Beim 7:1 gegen Brasilien
waren wir Zuhause. Nicht so sehr, weil wir Angst gehabt hätten, gegen Brasilien
zu verlieren und dann draußen beim Public Viewing vor den wenigen Brasilianern
und Brasilianerinnen Baden zu gehen.
Nein: Wir blieben Zuhause, weil wir uns kurz vor dem Spiel gestritten hatten. Keine Ahnung warum. Es waren immer dieselben Themen: Ihre Familie, ihre Familie und ihre Familie. Genauer gesagt: Ihr Schwager Rafael und ihre Schwester Slainté und Mandy. Meine Eifersucht auf ihren Schwager und ihre Familie und überhaupt jedes männliche Wesen von hier bis Köln und ihre ständig wachsende Gleichgültigkeit mir gegenüber. Ich klammerte und sie entzog sich. Ich schrie und tobte und sie schwieg und schmollte.
Wir haben uns eben immer gut ergänzt, auch im Streit. Beide Experten in Formen des emotionalen Missbrauchs, der emotionalen Erpressung, sie immer von oben herab, ich immer von unten den Berg hinauf kämpfend. Keine Chance. Keiner einen Deut besser.
Nein: Wir blieben Zuhause, weil wir uns kurz vor dem Spiel gestritten hatten. Keine Ahnung warum. Es waren immer dieselben Themen: Ihre Familie, ihre Familie und ihre Familie. Genauer gesagt: Ihr Schwager Rafael und ihre Schwester Slainté und Mandy. Meine Eifersucht auf ihren Schwager und ihre Familie und überhaupt jedes männliche Wesen von hier bis Köln und ihre ständig wachsende Gleichgültigkeit mir gegenüber. Ich klammerte und sie entzog sich. Ich schrie und tobte und sie schwieg und schmollte.
Wir haben uns eben immer gut ergänzt, auch im Streit. Beide Experten in Formen des emotionalen Missbrauchs, der emotionalen Erpressung, sie immer von oben herab, ich immer von unten den Berg hinauf kämpfend. Keine Chance. Keiner einen Deut besser.
Ergebnis 7:1. Die deutschen
hatten über die Südamerikaner gesiegt, aber trotz des hohen Ergebnisses kam es
zwischen Lateinamerika und Deutschland zu keinem Burgfrieden. Eher zu einem
kalten Krieg, den ich immer versuchte durch gezielte Provokationen zu
durchbrechen, auf die sie mit der äußerst kalten Schulter ihres ansonsten sehr
warmen Körpers reagierte. So wog ihr Schweigen mein ständiges „Theater“
mindestens auf, wenn es dieses nicht sogar übertraf. Wenn ich so drüber
nachdenke: Ja, es übertraf mein Theater jedes Mal. So, wie ich mit meinem
Theater damals gegen meine Mutter untergegangen war, gegen Windmühlen gekämpft
hatte, so erging es mir jetzt wieder. Ich saß 10 Zentimeter vor dem Fernseher
und konnte nicht laut jubeln, weil es sie eingeschlossen hatte und sie lag
trotz des guten Ergebnisses halb schlafend im Bett und starrte auf den
Bildschirm, der später bei einem Streit dann sogar noch draufgegangen ist. Gute
Zeiten. Schlechte Zeiten. Ein Leben, das neu beginnt.
Und war da noch die Pizza.
Die sie für mich gekauft hatte, die sie mir mitbrachte, wo ich auf sie gewartet
hatte, in unserer – oder war es nur meine – Fußballstammkneipe. Im Nachhinein
war das die beste Pizza meines Lebens. Das erzähl ich heute noch Yasir, wenn er
mir sagt, ich solle eine Pizza bestellen. Sie brachte sie mit und ich liebte
sie. Die Pizza und sie. Die hatte so dick Käse. Eine perfekte Schicht dicker
Käse. Die Pizza, nicht sie. Sie auch, unter den Füßen und zwischen den Beinen,
haha, aber ich stand ihr beim Thema Körperkäse in nichts nach. Knobcheese.
Das war damals nur eine ganz
normale Champions-League-Partie. Vorrunde. Gruppenphase. Nicht mal ein
besonderer Gegner. Irgendeine kleinere Mannschaft. Und ich war direkt nach der
Arbeit in die Altstadt gefahren und hatte ihr einen Platz freigehalten. Einen
Platz an der Sonne, direkt vor dem Bildschirm, vor der Leinwand, die die da
hatten (denn ich war und bin blind wie ein Maulwurf und das war der einzige
Platz von dem ich überhaupt etwas sah). Wir aßen die Pizza zusammen, hielten
Händchen und redeten Spanisch. Die anderen wunderten sich, dass ich als
Deutscher so gut Spanisch konnte und der Abend verlief gut, obwohl die Bayern
nicht gewannen. Was würde ich heute geben, nur eine Sekunde diese Pizza noch
mal mit Nadine essen zu können…Das war mein letztes gemeinsames Fußballspiel
mit ihr.
Ich mag keinen Fußball mehr.
