1. Mai 2016
Das war einfach so mies mit
dem Schweigen und dem plötzlichen, kompletten Kontaktabbruch, das ist einfach
nicht mehr entschuldbar.
So sehr kann sie dich ja nicht
geliebt haben.
Oder doch?!
Am Nachmittag wird das
Wetter doch noch schön. Die Sonne
scheint zu den großen, hohen Fenstern der Spielhalle hinein und einige Strahlen
erreichen sogar dich in deinem Aquarium.
Und schon sinkt deine Laune
auf den Tiefpunkt. Du denkst daran, was du früher alles mit Nadine gemacht
hättest, bei diesem Wetter. Und selbst wenn du nichts gemacht hättest, wärst du
wenigstens zu ihr nach Hause gekommen. In ihre Arme.
Du erinnerst dich noch an
ihre Arme. Ihre dünnen Ärmchen, immer aktiv.
Wie konnte sie dich nur
verlassen?
Du hast das Gefühl
irgendwann bekloppt zu werden, in Deutschland. Du willst nicht mehr hier sein.
Gar nicht mehr hier sein. Das wär’s. Wenn María nicht wär, würdest du sofort,
ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, deine Sachen packen und einen Job am
anderen Ende der Welt annehmen. Keine Ahnung, wo. Egal wo. Vielleicht in Asien.
Nicht in Südamerika. Zu viele Erinnerungen.
Heute Morgen lief eine
Reportage über deutsche, die nach Thailand ausgewandert sind. Da geheiratet
haben und ein neues Leben begonnen haben. Die wollen alle nicht zurück. Irgend
so was. Hauptsache weg. Weit weg. Aber María hält dich hier. Sie muss ja
schließlich ihre Schule zu Ende machen. So lange musst du noch aushalten.
Danach ist Schluss. Für immer
Ich weiß, dass im Ausland
nicht alles Gold ist, was glänzt, aber in Deutschland glänzt wirklich gar
nichts. Vielleicht liegt es an mir. Vielleicht ist das ein schönes Land.
Vielleicht brauche ich auch einfach nur einen Tapetenwechsel.
Kaum schreibe ich dies,
verschwindet die Sonne auch schon wieder hinter Wolken. Ja! Das war nur ein
kurzes Intervall. Was sie wohl gerade macht, ohne dich? Bestimmt ist sie
draußen, genießt das Leben. Und du? Du lebst noch nicht mal mehr. Läufst rum
wie ein gebrechlicher, übergewichtiger alter Zombie. Von einer Arbeit zur
anderen und nichts lässt dich die Tage mit ihr vergessen.
Sie, die dich verlassen hat.
Kalt und herzlos. Ohne zurückzublicken. So, wie sie es damals mit ihrem Freund
in Ecuador auch gemacht hat. Der wusste gar nicht wie ihm geschieht und schon
war seine Freundin, die er wahrscheinlich über alles liebte, in Deutschland.
Weil ihre Schwester sie gerufen hatte. Hat sie überhaupt jemals irgendjemand
geliebt, in ihrem Leben? Danach dieser Olaf. Da hat ihre Schwester gesagt, dass der nichts für
sie wär und sie hat sich von ihm getrennt. So, wie sie sich jetzt von dir getrennt
hat. Kalt und ohne zurückzublicken. Denkst du auch manchmal an mich, Nadine?
Oder sind dir die 19 Jahre scheißegal? Wie Dreck, den man wegwirft. Müll.
Abfall. Unnötigen Ballast. Ohne den man wieder fliegen kann, mit seinen
Landsleuten. Mit seiner Familie, die kaum in Deutschland war, da war er schon
verlassen. Ohne zurückzublicken. Fragst du dich auch manchmal, was ich gerade
mache? Oder ist dir das scheißegal? Dass ich mit mir selbst rede, schreibe und
einfach nicht über dich hinwegkomme.
