Unser Mann aus Mexiko


 

1



„¿¡AMIGO?!“

 

Er hämmert mit der Faust gegen die Glastür des Tattoo-Studios, immer wieder.

 

„¡Ven, amigo, abre!“

Da ist noch Licht an. Da ist noch jemand. Da ist doch noch jemand. Was für ein Scheiß, Mann! Ich sehe ihn, sehe seine Umrisse hinter dem Schaufenster, in dem Fotos von Tattoos ausgestellt sind. Und sogar ein Totenkopf, ein echter Totenkopf. Nein, natürlich nicht. Bestimmt ist der aus Plastik. Der ist zu perfekt. In echt sehen die anders aus

So wie

Nein


Bumm, bumm, bumm...
 

„¡AMIGO!“




Er sagt extra „amigo“. Das verstehen die hier. Die Deutschen. In diesem gottverdammten Land, in diesem gottvergessenen Land. Mach schon die Tür auf! Der muss mich doch hören, der Spacken. Egal was da steht. Was kratzt mich das, dass da "GESCHLOSSEN" steht?! CerradoAh, chinga tu... Wie ein Bekloppter hämmert er immer wieder auf die Tür ein.

Und plötzlich erscheint da tatsächlich dieser Typ, hinter der Tür. Ein Rasta! Hahaha... Ein Rasta! Ich glaube es ja nicht. Fast muss er lachen, als er ihn sieht. Ein deutscher Rasta. Fuck! Ein weißer Rasta! Ok, wenn diese Schwarzen in Kolumbien das tragen, oder zumindest ein Latino (obwohl, bei Ana sah das auch Scheiße aus), aber der...Ein deutsches Bleichgesicht! ¿Un alemán? Ey, wenn du mir jetzt nicht aufmachst...

Er guckt böse. Dieser Typ guckt auch noch böse. Hahaha. Er guckt ihn böse an. Ihn, der alles gesehen hat. Alle Nuancen von Böse. Nicht böse, sondern böse. Nicht kalt böse, so, wie die Leute gucken, mit denen er zu tun hat, sondern echt böse. Der ist echt böse. Hahaha. Wenn die in Mexiko böse sind, dann merkst du es nicht. Oder doch, wenn du den Schuss hörst, das Blut siehst, versuchst wegzurennen. Aber der Typ ist echt böse.

Trotzdem macht er auf. Das machen sie alle. "Ja, was ist los?"

"Was? ¿Qué? Nicht verstehen. Ich will Tattoo."

"Wir haben zu. Feierabend. Es ist zu spät."

"Bist du da. Machst du mir Tattoo."

 Ich will jetzt dieses Tattoo. Und was ich will, das kriege ich.

"Ich habe Geld." Du holst das Bündel aus deiner braunen Lederjacke; und obwohl er zuerst nein sagen will und schon eine Hand an der Tür hat, um diese wieder zu schließen, siehst du, dass er plötzlich ganz große Augen kriegt. So viel ist das jetzt auch nicht, aber es funktioniert.

 "Ok..."

 "Gut, amigo..." Du klopfst ihm auf die Schulter. "Gut, amigo, machst du gut! Guter Mann!"

Sag ich doch.

"Hier lang. Das ist hier hinten," sagt er, nachdem er die Tür von innen abgeschlossen hat, und du folgst ihm, ohne was zu sagen. Du guckst dich um. Du musst vorsichtig sein. Aber hier ist keiner. Nur du und er. Das spürst du. Du hast da einen sechsten Sinn für. Musst du auch, denn sonst wärst du schon lange tot. Du spürst es eben. Genau wie du die Waffe unter deinem Hemd spürst, nach der du kurz greifst. Instinktiv...

Aber ich glaube, der ist okay...

Das kannst du nie wissen...

Er führt ihn in dieses Zimmer, macht das Licht an. Immer langsam, mein Freund. Mein Rasta-Freund. Mein kleiner Rasta-Freund. Obwohl der Typ locker einen Kopf größer ist als er. Groß und dünn. Ein Rasta eben, ein weißer Rasta. Das heißt sowieso nichts, Körpergröße. In Mexiko bringen dich Zwölfjährige um. Bringen sie Zwölfjährige um. Pedro

Pedro

 

 

 

Er deutet mit der Hand auf den Stuhl, auf den ich mich setzen soll, streift sich Latexhandschuhe über. Wie korrekt die hier sind. Im Knast, damals in Sinaloa, da hatten die keine Handschuhe...

Ich setze mich auf den Stuhl, obwohl ich das hasse. Das ist wie beim Frauenarzt. Nicht, dass ich schon mal beim Frauenarzt war. Obwohl, doch, aber ich war nicht derjenige, der auf dem Stuhl saß

 

 

 

 

"Wo wollen Sie es denn haben?"

"Eh?"

"Das Tattoo...wo?"

"Hier, auf die Arm."

Ich kremple langsam den Ärmel des schwarzen Hemdes nach oben und zeige ihm den Unterarm, auf dem ein Teil der Schlange zu sehen ist. Hier,

"Hier, unter die, die..."

"...Schlange."

"Ok. Und was wollen Sie haben? Was für ein Motiv, meine ich?"

"Ah, el motivo?!"

"Ja, genau."

"Ich wollen das..."

Er zeigt ihm eine Abbildung auf seinem Handy.

"Was? Das??? Du hast sie doch nicht mehr alle..."

