich wollte immer mehr. Ich ging ihr jedes Mal und fast immer durch die Hintertür kommend an die Wäsche. Das heißt: Ich steckte ihr von hinten meine Hand in die Hose oder Leggings, bis ich entweder von hinten ihr Schamhaar ertasten konnte – was mich noch mehr anfeuerte – oder bis ich diesen schweißige Schokoladencreme an den Fingern spürte, die mich sowohl noch geiler machte als auch anwiderte. Besonders nachdem ich meine Finger wieder rauszog und sie nach ihrer Kacke rochen. Das war dann doch ein bisschen zu viel des Guten. 

Aber ab einem bestimmten Punkt wollte ich dann auch draußen alles. Sprich: Penetration. Was schwierig war. Nicht nur, weil sie illegal war. Sondern auch, weil sie selten Röcke trug. Sondern meistens Jeans oder Leggings. Letztere waren zwar schnell runter, aber das hieß noch lange nicht, dass eine Penetration so einfacher, geschweige denn risikoärmer war. Nein: Denn so war das Risiko zwar für mich minimal, aber ich war auch nicht derjenige von uns beiden, dessen Aufenthaltsstatus ungeklärt war. Ich konnte immer schnell den Schwanz einziehen, aber sie konnte ihre Scham nicht so schnell wieder in trockene Tücher bringen. Also ließen wir entweder ganz davon ab oder gaben uns nur in ganz seltenen Fällen dieser Versuchung hin. Wie z. B. nachts an diesen Baum in einem Hinterhof – oder war es ein Spielplatz? – an einen Baum gelehnt. Ich weiß nicht, ob ich sie bei dieser Gelegenheit tatsächlich richtig penetriert habe oder ob ich wie so oft den Schanz eingezogen habe, aber geil war es schon.





Fast wie im Film



27.12.16





Wie immer kann er um zwölf noch nicht schlafen und guckt noch ein bisschen Fernsehen. Im Ersten läuft ein amerikanischer Film.

Der Film handelt von einem jungen College-Absolventen, der nach dem College noch keinen genauen Plan hat, was er machen soll und als Babysitter für eine vierzigjährige Frau mit zwei Kindern jobbt. Erst nur für ein paar Abende, aber nach einer Weile engagiert sie ihn als feste männliche Nanny und er verliebt sich trotz des Altersunterschieds in seine Chefin.
Sie lieben sich und sie wird schwanger. Als sich die Schwangerschaft jedoch als Eileiterschwangerschaft entpuppt, trennen sie sich (woher kennt er das bloß?)

Der Typ reist um die Welt, geht nach Afrika, Indien, um sich um Kinder zu kümmern. Und landet am Ende wieder in New York, wo er in einem Museum Führungen für Kinder leitet.
Und in einem Restaurant trifft er sie durch Zufall wieder. Er ist jetzt dreißig (der Glückliche – erst 30!), wie er sagt…

…und sie mag diese ganzen Dating-Sachen nicht (sag das mal seiner EXe)…

…und sie landen alle zusammen – inklusive seiner Eltern – an einem gemeinsamen Tisch.

Am Ende geben sie sich unterm Tisch die Hand. Und sein adoptiertes und ihre beiden Kinder verstehen sich auf Anhieb gut. Sie lacht, als er ihre Hand nimmt. Und dann endet der Film.

Und er heult ein paar Tränen in sein Kissen. In ihrem alten Doppelbett liegend, in seiner neuen Single-Wohnung, die ich immer noch nicht als „seine“ Wohnung akzeptiert. In der er immer noch nicht alle Möbel vollständig aufgebaut habe. Und das nach guten fünf Monaten.
Morgen kommt seine Tochter. Unsere Tochter, obwohl es dieses „uns“ eigentlich gar nicht mehr gibt.

Und an Silvester, unserem Jahrestag, wird er ihr eine SMS schreiben. Eine einzige. Nicht fünf. Eine. In der stehen wird: ¡Feliz vigésimo aniversario! Ha sido bueno conocerte.

Was Deutsch etwa soviel heißt wie: Alles Gute zum 20. Jahrestag! Ich bin froh darüber, dich kennengelernt zu haben.

Und morgen wird er eine weitere E-Mail schreiben. An seine Scheidungsanwältin.

Fast wie im Film. Er kommt sich fast wie im Film vor.

Nur im falschen.

Und obwohl ich eigentlich schon mehrmals dieses Jahr den Glauben verloren hatte, will ich glauben…





Sonntag, 27. Dezember 2015

Mr. Nice Guy?



12.07.14





Jeden Tag fuhr ich mit dem Fahrrad zu ihr in die Altstadt. Immer an den Gleisen entlang. Mit Oasis in den Ohren. Rap hörte ich damals fast gar keinen mehr. Da war ich irgendwie rausgewachsen, ich wusste auch nicht genau warum. Ich fuhr auf meinem Mountainbike – das eigentlich als 24er-Fahrrad schon ein bisschen zu klein für mich war – zu ihr, meiner neuen Freundin. Zu Nadine. Meiner Freundin, besser gesagt, denn ich hatte ja vor ihr noch gar keine andere Freundin gehabt. Sie war sozusagen meine Erste. Meine erste große Liebe. Wie kitschig! Fuhr geschwind, wie ein Furz im Wind – wie meine Mutter
sagen würde – zu ihr, meiner ersten richtigen Freundin. Für die ich eigentlich schon ein bisschen zu alt war, mit meinen 19 Lenzen. Aber man ist nie zu alt…

Oder war sie zu alt für mich, mit ihren 24 Lenzen. Wer weiß. Aber darüber machte ich mir im Moment keine Gedanken (das würde später kommen, wenn ich mit ihr durch die Stadt gehen würde und die Leute uns sehen, uns begaffen würden – taten sie das wirklich oder bildete ich mir das nur ein??). Ich hörte Wonderwall und war verliebt. Eigentlich genau die passende Musik dafür. Oder genau das Gegenteil. Je nachdem, wie man‘s nimmt. Wenn ich an unsere Beziehung dachte, nahm ich mir vor, bloß nichts falsch zu machen. Bloß nichts zu machen, das unsere Beziehung oder gar beenden gefährden könnte. So nett wie es nur geht zu ihr zu sein. Damit ich meine erste richtige Beziehung zu einem Mädchen (einer Frau) nicht direkt wieder kaputtmachen würde. Das durfte nicht passieren. Ich würde sie so zuvorkommend, so wohlerzogen, so freundlich wie möglich behandeln, nur damit sie bei mir blieb. Alles, nur nicht wieder allein sein. Du musst sie behandeln wie auf Rosen.

(Ob sie das damals schon ausnutzte?)

Ich war so naiv.

Ich dachte wirklich, dass würde funktionieren.

Wie naiv.

Wir waren alle mal jung.