Sie hat eigentlich nie
großartig über ihre Exen geredet. Genau wie sie nie großartig über ihre
Vergangenheit in Ecuador geredet hat. Solange alles gut läuft ist das ja auch
nicht nötig. Nur wenn man plötzlich oder in einem schleichenden Prozess
feststellt, dass man eigentlich gar nicht weiß, mit wem man da Bett und Tisch
teilt, dann ist das schon ein bisschen spooky.
Gelindes gesagt.
Ich weiß nur, dass sie in
Deutschland vor mir einen Freund hatte, der angeblich – Olav. Und war irgendwie
aus Österreich. Nicht aus Deutschland, denn selbst Nadine ist sein fremdartiger
Akzent aufgefallen. Er soll – angeblich – auch der „Erste“ gewesen sein, der,
der sie sozusagen „entjungfert“ hat. So wie sie meine „Erste“, die, die mich
entjungfert hat. Die Erste und die Letzte, haha.
Es ist nicht viel, was ich
im Laufe der Zeit, im Laufe der 19 Jahre, die wir zusammen waren von ihm
erfahren habe. Und das meiste stammt auch noch aus dieser dunklen Vorzeit,
dieser dunklen Urzeit unserer Beziehung, wo wir noch „Freund“ und „Freundin“
waren und noch nicht Mann und Frau.
Auf die Nachfrage, wie es
mit ihm war, ihr erstes Mal, oder der Sex im Allgemeinen, schwieg die
Genießerin. Vielleicht verständlich, obwohl es im Nachhinein immer
unverständlicher wird. Nicht die Frage nach dem Sex mit ihm (ob er besser oder
schlechter war als er selbst oder ob er einen Größeren hatte als er oder ob er
auf bestimmte Praktiken oder Techniken stand) interessierte ihn so sehr,
sondern mehr die Frage…
…die Frage nach was
eigentlich?
Nach dem, was er mit ihm
gemeinsam hatte?
Nach dem, wie er so als
Mensch war?
Keine Ahnung.
Wie lange sie mit ihm
zusammen war…
Auf jeden Fall nicht lang,
das hat sie ihm gesagt damals. So viel wusste er. Und ist nicht alles Wissen
über Verflossene nur zusätzlicher Ballast, unnötiger emotionaler und psychischer Ballast, den man besser im
Verborgenen lässt. Bei dem es besser ist, nichts zu wissen. Was er nicht weiß,
macht ihn nicht heiß. Warum wird bei diesem ohnehin nicht allzu schlauen Spruch
eigentlich nie von „ihm“ und immer nur von „ihr“ gesprochen? Es gibt den
Sexismus auch andersherum, glauben Sie mir, egal was die Frauen sagen und wie
oft und wie heftig sie sich über ihre ungerechte Behandlung in der Gesellschaft
beschweren.
Olav schlief mit ihr und
verließ sie. Wurde verlassen. Nein: Er wurde
verlassen. Von ihrer Schwester. Das heißt natürlich nicht, dass er mit beiden
gleichzeitig, geschweige denn im gleichen Bett zusammen war (das ist wohl eher
der Wunschtraum unseres wackeren Protagonisten gewesen), sondern dass Slainté
in ihrer unnachahmlich charmanten Art, Nadine natürlich ganz selbstlos, ganz im
Sinne der Frauenrechte geholfen hat, Olav endgültig loszuwerden. Olav endgültig
abzuschießen. Wie ich konnte der sein Glück gar nicht fassen. Endlich war er
Nadine los. Endlich. Deswegen ist er auch schnurstracks zu ihr gegangen und hat
– angeblich – voll das „Theater“ (kennen wir ja, aus meiner Jugend, immer diese
in den Grundfesten ihres Gerechtigkeitssinnes erschütterten, aggressiven
Männer, die „Theater“ machen und dann von einer ah so hilfsbereiten, ach so
emanzipierten, ach so selbstgerechten Frau in ihre Schranken verwiesen werden)
abgezogen haben soll. Im Flur geschrien haben soll und randaliert haben soll
(kennen wir ja, Männer, die mit ihrer Aggression nicht umgehen können, ist ja
klar, Aggression ist aber auch so was Schlimmes!).
Am Ende wurde Slainté ich
aber trotzdem los und er fiel mit Carlos – Nadines Freund in Ecuador auf den
Abfallhaufen ihrer persönlichen Geschichte. So wie ich jetzt. Never to be talked about again. Why should we even bother. Verbotene
Liebesmüh! Äh, vergebene Liebesmüh mein ich natürlich.
Und weg war er.
Aber die Frage bleibt: Was
empfand Slainté dabei, ihrer Schwester die Freunde zu zerschießen. Genugtuung,
Befriedigung, mit ihren Rastazöpfchen, immer lachend mit ihren schmalen Lippen,
obwohl ihre Haare eigentlich viel zu dünn für Rastas waren. Oder waren es Cornrows?
Ging ihr dabei einer ab,
beim Beziehungen zerstören?
Oder hielt sie sich – wie so
viele Frauen – wirklich für eine Kämpferin, eine wackere Amazone im Dienst der Befreiung
unterdrückter Frauen, der Emanzipation, der Freiheit.
(die man seiner Meinung nach
immer noch nur im Dschungel erreicht, bei Mistah Kurtz – aber wer ist er schon,
nur ein weiterer aggressiver, lästiger, verblendeter Mann, der die höhere
Wahrheit gar nicht sehen kann; und das reimt sich sogar!)
Aber vielleicht war Olav ja
auch wirklich der brutale, rücksichtslose, aggressive Protomann. Genau wie er
selbst