"Was?", sage ich ruhig, mit einem kalten Lächeln auf den Lippen. Ziehe langsam die Jacke beiseite, so dass er das Halfter darunter sehen kann. ¡Ándale!

Eine halbe Stunde später stehen die Grundlinien des schwarzen Kreuzes...

¡¿No ves, amigo?! Geht doch.

Der Typ verzieht zwar kurz das Gesicht, macht aber weiter.

 

Am Ende ist das Ding fertig. Er betrachtet es auf seiner Haut, streicht vorsichtig mit dem Finger über das durchsichtige Pflaster, lacht, sagt: "Jetzt ich Deutscher!"

Der Typ sagt nichts, verzieht aber wieder leicht das Gesicht.

Y esa cara?

Er sagt nichts. Besser so.

Te voy a decir una cosa...

 Plötzlich zieht er die Pistole aus dem Halfter. So schnell, dass der Typ keine Chance hat, irgendetwas zu machen...

Und, wie ist das mit der Pistole am Hals, Muecas?

"Du machst Mund auf, du tot. Está' muerto, te digo...muelto, jajaja. Brrrrr."

Scheiße, jetzt hat der wirklich Angst. Gleich macht er sich noch in die Hose. Also steckst du das Ding wieder weg. Ganz langsam. Wie in Zeitlupe. Kneifst ihm in die Backe, als du siehst, dass er zittert und Tränen in den Augen hat. Gut

"Hast du gut gemacht. Jetzt ich Deutscher."

 

 

 

2.

 

Ich weiß auch nicht, was das ist. Bei meinen deutschen Freunden vorher habe ich mich immer gefragt, ob sie auch eine harte Seite haben. Bei Pedro ist das anders: Da frage ich mich immer, ob er auch eine weiche Seite hat. Er ist so verschwiegen, so anders. So anders als alle anderen Männer, mit denen ich vorher zusammen war. Mit seinen Tattoos und allem. Wenn er mit mir schläft und ich ihm mit meinen Fingern über seine braune Haut streiche. Ich weiß immer noch nicht, wer Camila ist. Er hat sie auf seiner Brust tätowiert. Da, wo das Herz ist. Eine Mexikanerin. Sie sieht eigentlich aus wie eine typische Mexikanerin. Wie man sich das so vorstellt, mit dieser runden Frisur, die sich perfekt an ihr rundes Gesicht schmiegt. Anders als ich. Das macht mich echt verrückt, dieses Mysteriöse, Geheimnisvolle. Aber es macht mich auch kribbelig, es weckt die Schmetterling, die ich noch nie so gefühlt habe. So stark. Und dann will ich, dass er mich nimmt, dass er mich fickt, hart, kalt, businesslike, ohne Küssen und Zärtlichkeiten, so, wie er es immer macht ...

 

3

Als er aus der Halle raus kommt, quatscht ihn so ein Typ an. Vor dem Hotel. So ein dünner, junger Typ mit etwas längeren, lockigen Haaren. Einer von diesen Arabern, die hier überall rumlaufen. Er sagt irgendetwas, was er nicht ganz versteht. Deutsch ist schwer. Deutsche Sprache, schwere Sprache. Also winkt er ihn einfach weg, sagt keine Zeit. No tengo tiempo para esa mierda, chingón. Bestimmt will der nur Geld. Ich habe kein Geld. Nicht für dich. Der Typ scheint nicht so begeistert zu sein und sagt: "Du Hurensohn!"

Was? ¿Qué? Pendejo. Das hat er verstanden, Hurensohn. Das versteht er auf Deutsch. So viel Deutsch kann er. ¿Qué? Er geht zu dem Typen zurück, der damit irgendwie so gar nicht gerechnet hat. Hält sich wohl für hart, weil er Araber ist. Ich verstehe "Hurensohn", amigo. Te entiendo. Er stellt sich ganz nah an ihn ran, guckt sich kurz um und zieht dann seine Pistole. Nur ein bisschen, so dass der Typ sie sehen kann. ¡Mira aquí, pinche chingón! Er deutet ihm an, dass er mitkommen soll, zieht ihn mit der freien Hand an der Jacke, während er mit der anderen Hand den Griff seiner Waffe ein bisschen hochzieht, so dass der Doof ihn sehen kann. Über die Kreuzung, vorsichtig, tranquilo, amigo, und in das kleine Wäldchen vor dem Bahnhof hinein. Er lächelt. So

 

aquí, pinche

 

Als er weit genug von der Straße entfernt ist, sagt er ruhig, aber bestimmt: De rodillas! Langsam, fast genüsslich, zieht er die Waffe aus dem Holster und hält sie ihm an den Hinterkopf. Der Typ ist am Flennen, entschuldigt sich, labert irgendwas, was er nicht versteht.

 

"Hurensohn", sagt er und drückt den Abzug. Hahaha. Kein Magazin, hahaha. Denn das hat er ganz schnell entfernt. Bah ...

Er sieht, wie die Hose des Typs sich verfärbt, nass wird. Ya se caga, el ...

"Wer Hurensohn jetzt, amigo?!"

Der Typ antwortet nicht. Sekunden später kann er es auch nicht mehr, da er ihm mit dem Griff seiner Waffe einen harten Schlag auf den Hinterkopf versetzt ...

 

4

 

Blöde Schl****, fi** dich, du blöde Schl****! F***e, N***e, du gehst mir auf die Eier. F***st nicht mal richtig. Haben die dir das hier nicht beigebracht?!



Fortsetzung folgt!