Mittwoch, 6. Juli 2016

Sleeping Beauty









Wie sie da liegt und schläft, meine Tochter. So friedlich. So ruhig. Not a care in the world. Das Leben kann so einfach sein. Sie ist so süß. Sie ist immer noch meine Kleine. Meine kleine Tochter. Das wird sie auch immer bleiben. Obwohl sie nächstes Jahr schon 18 wird.

So verletzlich. So zerbrechlich. Ich weiß noch, wo sie klein war. So klein. Ein schönes Kind. Sie war immer ein hübsches Kind

Habe ich es geschafft, ihr den Aufenthalt auf dieser Erde so einfach wie möglich zu machen?

Sie schläft auf dem Bauch. Dominant. Genau wie ihre Mutter. Ich selbst schlafe eher auf der Seite. Auf der einen oder auf der anderen, immer abwechselnd.

Ich bewege mich extra leise, damit sie nicht aufwacht. Damit sie weiterschläft. Das hat sie sich verdient. Jetzt, wo sie Ferien hat. Nach diesem langen Schuljahr. Voller "Pädo-Lehrer", wie sie immer sagt.


Plötzlich klingelt ihr Telefon und eine Voice-Mail meldet sich. „Was ist eigentlich mit Samstag? sagt eine rheinische Mädchenstimme. Keine Ahnung, wer das ist. Ich glaube, das ist Jacqueline, ihre beste Freundin. Aber sicher bin ich mir nicht. Die hören sich irgendwie alle gleich an, die haben irgendwie alle den gleichen fetten rheinischen Akzent. Genau wie deine Schwester damals. Sie blickt kurz und ein bisschen verdattert auf das Display und dreht ihren Kopf dann wieder weg vom Handy in Richtung Schrank und legt sich wieder schlafen.

So süß. Du bist so unglaublich stolz auf deine Tochter, so voller Liebe für sie, dass es fast schon wehtut. Du bist jetzt fast schon 40 und sie ist fast schon 18. Krass. Wie die Zeit vergeht. Unglaublich. Aber heute, hier mit ihr, bist du und kannst du nur glücklich sein. Das musst du neidlos anerkennen.

Und das will Nadine dir und ihr kaputtmachen, nur um ein bisschen Unterhalt zu kassieren. Das deutsche Scheidungsrecht ist schon kurios… Aber das kann sie vergessen. Das kann sie knicken, die blöde Kuh. Das ist ein lupenreines Wechselmodell und wenn sie anderer Meinung ist, soll sie mich eben verklagen.

Wie dein Vater das immer so lässig sagt: Dann soll sie mich eben verklagen, wenn sie was will…!

Im Fernsehen läuft Bares für Rares. Du magst diese Sendung, wo normale Leute versuchen, Antiquitäten oder Kuriositäten an professionelle Händler zu verkaufen.

Es sind die kleinen Freuden… Marías Handy klingelt noch einmal, aber sie verschläft es und dann ist es leise. Draußen zwitschern die Vögel, das Fenster ist auf, die Luft mild, nicht zu heiß und nicht zu kalt, du schreibst und erlebst eine weiteren, authentischen Vater-Tochter-Moment.

Dann bewegst du dich und sie wacht auf, guckt sich kurz um und dreht dann ihr Gesicht dir zu. Ihr schönes, fast schon makelloses Gesicht. Schließlich gibt sie für diese komische Schminkpalette (ich weiß, ich bin ein Mann!) 20 Euro aus. Aber daran liegt ihre Makellosigkeit nicht.

Du traust dich gar nicht hinzugucken. Wie gerne wärst du auch noch mal so jung. Mit 18 hast du Nadine kennengelernt. Im Ysabeau, dieser Latino-Disko in Bonn. Die es mittlerweile gar nicht mehr gibt. Zu viel Razzien, zu viele Illegale, vielleicht auch Drogen, wer weiß das schon.

Ihre dünnen Schultern…

Jeder, der behauptet, dass er nicht noch einmal so jung und so (vermeintlich) unbeschwert sein will, der lügt

Erneut klingelt das Telefon. Das heißt: Es vibriert, zweimal. Wieder diese rheinische Stimme. Keine Ahnung, welche jetzt. Wahrscheinlich wieder Jacqueline. Erneut legt sie sich wieder hin, ihr Gesicht wieder in meine Richtung


Dann, irgendwann ist der Zauber vorbei und sie geht auf Klo. Pinkeln. Oder kacken.