Sonntag, 29. November 2015

Fast wie im Film...ganz großes Kino



29.11.15




Er sitzt im Bus in die Stadt und beobachtet die Leute, während er versucht Liebe in Zeiten der Cholera zu lesen. El amor en los tiempos del cólera. Ja, ich weiß, das ist jetzt nicht gerade das richtige Buch. Ich weiß. 

Florentino Ariza hatte 51 Jahre, 9 Monate und 4 Tage auf sie gewartet…

Moment mal…wie lange hab ich eigentlich: 8 Monate minus zwei Tage, 18 Stunden und 47 Minuten! (und allein um das auszurechnen 5 Minuten mehr!). Ist ja gar nicht so lang, verglichen mit Florentino Ariza.

Ich weiß. Das tut weh. So viel Dummheit bei der Bücherwahl tut weh. Selber schuld. Ich weiß, ich weiß.

Er guckt sich die Leute an: Der 150-Kilo-Mann mit grauen Haaren und Ziegenbart direkt vor ihm, der junge Typ mit Migrationshintergrund meine ich natürlich auf der Rückbank. Mit diesen süßen, schwarzen Löckchen, die unter seiner Mütze hervorgucken und seiner schwarzen Fake-Lederjacke. Seinen Chucks. Der Latino, der rechts neben ihm auf der Rückbank sitzt, auf Spanisch in ein Handy spricht, unrasiert und fern der Heimat und mit komischen, leicht meiner Ex-Frau ähnelnden Akzent. (Ob er gerade mit ihr redet? Sich mit ihr verabredet? Ob das sie am anderen Ende ist? Ob er ihr neuer Stecher ist? Ob der besser im Bett ist als du? Ob der keinen Hamster hat, sondern einen Tiger?). Bis später! ¡Hasta luego! Hijo de…  Der alte Mann mit Columbo-Trenchcoat schräg gegenüber von ihm, der ihm direkt in die Augen guckt. Was will er darin sehen? Den Krieg? Seinen oder deinen? Unser Leben ist unser großer Krieg. Trotzdem guckt er immer wieder zu dir rüber. Und das junge Mädchen, das direkt neben ihm im Gang steht. Weil er ihr nicht den Platz neben sich, auf dem sein Rucksack und sein Computer sitzt, freigemacht und angeboten hat. Aber so kurz vor dem Bahnhof hätte sich das eh nicht mehr gelohnt. Trotzdem ein Fehler! Denn sie ist ungefähr 16-17 Jahre alt, hat lange, glatte schwarze Haare, ein hübsches, braunes Gesichtchen mit süßer Nase und trägt ein Parfüm, dass direkt zu Kopf steigt. Direkt in die Blutbahn geht. Ohne Umwege. Der Geruch nach frischer, junger…Muschi, nein, nur Spaß! Der Duft der Frauen. Wie in dem gleichnamigen Film. Wo dieser blinde Ex-Lieutenant – gespielt von Al Pacino – ein letztes Mal nach New York fährt, um sich dort eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Und durch die Muschis, nein, durch den Schüler, der ihn begleitet, wieder ins Leben zurückfindet.

Und wie er sich so umguckt kommt er sich auch ein bisschen so vor wie in einem Film. Nein, nicht im falschen.

All diese Leute. Die mit ihm, fast neben ihm, in die Stadt fahren. Der junge Typ mit den Locken unter der Mütze guckt zu ihm rüber. Das hat schon einen Hauch von Hollywood, von Film, wie er hier im Bus sitzt, mit all diesen Leuten. Alle gucken ihn an.

Wenn das jetzt ein Film wäre, dann…

…dann würde er jetzt eine SMS kriegen. Eine SMS, die er nicht – wie sonst immer – überhören, übersehen oder einfach verpassen würde – also nicht wie die mehrfachen Anrufe seines Vaters von heute Morgen. Deren Vibration er deutlich spüren würde. Die noch in seinem Inneren nachhallen würde.

Wenn das jetzt ein Film wäre…

…dann würde er genau in dem Moment auf sein Handy gucken, wo ihn die Nachricht erreicht – und nicht drei Tage später, wenn er es endlich schafft sein Handy aufzuladen oder den mal wieder verlegten Stecker zu finden.

Er würde sie direkt sehen, diese Nachricht, die bestimmt irgendeinen Ton machen würde (und nicht schweigend an ihm vorübergehen würde wie 95% seiner erhaltenen  Nachrichten). Sie würde mit einem roten Herzchen auf seinem Display erscheinen. Einem 
schlagenden Herzchen (und natürlich hätte er dann auch ein vernünftiges Handy und nicht diesen alten Knochen seiner Tochter, der von Emoji noch gänzlich unberührt ist). Sein Hollywood-Handy würde sehr wohl in der Lage sein, allerlei bunte Emojis darzustellen (und nicht nur digitale Kackhaufen).

