Montag, 2. Mai 2016

Johnny Cash Hurt



1. Mai 2016










Das war einfach so mies mit dem Schweigen und dem plötzlichen, kompletten Kontaktabbruch, das ist einfach nicht mehr entschuldbar.

So sehr kann sie dich ja nicht geliebt haben.


Oder doch?!




Am Nachmittag wird das Wetter doch noch schön. Die Sonne scheint zu den großen, hohen Fenstern der Spielhalle hinein und einige Strahlen erreichen sogar dich in deinem Aquarium.

Und schon sinkt deine Laune auf den Tiefpunkt. Du denkst daran, was du früher alles mit Nadine gemacht hättest, bei diesem Wetter. Und selbst wenn du nichts gemacht hättest, wärst du wenigstens zu ihr nach Hause gekommen. In ihre Arme.

Du erinnerst dich noch an ihre Arme. Ihre dünnen Ärmchen, immer aktiv.

Wie konnte sie dich nur verlassen?

Du hast das Gefühl irgendwann bekloppt zu werden, in Deutschland. Du willst nicht mehr hier sein. Gar nicht mehr hier sein. Das wär’s. Wenn María nicht wär, würdest du sofort, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, deine Sachen packen und einen Job am anderen Ende der Welt annehmen. Keine Ahnung, wo. Egal wo. Vielleicht in Asien. Nicht in Südamerika. Zu viele Erinnerungen.

Heute Morgen lief eine Reportage über deutsche, die nach Thailand ausgewandert sind. Da geheiratet haben und ein neues Leben begonnen haben. Die wollen alle nicht zurück. Irgend so was. Hauptsache weg. Weit weg. Aber María hält dich hier. Sie muss ja schließlich ihre Schule zu Ende machen. So lange musst du noch aushalten. Danach ist Schluss. Für immer

Ich weiß, dass im Ausland nicht alles Gold ist, was glänzt, aber in Deutschland glänzt wirklich gar nichts. Vielleicht liegt es an mir. Vielleicht ist das ein schönes Land. Vielleicht brauche ich auch einfach nur einen Tapetenwechsel.

Kaum schreibe ich dies, verschwindet die Sonne auch schon wieder hinter Wolken. Ja! Das war nur ein kurzes Intervall. Was sie wohl gerade macht, ohne dich? Bestimmt ist sie draußen, genießt das Leben. Und du? Du lebst noch nicht mal mehr. Läufst rum wie ein gebrechlicher, übergewichtiger alter Zombie. Von einer Arbeit zur anderen und nichts lässt dich die Tage mit ihr vergessen.

Sie, die dich verlassen hat. Kalt und herzlos. Ohne zurückzublicken. So, wie sie es damals mit ihrem Freund in Ecuador auch gemacht hat. Der wusste gar nicht wie ihm geschieht und schon war seine Freundin, die er wahrscheinlich über alles liebte, in Deutschland. Weil ihre Schwester sie gerufen hatte. Hat sie überhaupt jemals irgendjemand geliebt, in ihrem Leben? Danach dieser Olaf. Da hat ihre Schwester gesagt, dass der nichts für sie wär und sie hat sich von ihm getrennt. So, wie sie sich jetzt von dir getrennt hat. Kalt und ohne zurückzublicken. Denkst du auch manchmal an mich, Nadine? Oder sind dir die 19 Jahre scheißegal? Wie Dreck, den man wegwirft. Müll. Abfall. Unnötigen Ballast. Ohne den man wieder fliegen kann, mit seinen Landsleuten. Mit seiner Familie, die kaum in Deutschland war, da war er schon verlassen. Ohne zurückzublicken. Fragst du dich auch manchmal, was ich gerade mache? Oder ist dir das scheißegal? Dass ich mit mir selbst rede, schreibe und einfach nicht über dich hinwegkomme.

