Samstag, 9. Dezember 2017

Auf Linie bringen/Dann stirb doch!




Es ist nie zu spät für eine Diät!
(meine Mutter)
  






Heute mache ich Diät! Heute will ich es diesem Körper zeigen! Es kann ja nicht sein, dass mein Körper mich kontrolliert. Die Kontrolle über meine Gedanken übernimmt. Mir sagt, dass ich immer mehr essen soll. Nein, heute breche ich den Willen meines Körpers! Fange schon um 14 Uhr damit an, nicht mehr zu essen. Heute werde ich den absoluten Weltrekord an Stunden ohne Essen brechen! 17 Stunden 42 Minuten. Wenn ich ab 14:00 nichts mehr esse, erreiche ich das schon morgen um 8 Uhr Morgen früh! Und wenn ich dann weitermache… 



…dann kann ich auch später, um kurz nach neun, wenn ich in Bonn ankomme, zu Mr. Baker gehen. Und diese Laugenzunge, Laugenpizza oder wie das Ding auch immer heißt essen. Mit dick Käse und Tomaten und Dill oder Kräuter und keine Ahnung, was sonst noch… Dazu noch eine kleine Geflügelrolle im Käsemantel (also die Luxus-, Extra-fettig-Version. Nach mehr als 16 Stunden Intervallfasten kann ich mir das ruhig mal gönnen. Obwohl das dann manchmal auch zum Problem wird: Dann esse ich nämlich so viel, dass das Fasten nichts bringt: Geflügelrollen, Nudeln ohne Ende, Pizza, Wraps mit Käse, Fisch, Frikadellen (oh, ich liebe Frikadellen, die kleinen, feinen, aber auch die großen, massigen!) und wieder Nudeln mit Spinat und Tomatensauce…und spüle das Ganze mit Cola light runter (als ob der Zucker bei der Menge an Fett und Zucker den Braten fett machen würde…). Aber ab jetzt nicht mehr! Ich werde diesen Körper schon kleinkriegen!

(Obwohl: Gehört nicht das Gehirn, was deine Gedanken steuert auch zu diesem Körper, ist es nicht am Ende auch nichts anderes als Fleischmasse – wie die Frikadellen, die du so liebst? Ach, scheiß drauf!)

Ich muss einfach abnehmen. Am Anfang, direkt nach der Trennung, habe ich erstmal jede Menge Kilos verloren, so schmerzhaft, wie das war. Danach aber ging es steil nach oben. So steil, dass sogar Nadine das bei unserem einzigen, letzten Treffen bemerkt und prompt auch erwähnt hat. Und jetzt, lange nach der Trennung, und noch dazu im Winter, gehen die Kilos nur so nach oben, dass mir Hören und Sehen vergeht. Dazu kam dann noch eine Erkältung, währen der ich natürlich nicht Laufen oder zumindest Walken gehen konnte. Unmöglich. Und dann passen einem auf einmal die alten Hemden nicht mehr… Und die Hosen kriegen Löcher zwischen den Beinen (obwohl sie das ja schon dein ganzes Leben lang getan haben – kaum eine Jeans hat länger als zwei Jahre gehalten…) und selbst die früher weiten Hemden spannen an der Brust, so dass deine üppige Brustbehaarung zu sehen ist, sobald du dich ein bisschen bewegst. Wie bei einer Presswurst!

Aber das hört jetzt auf! Sonst kannst du dich bald gar nicht mehr bewegen! Du wirst diesen Körper dominieren, kasteien, limitieren, bis er dir gehorcht.

(Obwohl: Gehört nicht das Gehirn, was deine Gedanken steuert auch zu diesem Körper, ist es nicht am Ende auch nichts anderes als Fleischmasse – wie die Frikadellen, die du so liebst?)

Aber jetzt gehst du erstmal raus. Schnappst ein bisschen frische Luft in dieser kalten Dezembernacht. Aber nix mit Kälte. Kaum bist du hinter der Halle in die dunkle Gasse getreten, riechst du diesen trotz der Kälte (oder gerade wegen dieser) sehr intensiven Bratengeruch und denkst: Scheiße, was ist denn das? Und dann: Scheiße, riecht das gut!

Und gehst schnurstracks wieder rein, wieder in die Halle zurück.

Aber morgen, morgen fährt dich ja der Robert. Der jetzt fast dein Nachbar ist, in Meckenheim. Dann kannst du ja gar nicht vor eurer Besprechung zu Mr. Baker!
Dir wird schon beim Gedanken daran schwindelig – aber das kann auch an dem Stuhl und deiner bestimmt nicht gesunden Sitzhaltung liegen (ebenfalls eine Konsequenz deines Übergewichts, deines Adipositas – ja, sprich es ruhig aus, wie damals der Kardiologe, denn das ist kein normales Übergewicht mehr!)


…und wenn der dich morgen fährt…und du vor der Besprechung nicht mehr an einer Bäckerei vorbeikommst (was wahrscheinlich ist)…dann wird das ja noch länger…dann werden das ja locker mal eben zwanzig Stunden! Dann musst du dir danach in Meckenheim was holen. In irgendeiner Bäckerei. Oder dir zu Hause was machen. Scheiße, nicht dass du das nicht durchhältst…

Und plötzlich kriegst du wieder Angst. Angst vor der eigenen Courage sozusagen. Denkst: Und wenn das jetzt gefährlich wird? Wenn dein Blutdruck auf Grund des Nährstoffmangels massiv absinkt? Und wenn du umkippst? Und stirbst?

Dann bist du tot…

Aber dann denkst du wieder: Ach, scheiß drauf! Sagst sozusagen zu deinem Körper: Dann stirb doch! Mir doch egal! Wenn du dich traust… Außerdem ist Übergewicht (Adipositas!) mindestens genauso gefährlich! Ich werde dich schon kleinkriegen! Ich werde dich schon auf Linie bringen! Auf eine schlankere Linie…