Die Nachricht würde im ganz nah herangezoomten Close-Up sagen: Dreh dich mal um! Oder direkt auf Spanisch: ¡Dáte la vuelta! Wie damals, als Conchita ihm im Computerraum von hinten die Augen zugehalten hat. Und ihn gefragt hat: Wer bin ich? In besseren Tagen. Und im Film wäre er natürlich auch nicht halb blind oder halb blöd wie im wahren Leben. Im Film würde er sich in Zeitlupe umdrehen (knacks!) und seine ganz großen Augen würden sie sehen. Sie, die sich wie die Frau aus Crocodile Dundee langsam ihren Weg zum ihm durchbahnen würde. Vorbei an den duftenden Muschis, den hippen Typen mit schiefer Mütze, den mittelaltrigen freundlichen Herren mit Aktentasche und Anzug. Vorbei an der immer noch gut aussehenden Brünetten, die plötzlich, wie von der Tarantel gestochen von ihrem Handy aufblickt, direkt in die Kamera. Und zuallerletzt vorbei an dem jungen, coolen Latino mit Glatze und modischen Bärtchen, der ihr im Muskelshirt schmachtende Blicke zuwirft, und an dem die echte Nadine bestimmt klebenbleiben würde. Sie würde sich zu ihm durchboxen, ihn in den Arm nehmen – ach, was sage ich denn da – sie würde ihr Arme um ihn schlingen (und ihn dabei erwürgen, nein!) und ihm vor versammelter Busfracht küssen.
„Ich kann nicht mehr…ich kann nicht mehr ohne dich leben“, würde sie vorher noch in sein Ohr gehaucht haben. Sie würde ihm einen langen, romantischen Kuss geben, mit Zunge (nein, wir sind ja immer noch in Hollywood, streichen Sie das mit der Zunge!). sie würde gar nicht mehr aufhören, ihn zu küssen. Bis sie ganz feucht und wuschig wäre (dito!). Und die Leute um sie herum würden langsam anfangen zu klatschen und dann immer lauter werden, je länger der Kuss ginge. Würden erst lächeln, dann lachen und sich des Lebens erfreuen. Ein junges Pärchen würde es ihnen gleichtun. Eine Oma würde den alten Knochen neben sich küssen – das erste Mal seit vielen Jahren. Und der Bildschirm würde sich langsam auf die Form eines Herzens verkleinern, in dessen Zentrum das glückliche Paar zu sehen sein würde, das sich zu den sanft einsetzenden Klängen von Back to December küsst. Danach ein schwarzer Bildschirm, auf dem in roter Schrift ein einziger Satz zu lesen wäre: She came back never to leave him again… Kein Wort davon, that they 
died happily ever after. Nur das Lied Back to December. Taylor Swift in Bestform.

Aber das ist kein Hollywood-Film.

Das Leben ist kein Hollywood-Film.

Und nur der alte Mann im Trenchcoat starrt ihn noch mit zittrigen Händen an, als dieser Viehtransporter von Bus am Bahnhof ankommt. So sehr, dass es fast wehtut.
Was der wohl in seinem Film so alles erlebt hat? So müde wie der guckt. Und dann ist er draußen. Der Bus hat ihn auf die Straße gespuckt, wie etwas Unverdauliches, wie den giftigen Apfel, den Taylor Swifts Geliebter in Blank Space entsetzt ausspuckt, nachdem sie aus Wut über seine Untreue grausame Rache an ihm nimmt (Und warum hat das Rachevideo Blank Space unglaubliche 1.314.210.170 Klicks, während das ruhigere Back to December nur schlappe 116.200.571für sich verzeichnen kann…?).

Er steigt direkt hinter dem alten Mann aus.. Und dann steht er draußen auf der nassen, kalten, windigen Straße, im ersten Moment noch ganz desorientiert, während die anderen Fahrgäste schon weitergegangen sind. Jetzt fehlt nur noch, dass ihn irgendein Junkie fragt: „Was schiebst du den für einen Film?“ Aber das passiert natürlich nicht, wir sind ja nicht im Film. Wie er so dasteht und für einen Moment innehält, sieht er den bewölkten Himmel nicht, an dem schon bald die nicht vorhandene Sonne dieses vorletzten Novembertages untergehen wird. Er denkt: Warum kann das Leben kein Film sein? Warum kann es nicht wie im Fernsehen sein, wo sich die Liebenden immer irgendwie wiederfinden oder irgendwie anders für ihre verlorene Liebe entschädigt werden? Durch einen neuen Partner, Erfolg im Beruf oder irgendeinen anderen Scheiß? Warum nicht? Warum bloß?
Ich will ja noch nicht mal einen Hollywood-Film. Ein kleiner, schöner, europäischer 
Liebesfilm mit Happy End würde mir ja auch schon reichen.

