Montag, 16. Mai 2016

Verlustangst








Ich hatte tierisch Angst davor, sie aus irgendeinem Grund zu verlieren. Aus irgendeinem nichtigen Grund. Keine Ahnung warum. Dass sie mir sagen würde, ich will nicht mehr. Was weiß ich, warum. Dass ich irgendetwas falsch machen würde oder sie einfach keinen Bock mehr hätte und ich sie einfach so wieder verlieren würde

Das beschäftigte mich schon, auf dem Weg zu ihr auf dem Fahrrad, mit Oasis auf dem Ohr.

I don’t believe that anybody
feels the way I do about you now

Also benahm ich mich vorbildhaft, versuchte immer krampfhaft extra nett zu ihr zu sein. Nichts falsch zu machen.


Die Angst kam glaub ich aus meinem Glauben, dass ich es nicht wert war, dass ich sie nicht verdient hatte. Dass Gott einen Fehler gemacht hatte.


So war ich froh, wenn ich nach einem weiteren glücklichen Tag mit ihr, bei ihr, in ihr nach Hause zurückkehrte. In mein lieb- und freudloses Zuhause in Bonn-Kessenich. In der Nähe vom Haribo-Werk.

(Achtung: alles natürlich rein fiktiv!)

Damals dachte ich: Endlich hat mir jemand die Liebe gegeben, nach der ich mich so gesehnt habe, all die Jahre. All die sterilen, einsamen, traurigen Jahre meiner Jugend, allein in meinem Zimmer, Videos am Gucken, mir einen runterholend.

Zum ersten Mal gab mir eine Frau ihre Liebe.

Die Liebe, die ihm weder seine Schwester noch seine Mutter hatte geben können. Die Zuneigung, die er von niemandem in seiner Familie – oder außerhalb dieser erhalten hatte (außer vielleicht von Alexander, aber der war ein Typ, das war was anderes)

Es war alles so neu mit Nadine, machte so viel Spaß, war so voller neuer Eindrücke

und brachte ihm die Anerkennung, die er nie gehabt hatte, weder als Kind noch als Jugendlicher

in der Wüste seiner Kindheit und Jugend

jetzt war er wer, hatte eine Freundin, eine echte Freundin (egal, ob sie fünf Jahre älter war)

er war ihr dankbar, liebte sie

weil sie ihn von seiner Last befreit hatte, einer Last unter der er Jahre gelitten hatte, nämlich die, noch Jungfrau zu sein. Jungmann. Da konnte ich mich doch wenigstens dafür erkenntlich zeigen und sie heiraten.

ist das verständlich?



Naiver geht wohl nicht, denkt er heute (und der Blick seiner Scheidungsanwältin sprach auch Bände). Aber zu seiner Schande sind das genau die Gedanken, die er damals hatte.