Das heißt, ich mag ihn noch, aber es ist nicht mehr das Gleiche. Heute hat
Deutschland 3:0 gegen die Slowakei gewonnen und ich habe das Spiel nur
abgehakt. Durchgewunken. Schön, dass Gomez ein Tor geschossen hat. Das war früher
immer mein Lieblingsspieler. Wie ich noch mit ihr Fußball geguckt habe. Zum
Glück bin ich in Tannenbusch, auf der Arbeit, in Klein-Arabien, und es fahren
kaum Autos vorbei. Dieses Jahr ist das auch irgendwie weniger, was meiner Laune
entspricht. In meinem Größenwahn und Narzissmus denke ich, dass das was mit mir
zu tun hat, aber natürlich ist das Quatsch. Vielleicht vermisst sie mich ja
auch gerade. Ich heule hier fast. Aber sie hat mich verlassen, wollte mich
nicht mehr, will mich nicht mehr, keine Ahnung warum
Und ich würde am liebsten
auf den Mars geschossen werden. Allein in einer Raumkapsel, aber bitte mit
Internet.
Dann war da noch das
WM-Finale. Streit hatten wir da auch. Wir hatten immer Streit, aber ich glaube
bis heute nicht, dass es besser war, mich zu trennen. Aber vielleicht doch. Es
ist auf jeden Fall so. Beim Deutschland-Argentinien-Spiel ging es noch. Das war
im Sommer. Das Finale der WM. Wir hatten gerade wie erwähnt die Brasilianer geputzt
und uns zum Finale wieder zusammengerafft. Der erhöhte Alkoholpegel war schon
lange mein ständiger Begleiter während dieser Public-Viewing-Exkursionen
gewesen. Ich trank wie ein Loch. Trinken und mit meiner Frau ausgehen gehörte
schon lange zusammen. Exzessiv trinken, was bei mir nicht viel heißt. Schon bei
zwei Weizen werde ich fröhlich. Und laut. Und mit Nadine als Backup. Dabei hat
sie das nie richtig verstanden. In echt trank ich nicht gegen sie, sondern für
sie. Um sie irgendwie verzweifelt zu beeindrucken. Ich trank um lustiger zu
sein. Und wie alles, was ich tat, um sie zu beeindrucken, ging das voll in die
Hose. Immer mitten in die Fresse rein. Aber vielleicht trank ich auch, weil ich
frustriert war. Keine Ahnung. Oder aus beiden Gründen gleichzeitig. Um sie zu beeindrucken
und vor den Kopf zu stoßen. Weil ich frustriert war und ihre Aufmerksamkeit
brauchte, wie die Luft zum Atmen. Frustriert, weil auch ich mehr wollte: Mehr
Spaß, mehr Sex, mehr Leben. Hier eine Warnung an alle Kinder und
kleingebliebenen Erwachsenen: Macht das nicht, wenn ihre eine Frau beeindrucken
wollte. Es gibt viel bessere Methoden: Ein Haus bauen, ein Schiff kaufen,
befördert werden, sie zu beschenken, alles Mögliche. Aber wenn ihr anfangt zu
saufen, weil ihr denkt, das sei cool, dann seid ihr schon auf dem absteigenden
Ast. Auf dem Abstellgleis. Wie ich damals. Beim Argentinien-Spiel war die
Stimmung schon irgendwie angesäuert. Ich trank und schimpfte und beleidigte arme
unschuldige Argentinierinnen und als Deutschland Weltmeister war sang ich aus
vollem, betrunkenem Hals die ganze Zeit FC
Bayern.
FC Bayyyern
FC Bayyyern
FC Bayyyern
FC Bayyyern
Was natürlich irgendwie
nicht passte, weil das Deutschland war und nicht der FC Bayern. Obwohl,
andererseits bestand Deutschland zu einem hohen Prozentsatz aus dem FC Bayern. Aber
es ging mir um was ganz anderes: Ich wollte Anerkennung, wollte nicht geächtet
sein als Bayern-Fan, von ihr, von der Welt. Kriegte ich natürlich nicht. Wie
immer.
Am Ende zog sie mich lediglich
ein bisschen mitleidig da raus, obwohl mir diesmal keiner ans Leder wollte.
Denn alle waren glücklich, weil Deutschland Weltmeister geworden war. Aber es
war nicht mehr das Gleiche. Schon lange nicht mehr. Vielleicht seit 2013 schon
nicht mehr. Seit dem Champions-League-Finale.
Bei dem wir uns sage und
schreibe durch die gesamte erste Halbzeit gestritten hatten. Inklusive
Bayern-Tor und Dortmund-Ausgleich Keine
Ahnung, worum es ging. Aber wie schon oben gesagt: Die Themen waren
austauschbar. Wie immer in Beziehungen. Es ging vielmehr um den Streit selbst.