Gibt es die?

Nicht in seiner Video-Sammlung.

                        ...und sie drückt ihm einen letzten Kuss auf den Mund.

Und er schlägt das Notizbuch zu, das er während seines ersten Singleurlaubs in Barcelona gekauft hat und in dem er auch ihren Abschiedsbrief aufbewahrt. Für seine Anwältin.
und irgendwie auch für sich


todo por el abogado


lo nuestro se acabó para siempre

Bauer sucht Frau


29.11.15





Wenigstens läuft im Fernsehen „Bauer sucht Frau“…




…dann kann ja noch nicht alles verloren sein.



Solange bei RTL noch „Bauer sucht Frau läuft…




…ist die Welt zumindest noch halbwegs in Ordnung.

Oh, Mann, ey…

 Das ist ja nett, dass mir meine Kollegin „Bauer sucht Frau“ an gelassen hat. Meine absolute Lieblingssendung im deutschen Fernsehen. Woher weiß die das?

Ne, aber echt: Vielleicht sollte ich ja auch mal daran teilnehmen. Ich bin ja jetzt auch Single! Endlich Single! A fucking free agent, you motherfucker, do you hear me?!

Ein Bauer bin ich auch…zwar ein Stadtbauer…aber egal. Ein Urban Farmer sozusagen…

…ein Rindvieh sowieso…

…ein Bauernopfer…

…und Liebe suche ich auch…

…wohl eher Sex, aber egal…

…und so doof wie die sehe ich bald auch aus…

…wenn ich erstmal geschieden bin…

Hey: Ich erfülle alle Zugangskriterien!

Läuft!

Passt!

Läuft!

Pfiati! sagt einer der Bauern in diesem fetten bayrisch-bäurischen Akzent. Ich will ja jetzt nichts sagen…ich will mich ja da auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen…ich hab ja auch nichts gegen Bayern…bin ja selber Bayern-Fan (jetzt ist es raus!)…aber…das klingt für mein ungeübtes, westdeutsches Ohr schon so ein bisschen wie…äh…fick dich…(der war nicht, würde meine Tochter jetzt sagen – ab einem bestimmten Alter werden selbst die Witze schal, Schatzi!)

…du mich auch…

…sehen Sie, ich bin schon jetzt so ein richtiger Bauer – inklusive derber Umgangsformen.

…kein Stall-Yuppie mit Laptop, auf dem er seine Börsenkurse checkt und sich auf Single-Seiten anbietet…

…mein größter Wunsch ist es auch, endlich eine liebevolle Frau zu finden…

…vielleicht ist ja Renate genau die Richtige für unseren Richard…

genau, meine ich auch…

(…vielleicht ist ja eine Granate genau das Richtige…)

…vielleicht ist die ja auch eine richtige Granate im Bett...

…so wie die aussieht, bestimmt…

…Pfiati, du Schwein!...

…when the moon…

…that’s amore…

…that’s amore…                                                    

…schallt es aus dem Fernseher zu dir rüber, noch bevor du dir die Ohren zuhalten kannst.

…that’s amore…

…hörst du???...

…nicht amor  ohne „e“, wie in Südamerika. Euch fehlt nicht nur das „e“ in der Liebe, in Ecuador, glaub mir das…ja…

…wir ham eine spezielle Aufgabe heute…

…wir werden unseren Kühen…

…den Arm in den Arsch stecken…

…den ganzen Arm…

…näh…

…bis zum Schaft…

Speedy-bi, speedy-bo…

die schnellste Maus von Mexiko…



wenn du dachtest, RTL könne dich nicht mehr schocken…

…könne nicht noch tiefer sinken…

…Speedy-bi, Speedy-bo…

…die schnellste Maus von Mexiko…



…stell dich vor die Tür…

…sonst ist sie für immer weg!

Moment mal! Ruhig, Brauner! Immer langsam mit den schnellen Mäusen. Stand nicht letztens im Internet, dass laut neuesten Studien mexikanische Präriemäuse…Männchen jeden Abend zu ihrer Mäusedame zurückkommen und sogar Liebeskummer verspüren, wenn diese am heimischen Herd versterben???

