Sonntag, 5. Juni 2016

Schäm dich! (Fortsetzung)









Ich weiß noch, der Mark auf der Arbeit, wie der mal so einen Kommentar gemacht hat. Einen komischen Kommentar. Von wegen, der **** kennt sich aus mit alten Frauen. Älteren Frauen. Oder hat er doch „alten Frauen“ gesagt?

Du hast es einfach runtergeschluckt, wie immer, wie du alles in deinem Leben runtergeschluckt hast. Du hast wie immer nichts gesagt. Was sollst du auch sagen, beim Sohn vom Chef?! Dabei hast du sie geliebt. Obwohl du dich gleichzeitig für sie geschämt hast. Obwohl das weniger geworden ist, je älter du wurdest.

Aber nie ganz aufgehört hat. Wie sie sich wohl gefühlt hat dabei

Aber warum konnte sie sich nicht auch ein bisschen rausputzen, nur ein bisschen? Ein bisschen schöner machen für mich?



Du weißt noch, wo du sie letztes Jahr – das war schon ein paar Monate nach der Trennung – durch Zufall in der Bahn getroffen hast. Als du von deiner Mutter aus Kessenich kamst. Wie durch Zufall.

Das war sie, die da saß, genau das, wo du eingestiegen bist. Aber im ersten Moment erkanntest du sie fast nicht mehr wieder. So, wie du sie mittlerweile in deinen Gedanken an die gute alte Zeit zu zweit idealisiert hattest. Aber das war die echte Nadine. Mit diesem dicken Wollpullover aus Ecuador, der mit den Lamas, den du immer so geliebt hattest und auch für dich wolltest. Obwohl es eindeutig ein Damenpullover war und nicht für Herren. Aber egal.

Sie saß da und du sahst sie direkt. Warst aber auch ein bisschen erschrocken. War das wirklich die Frau, die Frau, der du nachgerannt warst, für die du dein Leben gegeben hättest, wenn sie nur einen Tag, eine Stunde, eine Minute zu dir zurückgekommen wäre? Diese kleine, schon älter wirkende Südamerikanerin mit der langen Nase, dem komischen, unförmigen Topfschnitt und den deutlich sichtbaren Falten – nicht nur um die Augen? War das wirklich, die Frau, die Conchita als deine große Liebe abgelöst hatte? Der du jetzt so nachtrauerst, nachtrauertest, dass keine Minute verging, in der du nicht an sie denken musst, musstest?

Irgendwie war dir das auch ein bisschen peinlich, war sie dir auch ein bisschen peinlich, selbst jetzt noch, wo sie weg war.

Aber trotzdem kommst du bis heute nicht von ihr los.


Hatte ich das nicht verdient, dass sie sich wenigstens ein bisschen zurechtmacht für mich? Nur ein bisschen. Oder hatte sie das am Anfang und hatte dann langsam gemerkt, dass du sie nicht so nahmst wie sie war. Dass du sie nicht so akzeptiertest wie sie war. Klein, fünf Jahre älter, schon immer faltig. Dass sie dir insgeheim und doch so offensichtlich immer ein bisschen peinlich war…

Es tut weh, das zu schreiben. Aber es gehört dazu, zu deiner Wahrhaftigkeit. Zu der Wahrhaftigkeit, wie Freud das nannte. Es gehört dazu, zu einem vollen Verständnis der Situation, eurer Beziehung. Sonst fehlt dir was, lieber Leser. Sonst verstehst du das nicht. Sie konnte nichts dafür.

Oder ist es nur ein billiger Versuch, mein persönliches closet zu säubern, meinen persönlichen Abstellraum oder Speicher oder? Mich an meinen und ihren Leichen im Keller zu weiden wie ein „Leichenfledderer“, wie meine Mutter das immer so morbide schön oder schön morbide ausdrückte. Ist Eminems Lied Cleaning out my closet, das er heute nicht mehr hören kann, ohne innerlich zusammenzuzucken, wirklich eine Seelenreinigung oder eine späte Abrechnung mit seiner Mutter? Oder beides? Hat er durch dieses und andere Lieder eine „Katharsis“ erreicht? Oder hat es ihn noch weiter, noch tiefer in den Dreck gezogen. In den Schmutz seines Lebens, seiner Vergangenheit. Aber vielleicht muss ich mir auch gar keine Gedanken über diese Fragen machen: Denn ich bin nicht Eminem und diesen Blog liest eh keine Sau. Ich habe null Follower während Eminem wie viele hat? 200 Millionen? Ich bin nur ein armer Wichser, während Eminem ein anerkannter Rap-Star und Künstler ist, der weltweit Fans hat. Ich bin nur ein Riesenarschloch, während er ein Riesenarschloch mit viel Geld, Frauen und einem tollen Job ist. Zumindest von außen gesehen

Aber was bin ich nur für ein feiges Arschloch. Was war ich nur für ein feiges Arschloch. Anstatt zu meinen Gefühlen zu stehen immer nur daran zu denken, was die Leute von mir denken

Wo die Liebe hinfällt…

…da fällt auch der Hass hin. Früher oder später.

Aber auch der Sex war gegen Ende unserer Beziehung Scheiße. Okay, nicht ganz. Männer können Sex nie ganz Scheiße finden, egal mit wem. Aber er war definitiv irgendwie mechanisch. So als ob sie – oder ich? – ein Programm abspulten. Sie oben, ich unten. Wie ein Pferd, das geritten wird. Ein gar nicht mehr so junger Ackergaul, viel zu schwer und ungelenk, um oben zu liegen. Und genau so fühlte ich mich auch, wie ein Tier. Sie macht oben die Bewegungen, fast schon Verrenkungen, damit ich möglichst schnell komme und sie weiter Fernsehen gucken oder schlafen gehen kann. Und mir ist langweilig, weil mir das alles irgendwie mechanisch vorkommt, nicht erst in letzter Zeit. Aber Männer merken sowas nicht so schnell, wenn sie in einer Frau drinnen stecken. Männern ist das bis zu einem gewissen Grad egal, wenn sie nur regelmäßig ihre Muschi bekommen. die Wahrheit ist hart

Heute weiß ich das: Sex ist immer noch besser als keiner, egal wie scheiße oder gefühlsarm er ist