Die Friktion, die Reibung. Aber wenn der Streit das einzige und das letzte
Mittel ist, um für Reibung zu Sorgen, dann ist es um die Beziehung nicht mehr
sonderlich gut bestellt. Mehrmals drohte sie mir passiv-aggressive damit, zu
gehen und ich konnte das gerade so abwenden. Denn was sollte ich denn alleine
in diesem Scheiß-Irish-Pub in Endenich?! Ohne sie hätte das ja gar keinen Spaß
mehr gemacht. Mit ihr zwar auch nicht so richtig, aber besser als ohne sie. Und
das wusste sie. Das wusste sie ganz genau. Und blieb. Gerade so. Ich sah die
Schriftzeichen auf der Wand natürlich nicht, blind und inzwischen von ihr
abhängig, wie ich mittlerweile war. Abhängig wie von Kokain. Südamerikanischem
Kokain. Ich kann das bis heute nicht verstehen. Sie sah noch nicht mal so gut
aus und so gut war sie auch nicht im Bett (ich allerdings auch nicht). Auf
jeden Fall waren wir uns am kloppen wie die Kesselflicker und wurden nur von
dem Bayern-Tor unterbrochen. Und dann noch mal von dem Dortmund-Tor. 1:1.
Unentschieden. Aber in unserer hatte sie
schon lange die Oberhand. Und was mache ich, wenn eine Frau die Oberhand hat.
Ja, genau: Theater. Eine Sondervorstellung an diesem Abend. Denn damals war
Lewandowski noch bei Dortmund und spielte auch nicht besser als bei den Bayern.
Versagte sang- und klanglos in den wichtigen Spielen. Scheiterte so oft an
Neuer, dass er es glaub ich irgendwann in der zweiten Hälfte aufgab. Was die
Polen hinter mir nicht amuste. Und
mich umso schadenfreudiger werden ließ. Ich hatte auch keinen Bock auf die
Arschlöcher. Was vielleicht daran lag, dass ich selber ostpreußisches Blut in
meinen Adern hatte. Oder vielleicht auch daran, dass der Typ, der alte Gockel,
der mit Nadine und ihren Schwestern und María und der Tochter ihrer Schwester
zum Nacktbaden gegangen war, ein Pole war. Was für ein Hurensohn. Wie konntest
du da nur da mitgehen? Du warst doch damals legal in Deutschland? Wie konntest
du dich da nur einfach so entblößen, vor denen, wenn du Zuhause so prüde bist?
Das passt doch nicht zusammen. Und welcher Mann nimmt schon Kinder mit, wenn er
auf die Mütter steht? Wer macht so was?
Lange Rede, kurzer Sinn:
Mitte der zweiten Halbzeit hatte ich vier Polen an meinem Hals, die mich fast
geschlagen hätten (taten sie natürlich nicht, die Feiglinge), hatte einen von
ihnen damit bedroht, ihm eine Kugel zu verpassen (als ob ich eine Pistole
hätte!) und wurde von Nadine da rausgezogen und von dem Kellner (diesem bloody son of a bitch) rausbegleitet. Während diese
Arschlöcher dableiben konnten. Wo leben wir denn? Und wem gab Nadine die
schuld? Klar, mir. Ok, ich hatte die Schuld, aber die etwa nicht. Mit vier Mann
auf einen. Was für Wichser! Was für Feiglinge! Unter gegenseitigen
Schuldzuweisungen suchten wir uns also die nächste Kneipe, Aus der ich dann
auch fast wieder rausgeflogen bin, aber…
…am Ende rettete Robbens Tor
den Abend. Robben, dieser Wichser hatte die Bayern zum Champions-League-Sieg
geschossen. Mit einem Kullerball. Und alles schien wieder gut zu sein, als ich
laut singend FC Bayern singend durch die Straßen Endenichs nach Hause ging,
Nadine immer an meiner Seite.
Mannomann, so eine bisschen
Rassismus, ein bisschen Opposition gehört schließlich zum Fußball. Ich muss ja
auch irgendwo meinen Spaß haben, wenn du die ganze Zeit mit alten polnischen
Gockeln und Kind und Kegel nackt baden gehst. Aber das war ein Riss in unserer
Beziehung und unserer Liebe zum Fußball. Oder meiner Liebe zum Fußball, denn
ich weiß bis heute nicht wirklich, was ihr das alles wirklich gab. Denn mehr
als einmal schlief sie bei einem Bayern-Spiel einfach so vor dem Fernseher ein.
Was mir nie passiert wär. Und einem echten Bayern-Fan auch nicht. Wie ihr
Neuer. Der auch Bayern-Fan ist. Und sie wahrscheinlich genauso aufwecken muss,
wenn sie während eines Halbfinales wieder einmal einnickt.
Und dabei hab ich das alles
nur gemacht, um sie zu beeindrucken (ein herrlicher Plan!).
Oder weil ich frustriert
war? Weil ich raus wollte aus dieser Beziehung? Weil ich Spaß haben wollte?
Weil ich mein eigenes Leben leben wollte, ohne sie? Weil ich mehr Spaß, mehr
Sex (und vor allen Dingen: mit anderen Frauen!) und mehr Leben wollte? Weil sie
mich einengte?
Trotzdem ist und bleibt
diese Pizza, die ich damals mit ihr in der Fußballkneipe (auch noch des 1. FC
Kölns!) gegessen habe die Beste meines Lebens
Was würde ich nicht dafür
geben
Morgen gehe ich zu
Spanien-Italien
wenn das Wetter gut ist