Du tust ihnen Unrecht, den armen, süßen kleinen, mexikanischen  Mäuschen.

…die sind treu…

…ganz anders als die südamerikanischen Meerschweinchen…

…da brauchst du die Tür nur einen Spaltbreit aufzulassen, da sind die für immer weg, 
unsere kleinen flauschigen Ex-Frauen…äh…Freunde.

…die lieben ihre Freiheit, während die mexikanischen Mäuse so schnell wie möglich zu ihren Frauen zurückrennen…

…gut, dass wir das geklärt haben…

Also weiter mit Bauer sucht Frau, wo es immer abenteuerlicher wird:

…eine angenehme Ganzkörpermassage…

konnte Nadine auch…

…wie sie mir einen geblasen hat…

…die hatte immer Angst davor, dass ich in ihrem Mund komme…

…süß…

dulce, rico, riquísimo…

…Renate ist eine gute Masseurin…

…die bläst, bis der Teufel Feuer spuckt…

…sie weiß, wie man Schweinebauern nach Feierabend verwöhnen kann…

…Welcome to the Hotel California…

…Welcome to Bonn Jugendherberge…
 (...der war auch nicht!)

…when your wife…

… throws you out…

…forever…

Im Fernsehen Renate ihrem Bauern ein Foto:

…das ist mein Hamster…

…jo, den kenn ich schon, Renate…

hey, ich hab auch einen Hamster…

…zwischen den Beinen…

sexy…

Samstag, 28. November 2015

Daran darfst du noch nicht einmal denken...



28.11.15

Wenn deine Mutter jetzt einen Unfall hätte, dann wär ich alleinerziehend, sagst du zu María, kurz bevor du sie in das Wochenende bei ihrer Mutter verabschiedest.

Oder denkst du es nur?

Sie verzieht keine Miene. Also musst du es nur denken. Du würdest ihr doch nie sowas sagen. Und sie würde nie so kühl, so gleichgültig reagieren.

Oder doch?

Du redest oder denkst weiter: Wenn sie einen kleinen Unfall hätte. Mein Vater hat mir gezeigt, wie man die Bremsleitungen an einem Auto durchtrennt (hat er gar nicht!). Das ist ganz einfach (du würdest die im Leben nicht finden!). Also fahr in den nächsten Tagen nicht mit deiner Mutter. Du guckst sie an. Natürlich denkst du das nur. Oder? Das ist das Einzige, was funktioniert. Alles andere ist nämlich Quatsch. Mit den Bananen im Auspuff und so. Das hat er mir gesagt.

Wenn deiner Mutter irgendetwas passiert.

Oder durch einen Terroranschlag, sagt deine Tochter. Sagt sie das gerade wirklich? Oder denkt sie das nur?

Genau, ein Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt. Sie sitzt gerade mit ihrem neuen Stecher da und dann passiert es. Mitten in die Glühweinatmosphäre platzt eine Bombe. Das denkst du jetzt aber ganz sicher nur. Das dürftest du ja gar nicht sagen. Sowas sagt man nicht! Sag das nicht, denk das denkt, geb einfach Ruh…

Dann wär ich alleinerziehend.

Einen Herzinfarkt wird sie ja wohl kaum bekommen. Bei dem Blutdruck einer Toten, den sie hat. Bei dem fast nicht vorhandenen Puls. Und somit auch keinen Schlaganfall. Leider.

Aber wie wär’s…

…mit einem…

…ich trau mich das gar nicht auszusprechen, María. Tu ich vielleicht ja auch gar nicht.

Wie ihre Schwester.

…wenn sie einen Gehirntumor…

Das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht.

Aber im Moment ist sie nicht nur deine schlimmste Feindin, sie ist sogar noch mehr. 
Nämlich deine EX. Mit großen X.

Ihre Schwester hat es ja vorgemacht. Wurde für ihre Sünden bestraft.

Denkt er. Dieser schlimme, schlimme Mann, dieser schlimme, schlimme Mensch, mit dem ich – der Erzähler dieser Geschichte – mich in keinster Weise identifiziere. Dem ich mit zunehmender Abneigung, ja Ekel zuhöre.

Wie er mit seiner Tochter redet. Oder nur laut denkt. Oder nur denkt? Und obwohl ich seine Gedanken lesen kann, distanziere ich mich aufs Entschiedenste von ihnen. Von einer derartigen Form der Selbstjustiz…

…das wäre nur ausgleichende Gerechtigkeit, denkt er.