Denkst du vielleicht auch mal an mich

Ich hätte eigentlich gewarnt sein sollen. Damals hat Slainté schon versucht, uns auseinanderzubringen. Als wir gerade frisch zusammen waren. Wir würden nicht zusammenpassen, hat sie gesagt. Und Nadine hätte mich fast verlassen. Wieder auf Geheiß ihrer Schwester. Wie Juan in Ecuador, Olaf in Deutschland und jetzt mich. Aber ihre Schwester, ihre Scheiß-Schwester hat das Recht, glücklich zu sein. Da funkt Nadine nicht dazwischen. Mit diesem Pädo Rolf. Oder mit ihrem jetzigen Mann, der sogar ein bisschen Portugiesisch kann. Warum wohl? Wofür der das wohl braucht? Ist nicht Portugal…? Genau...

Sie hat ja auch alle Karten in der Hand. Sie weiß ja, dass ich hier bleiben muss. Und dass ich hier nicht neu anfangen kann. Es im Leben nicht könnte. Weil mich einfach alles an sie erinnert. An die Zeit mit ihr, die nicht glücklich war, aber immerhin

Sie ist glücklich, scheißt auf mich und was ist mit mir? Wer fragt nach mir? Niemand. Wie in diesem Johnny-Cash-Lied. Nobody.

Well, I ain’t never done nothin’ to nobody
I ain’t never got nothin’ from nobody

Cash, der Sänger unserer Trennung. Denn ich nach dem Tag X gehört habe, immer wieder. Um zu verstehen, was ich vielleicht nie verstehen werde. Wie sie mir das antun konnte.

Don’t you know how much I love you…

…in this darkness

Das Lied am Ende von Colombiana. Wo sie ihn verlässt. Aber nicht, weil sie will oder weil sie ihre Familie mehr liebt, sondern weil sie keine andere Wahl hat.

Weißt du wie, wie weh du mir damit getan hast? Weißt du das, du Arschloch? Du kleines ********* Arschloch? Und weißt du, wie sehr ich dich noch liebe.






Ich bin wie der alte Cash in dem Video, der sich wehtut, damit er weiß, dass er noch lebt. Weil er wissen will, ob er noch etwas fühlt. Weil das Einzige, was echt ist in seinem Leben der Schmerz ist. Was ist aus mir geworden, dem schüchternen Jungen aus Kessenich. Wie Jesus trage ich die Dornenkrone auf meinem Kopf. Voll von zerbrochenen Gedanken. Unter den Flecken der Zeit verschwinden die Gefühle. Du bist irgendwo anders, ich bin noch hier. Jeder, den ich kenne geht am Ende weg. Ich werde dich verletzen

Wenn ich neu anfangen könnte, eine Million Meilen weit weg, würde ich einen Weg finden


Und das Schlimmste ist, dass ich bei all dem weiß, dass sie all diese Gefühle gar nicht verdient hat. Weil sie gegangen ist. Ohne wiederzukommen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Ohne mir den Hauch einer Chance zu geben. Auch nur den Hauch einer Chance. Aber wir werden alle sterben. Irgendwann. Irgendwann hätte ich mich eh von ihr trennen müssen.

Für immer.

Sie hat die Gefühle nicht verdient, aber an Gefühlen macht man nichts. Da määst de nix, wie man hier so sagt. Die kann man nicht abstellen. Sich rausschneiden. Man kann sie ignorieren, aber noch nicht mal das schaffe ich. Es sind immer die Kalten, die Rücksichtslosen, die, die nichts fühlen, oder zumindest nicht so viel, die diese Gefühle hervorrufen. Genau weil sie nichts fühlen, weil es ihnen scheißegal ist, was man, was ich fühle. Das ist immer so

Die Arschlöcher rufen Gefühle hervor, derer sie sich noch nicht mal bewusst sind

Aber vielleicht war ich ja genau so ein Arschloch in unserer Ehe


Ich mag vielleicht den Atomkrieg überleben, aber diese Trennung nicht. Ein Teil von mir ist jetzt schon gestorben, ich warte nur noch auf den Rest

Und während ich warte, erinnere ich mich an alles. Wie Johnny Cash

Genau wie Cash bin ich auch nur ein Lügner mit Dornenkrone

Du bist jemand anders und ich bin immer noch hier


Während die Strahlen der Sonne mein Haupt finden