Ich stand immer in der Tür.
Immer, wenn wir Streit hatten.
Und sie wollte immer gehen.
Immer, wenn wir Streit hatten.
Und blieb dann doch am Ende.
Aber nur, weil ich in der
Tür stand.
Sonst wär sie damals schon
für immer weg gewesen. Hundertprozentig. Das weiß ich heute.
Ein paar Mal wollte sie
sogar über den Balkon abhauen (ok, wir wohnten damals auch nur im Erdgeschoss –
aber trotzdem).
Einmal, wo unsere Ehe schon
dem Ende zuging, wollte sogar María vor unserem Streit flüchten. Das war an
Karneval. Unser letzter Karneval. Und wer hat sie zurückgehalten?! Ich, wer
sonst?!
Jedes Mal stellte ich mich
in die Tür und sie schwieg zwar tage- oder am Ende sogar wochenlang, blieb am
Ende aber doch.
Ich weiß noch, einmal legte
ich sogar meine Matratze in den Türbereich und schlief dort, damit sie nicht
gehen konnte.
Sie hätte natürlich auch da
locker vom Balkon in ihre Freiheit
springen können.
Oder am nächsten Tag einfach
wegbleiben können. Bei ihren Schwestern bleiben können. Aber erst als Rafael
und Mandy aus Spanien zurückkamen waren, hat sie wirklich ernst gemacht, hat
sie es wirklich getan.
Vielleicht auch, weil ihre
Schwestern ihr sagten, sie sei unglücklich in ihrer Ehe.
Oder weil sie es war?
Unglücklich.
Einmal, nur ein einziges
beschissenes Mal stellte ich mich nicht in die Tür, und sie war…
…weg. Für immer weg.
Hätte ich es doch bloß
früher getan.
Oder hätte ich es dieses
eine Mal noch mal getan.
Wie nennt das Christina
Zimmermann? In ihrem Buch Die Liebe und
der Psychopath. Angst vorm Verlassenwerden. Ich hatte Angst vorm
Verlassenwerden. Und das wusste Nadine ganz genau. Und hat es eiskalt
ausgenutzt?
Aber vielleicht bin ich ja
auch der Psychopath in unserer Beziehung gewesen. Oder wir beide. Oder keiner
von uns beiden.
Angst vorm Verlassenwerden.
Das ist wie damals, ganz am
Anfang unserer Beziehung, als die Liebe noch frisch war. wo ihre Noch nicht
abgelaufen wie heute. Weggelaufen. Damals, wo ihre Schwester ihr gesagt hat,
dass ich nicht gut für sie sei. Dass ich nicht der Richtige für sie bin. Und
sie sich daraufhin fast von mir getrennt hätte. Am Telefon, das weiß ich noch.
Sie rief mich an und ich saß in meinem Zimmer und versuchte, unsere Beziehung
zu retten. Sie sagte, sie würde meine Sachen vor die Tür stellen. Damals konnte
ich sie noch geradeso vom Gegenteil überzeugen
Ich weiß noch, wie sie mit
ihren Leggings mir in die Arme sprang. Mit ihren dünnen Beinchen. Ihrem warmen
Körper. Von diesem Sprung an waren wir wieder zusammen
Bis heute.
Ihre Schwester hatte gut
reden! Ihre Schwester…die eine Frau geheiratet hatte, um in Deutschland zu
bleiben. Um nicht mehr illegal zu sein. Ihre Schwester…die, wenn sie nicht
Frauen heiratete immer nur mit irgendwelchen Spackos zusammen war. Wie diesem Rudi,
diesem Pädo. Der sie immer nur kritisierte wie ein kleines Kind, das kein
Deutsch kann, das keine Ahnung hat, das sowieso nichts kann. Der sowieso lieber
mit kleinen Kindern spielte als mit ihr – laut Aussage meiner Mutter, die ihn
einmal dabei gestört hatte, seinen sehr ausgeprägten Spieltrieb auszuleben,
während die anderen Erwachsenen draußen grillten. Ihre Schwester, die jetzt
wieder mit einem Mann verheiratet ist, der Portugiesisch kann und Portugal mag
und aussieht wie ein…
Die hat angeblich gesagt,
ich sei nicht gut für ihre Schwester, nicht der Richtige, nicht dies oder das
für sie. Weil sie das ja bestimmen konnte als große Schwester. „Du hättest dir
lieber gleich einen Rudi suchen sollen!“
Und sie hat ohne zu murren
auf sie gehört. Wie jetzt wieder, bei ihrer anderen großen Schwester. Deren
Mann bei ihr, bei uns, ein und ausging. Mit seinem Spruch, dass er den Größten
hat. Große Männer, kleiner…kleine Männer, großer…
Ihre Schwester?
Oder sie?
Trennungsangst. Verlustangst
meiner Kindheit. So nennt das Zimmermann. Die Angst, die Eltern vollends zu
verlieren, die mich nie geliebt haben. Klingt logisch. Vielleicht zu logisch.
Aber was weiß ich denn schon?! Ich hab ja eh keine Ahnung von Tuten und Blasen.