Denkst
du vielleicht auch mal an mich
Ich hätte eigentlich gewarnt
sein sollen. Damals hat Slainté schon versucht, uns auseinanderzubringen. Als
wir gerade frisch zusammen waren. Wir würden nicht zusammenpassen, hat sie
gesagt. Und Nadine hätte mich fast verlassen. Wieder auf Geheiß ihrer
Schwester. Wie Juan in Ecuador, Olaf in Deutschland und jetzt mich. Aber ihre
Schwester, ihre Scheiß-Schwester hat das Recht, glücklich zu sein. Da funkt
Nadine nicht dazwischen. Mit diesem Pädo Rolf. Oder mit ihrem jetzigen Mann,
der sogar ein bisschen Portugiesisch kann. Warum wohl? Wofür der das wohl
braucht? Ist nicht Portugal…? Genau...
Sie hat ja auch alle Karten
in der Hand. Sie weiß ja, dass ich hier bleiben muss. Und dass ich hier nicht
neu anfangen kann. Es im Leben nicht könnte. Weil mich einfach alles an sie
erinnert. An die Zeit mit ihr, die nicht glücklich war, aber immerhin
Sie ist glücklich, scheißt
auf mich und was ist mit mir? Wer fragt nach mir? Niemand. Wie in diesem
Johnny-Cash-Lied. Nobody.
Well, I ain’t never done nothin’ to nobody
I ain’t never got nothin’ from nobody
Cash, der Sänger unserer
Trennung. Denn ich nach dem Tag X gehört habe, immer wieder. Um zu verstehen,
was ich vielleicht nie verstehen werde. Wie sie mir das antun konnte.
Don’t you know how much I love you…
…in this darkness
Das Lied am Ende von Colombiana. Wo sie ihn verlässt. Aber
nicht, weil sie will oder weil sie ihre Familie mehr liebt, sondern weil sie
keine andere Wahl hat.
Weißt du wie, wie weh du mir
damit getan hast? Weißt du das, du Arschloch? Du kleines ********* Arschloch?
Und weißt du, wie sehr ich dich noch liebe.
Ich bin wie der alte Cash in
dem Video, der sich wehtut, damit er weiß, dass er noch lebt. Weil er wissen
will, ob er noch etwas fühlt. Weil das Einzige, was echt ist in seinem Leben
der Schmerz ist. Was ist aus mir geworden, dem schüchternen Jungen aus
Kessenich. Wie Jesus trage ich die Dornenkrone auf meinem Kopf. Voll von
zerbrochenen Gedanken. Unter den Flecken der Zeit verschwinden die Gefühle. Du
bist irgendwo anders, ich bin noch hier. Jeder, den ich kenne geht am Ende weg.
Ich werde dich verletzen
Wenn ich neu anfangen
könnte, eine Million Meilen weit weg, würde ich einen Weg finden
Und das Schlimmste ist, dass
ich bei all dem weiß, dass sie all diese Gefühle gar nicht verdient hat. Weil
sie gegangen ist. Ohne wiederzukommen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Ohne mir
den Hauch einer Chance zu geben. Auch nur den Hauch einer Chance. Aber wir
werden alle sterben. Irgendwann. Irgendwann hätte ich mich eh von ihr trennen
müssen.
Für immer.
Sie hat die Gefühle nicht
verdient, aber an Gefühlen macht man nichts. Da määst de nix, wie man
hier so sagt. Die kann man nicht abstellen. Sich rausschneiden. Man kann sie
ignorieren, aber noch nicht mal das schaffe ich. Es sind immer die Kalten, die
Rücksichtslosen, die, die nichts fühlen, oder zumindest nicht so viel, die
diese Gefühle hervorrufen. Genau weil sie nichts fühlen, weil es ihnen
scheißegal ist, was man, was ich fühle. Das ist immer so
Die Arschlöcher rufen
Gefühle hervor, derer sie sich noch nicht mal bewusst sind
Aber vielleicht war ich ja
genau so ein Arschloch in unserer Ehe
Ich mag vielleicht den
Atomkrieg überleben, aber diese Trennung nicht. Ein Teil von mir ist jetzt
schon gestorben, ich warte nur noch auf den Rest
Und während ich warte,
erinnere ich mich an alles. Wie Johnny Cash
Genau wie Cash bin ich auch
nur ein Lügner mit Dornenkrone
Du bist jemand anders und
ich bin immer noch hier
Während die Strahlen der
Sonne mein Haupt finden