Sowas darf man noch nicht mal denken. Geschweige denn sagen.

Sowas tut man nicht, hat deine Mutter früher immer gesagt.


Sowas tut man einfach nicht.

Was sollen denn die Nachbarn denken…

Die Leute…

Alle…


Zum  Glück wissen die nicht, was du denkst…!

***

Auf dem Weg zum Bus merkst du, dass dieses Gefühl immer noch da ist. Dieses Gefühl, dass du sie immer noch liebst, dass du immer noch mit ihr zusammen sein willst, dass du – wenn sie heute zu dir zurückkommen würde – sie auch zurücknehmen würdest. Wie viele Monate sind es mittlerweile? Das hört nie auf, glaub ich. Erst, wenn du in Spanien bist. Wenn du weg bist. Du willst ja weg, aber du hast ja deine Tochter noch hier. Was soll sie denn machen, allein mit ihrer notgeilen Mutter. Die mit 43 alle Single-Seiten, die auch nur im Entferntesten auf ihren typ zutreffen, terrorisiert. Außerdem würde es di das Herz brechen, sie einfach so zurückzulassen. Sie ist echt süß. Eine gute Tochter. Gut in der Schule, ruhig, alles. Zu ruhig, haha. Nein, Quatsch.

Obwohl du weg willst und woanders sicherlich glücklicher wärst.

Außerdem ist noch nichts geregelt. Scheidung, alles. Alles ist noch offen. Zum Kotzen. Das ist echt zum Kotzen. Aber sie kann den totalen Krieg nur hinauszögern, nicht verhindern. Das wird sie auch irgendwann begreifen. Begreifen müssen, egal wie verbohrt sie ist.

***

In der Bahn hörst du eine bekannte Stimme. Einen bekannten Akzent. Scheiße! Du traust dich gar nicht in die Richtung der kleinen Frau zu gucken, die  schräg gegenüber von dir ohne Pause Spanisch brabbelt, lacht und weiter quasselt, lacht und

leck mich am Arsch

du würdest diesen Akzent selbst in der Hölle wiedererkennen (da gibt‘s bestimmt auch genug von denen1). Du schielst verstohlen zu ihr rüber. Wie sie lacht. Und redet. 
Permanent. Wie ein Wasserfall. Das können die gut. Mehr aber auch nicht. Lachen und labern. Leute zulabern, bis sie fast vollständig eingelullt sind. Bis sie vergessen, wer sie sind. Ehemänner.

blöde Kuh    blöde **************

nicht, dass das nachher noch eine Freundin von Nadine ist

leck mich am Arsch

eigentlich hast du diesen Akzent ziemlich lang nicht mehr gehört. In Bus und Bahn. 
Komisch. Früher dauernd und seit du dich getrennt hast, nicht mehr so oft. Komisch.

Und dann fängt der Typ auch noch an. Dass er bei der überhaupt zu Wort kommt, grenzt schon an ein Wunder. Aber sein Akzent ist tatsächlich noch schlimmer: Genau wie der von Rafael, dem Schwager von Nadine. Der ihr damals auf Schritt und Tritt gefolgt ist, wie ein kleines Hündchen. Mit umso größeren Schwanz, wie er die bei jeder Gelegenheit aufs Brot schmieren musste. Große Menschen haben einen Kleinen und kleine Menschen einen Großen. Fick dich, du Arschloch. Du hättest ihn damals schon ungespitzt in den Boden rammen sollen, aber du hast es aus Rücksicht auf Nadine nicht gemacht. Und jetzt geht es nicht mehr. Aber wer weiß: Man sieht sich immer zweimal im Leben.

Du denkst undenkbare Sachen, denkst du Qualen für dieses „nette“ Pärchen aus, die du nicht zu Papier bringen kannst, ohne von Google komplett gesperrt zu werden. Wie hieß das noch mal in Argentinien. La parilla? Der Grill. Genau. Das ham die die Frauen und Männer während der Pinochet-Diktatur an einen Eisengrill angeschlossen. An bestimmten Stellen. Oh, wenn ich doch diese Macht hätte.

Dann kommt sie dir ganz nah, die Kleine. Du siehst das sie keine Freundin von Nadine ist, zuminest keine der üblichen. Der üblichen Verdächtigen. Sie ist eigentlich noch richtig jung, hat eine kleine Stupsnase. Noch ganz jung. Fast so wie deine Tochter. Eure Tochter. Unschuldig.


Aber trotz allem bleibt dieses Gefühl. Dass du...

...dass sie dir besser nicht im Dunkeln begegnen...