Samstag, 25. November 2017

Ist es das wert?












Sie ist so eine gute Tochter. Sie geht sogar mit mir einkaufen. In ihrem Alter! Das hast du alles nicht gesehen, die ganze Zeit über. Weil du nur eingesperrt warst, in deinem Schmerz, deinem Leid. Sie ist ein gutes Kind. Weil sie dein Kind ist. Aber du bist kein guter Vater. Du gibst ihr nicht das, was sie wert ist. Was sie braucht. Diese verfickte Welt. Nein, DU! DU! DU musst was tun! Und was? Eine Bank überfallen? Du musst den Arsch hochkriegen. Aber das ist so scheiß schwer, wenn du keinen Bock mehr hast






Das kann es doch auch nicht sein, oder?! Diese Scheiße. Hin und her jede Woche. Wir wollen sie doch beide. Wir lieben sie doch beide. Kann man sich da nicht zusammenraufen? Ist das die schöne, neue bunte Welt. Die Patchwork-Welt. Ich bin doch bestimmt besser als irgendein neuer Stecher. Der noch nicht mal Maris Vater ist. Was für ein Arschloch. Eier ab, sag ich nur. Das Einzige, was das macht, ist nur die Gesellschaft kaputt. Kein Wunder, dass wir keinen Zusammenhang mehr haben in Deutschland, keine Werte mehr. Wenn man bei den ersten Schwierigkeiten, beim ersten Mal, wo es keinen Spaß mehr macht, direkt alles in den Wind schießt. Die ganze Zeit nur Spaß geht sowieso nicht, das weiß doch jeder. Also…

Mir hängt immer noch dieser Film nach. Dieser norwegische oder schwedische Film (macht ja keinen großen Unterschied). Einer nach dem anderen. Wo diese Mafia-Typen, diese Serben im Auto sitzen und den Sohn des anderen einheimischen Mafiosi beobachten, der im Wechselmodell bei Mama und Papa lebt und der eine sagt: „Die Leute hier teilen sich sogar ihre Kinder… Ihre Kinder! Ein beklopptes Volk!“

Ich werde sie später mal anrufen. Fragen, wie das Boxen war gestern. Da hast du sowieso keinen Bock mehr drauf. Bei diesen ganzen Kriminellen. Aber egal: Was sollst du schon sagen?! Sie ist 18. Du hast eh nichts mehr zu sagen. Aber sie wird immer dein Kind bleiben. Deine kleine Tochter. Du klingst wie Eminem. Kein Wunder, dass du den magst. Der böse Mann, der ein guter Vater ist. Aber ein schlechter Ehemann. Ach diese ganze Fickscheiße

Vielleicht ist das wirklich, weil du Depressionen hast. Weil du von klein auf denkst, dass dieses Leben es nicht wert ist. Weil du sowieso irgendwann sterben wirst. Weil dir dieses Leben nichts gibt. Außer langsames Altern und einen schmerzhaften Tod. Keine Ahnung, wie die anderen das aushalten. Wie die das ertragen. Die Tatsache, dass sie sterben werden, dass sie irgendwann sterben müssen. Die können sich besser was vormachen. Aber am Ende ist es nur das. Dass sie sich was vormachen. Das ist wie Zafón das sagt: Wenn wir die Realität unseres Leben nur einen Tag lang sehen würden, würden wir durchdrehen oder von der Brücke springen. Recht hat er. Wenn sie dir eh alles nehmen, wozu sich dann anstrengen?! Wenn dieses Leben dir eh am Ende – oder ganz langsam – alles nimmt

Wie dich deine „Mutter“ dafür gehasst hat, als du das gesagt hast: Dass wir alle eh sterben müssen. Sterben werden. Nach der Trennung. Dabei war es doch nur die Wahrheit. Die Wahrheit, die du schon dein ganzes Leben lang mit dir herumgetragen hast. Das wollte sie nicht hören, konnte sie nicht hören. Aber bist du deswegen verrückt, wenn du etwas sagst, was nur der Wahrheit entspricht. Ach, diese hässlichen, realitätsverweigernden alten Alt-68er…nichts ist schlimmer!

Ich muss unbedingt Kelman lesen. Ich verstehe ihn jetzt, glaube ich

Mit seinen Sätzen ohne Punkt

Das hast du dein ganzes Leben lang gedacht, seit du damals mit 15 nachts wach im Bett lagst. Dass das Leben nichts wert ist. Wenn es dich sowieso nur tötet. Nur langsamer als ein Killer, der dir einen Kopfschuss gibt. Obwohl: Manchmal auch schneller. Wie vor Jahren, als du fast gestorben wärst. Mit 31. Deinen Geburtstag im Krankenhaus verbracht hast. Und dachtest: So schnell kann das gehen

Kein Licht gesehen hast, als du denen in der Notaufnahme von der Liege gekippt bist

Nur lauter Ärzte um dich herum, lauter Ärzte um dein Bett herum (wie du im ersten Moment dachtest), was machen denn die ganzen Ärzte hier, bei dir zu Hause, um dein Bett herum

Kein Licht

Aber vielleicht warst du einfach noch nicht tot genug