Er weiß noch, wie er letztes Jahr mit ihr zum Karnevalszug gegangen ist. In Endenich. Obwohl er eigentlich nicht viel für diese ganze Scheiße übrig hatte. Vielleicht für irgendwo schön feiern gehen schon, aber ganz bestimmt nicht für in der Kälte herumstehen und nach Kamellen schnappen, die eh nur dick machen und sowieso nichts Besonderes sind. Und dabei wie ein Bekloppter "Kamelle"zu rufen. So was erträgt man echt nur besoffen, aber er konnte ja schlecht schon am Sonntagmorgen besoffen sein...
Aber an diesem Tag, da wollte er mit. Keine Ahnung warum. Hat sich fast aufgedrängt, weil er eh frei hatte und nicht einsah, warum er alleine zu Hause sitzen sollte, während sie mit ihrer Freundin Loreta zum Zug geht. Und wegen Loreta war das auch nicht, so viel ist sicher. Bei jeder anderen von Nadines Freundinnen vielleicht, aber nicht bei Loreta: Die war wirklich eine der wenigen Freundinnen von Nadine, die er nicht reizvoll fand.
Aber an diesem Tag, da wollte er mit. Keine Ahnung warum. Hat sich fast aufgedrängt, weil er eh frei hatte und nicht einsah, warum er alleine zu Hause sitzen sollte, während sie mit ihrer Freundin Loreta zum Zug geht. Und wegen Loreta war das auch nicht, so viel ist sicher. Bei jeder anderen von Nadines Freundinnen vielleicht, aber nicht bei Loreta: Die war wirklich eine der wenigen Freundinnen von Nadine, die er nicht reizvoll fand.
Bis natürlich auf das eine
Mal, damals, vor gut und gerne zehn oder vielleicht sogar schon fünfzehn Jahren. Da wo er alleine bei ihr zu Hause war, morgens, damals, wo
die noch alleine lebte, obwohl sie da, glaube ich, schon mit ihrem Freund Juan zusammen
war. Und bis vielleicht auf die kleine Wichsfantasie, die er sich um Loreta
zusammengesponnen hatte und die sogar knapp einen Monat gehalten hatte – aber
dazu ein anderes Mal mehr.
Auf jeden Fall war er damals
alleine bei Loreta, nachdem er dort übernachtet hatte, weil seine Eltern – Gott
sei ihre Seele gnädig – ihn rausgeschmissen hatten (dafür sind ja Eltern
schließlich auch da!). Und wie immer, wenn er alleine bei irgendeiner Freundin
von Nadine war, wühlte er ein bisschen in ihren Sachen rum. Natürlich nicht, um
was zu klauen, sondern nur um zu sehen…das ist mir jetzt aber peinlich…um zu
sehen…wie sage ich das jetzt am besten…um zu sehen…was die für Unterwäsche
hatte. So, jetzt ist es raus! Die Wahrheit ist eben manchmal nicht ganz leicht,
ganz pflegeleicht. Genauso wenig pflegeleicht wie die Unterwäsche von Loreta.
Denn es dauerte nicht lange und er wurde fündig. Das dauerte nie lange. Bei
keinem. Nicht bei der Schwester von Nadine (Tangas vom Feinsten, wer hätte das
erwartet?!), nicht bei Marina von nebenan, die ihre Wäsche dummerweise in ihrem
gemeinsamen Keller aufhängte, und natürlich auch nicht bei Loreta. Damals
schockte ihn das asoziale Verhalten seiner Eltern noch nicht lange, wie Sie
sehen – wenn er schon am nächsten wieder auf die Jag nach Unterhosen ging. Auf
die Pirsch. Und Unterhosen, obwohl es weniger aufreizend klingt als Slips, ist
hier echt passender, denn Loreta war nicht eine dieser zierlichen
Ecuadorianerinnen wie sie in Nadines Familie so gehäuft vorkommen. Nein, in der
Tat nicht. Anders als diese dünnen, fiesen flacas
in Nadines Familie, war Loreta eher eine kräftige, fiese gorda und damit meine ich nicht den
spanischen Weihnachtsjackpot (der heißt ja auch „el gordo“ und nicht „la gorda“!).
Und so war auch das, was er über der kleinen Heizung im kleinen Flur ihrer
kleinen Wohnung in Endenich fand alles andere als ein kleiner Slip, den er
hätte übersehen können. Nein, das war schon fast ein Zweimannzelt.
Nein, so schlimm war es auch
nicht. Er beliebt zu übertreiben oder wie das heißt. Besagtes Stück Stoff, das
auch als Tischdecke hätte herhalten können (natürlich nur auf einem kleinen
Beistelltisch), war schon groß, aber dafür war wenigstens etwas dran. Was zum
Anpacken, zum Zupacken. Genau wie bei Loreta. Denn das war eine Unterhose, die
sein Vater mit Fug und Recht „Sloggi Long Long“ genannt hätte. Woher sein
Vater, der sonst eher wenig bis gar kein Englisch sprach, diesen Begriff kannte,
weiß er auch nicht. Die Unterhose von Loreta bestand also aus feinstem
Feinripp, wenn sie wissen, was ich meine. Natürlich in der Damenversion. Loreta
trug ja keine Herrenunterwäsche! Was vielleicht besser gewesen wäre: Denn das
hätte ihn vielleicht (einen Moment lang) von dem abgehalten, was als Nächstes
passiert. Nämlich, dass er (und hier erinnere ich gerne noch mal daran, dass
alle Personen in diesem fiktiven Klage…äh…Tagebuch meiner kranken Fantasie
entspringen und nichts, aber auch gar nichts mit echten Personen in Bonn zu tun
haben) sich umblickte, sich nochmals umblickte und dann ganz vorsichtig, mit
den Fingerspitzen, das Ding, das Artefakt von der Heizung nahm, es an den
sensiblen Stellen berührte und feststellen musste, dass Loreta anders als
Nadines Schwester wirklich sauber war, daran roch und dann…
…der Rest ist Geschichte.
Alles ganz harmlos. In
Wahrheit hatte Loreta Glück, denn wenn das heute passieren würde, hätte er
hundertprozentig ein Selfie mit Zelt (Pardon: Unterhose, meine ich natürlich)
gemacht und das Ganze keine fünf Sekunden später ins Internet gestellt. Auf
Instagram!).
Und so holte er sich mit
diesem Ersatzzelt einen runter – natürlich alles ohne Flecken zu hinterlassen,
da hat er immer aufgepasst! Das wär ja noch schöner, wenn er auch noch
Souvenirs hinterlassen hätte! Diesbezüglich hat er sich wirklich nichts
vorzuwerfen.
…dachte an ihre sanften und
prallen Rundungen (boah, die Loreta hatte echt Atomtitten), an ihren Venusberg…
Und vor besagten Karneval
waren er, Nadine und María sogar an Neujahr mit Juan Essen gewesen. Deswegen konnte
er dem seine ablehnende Haltung an Karneval so gar nicht verstehen. Der Typ war
zwar irgendwie Alkoholiker (Loreta redete immer davon, dass er eigentlich gar
nichts mehr trinken soll, wegen seiner Leber, aber erzählen Sie das mal einem
Portugiesen, der mit dem Porto schon in der Muttermilch aufgewachsen ist). Aber
trotz seines kleinen Alkoholproblems (das ist doch kein Problem, so ein
Gläschen in Ehren…) war der Typ sterbenslangweilig und er hatte sogar nach
Silvester zu Nadine gesagt, dass er sich sowas nicht noch mal antut. Und auch
noch dafür bezahlt, denn dieses peruanische Restaurant hatte für die Qual, die
sterbenslangweiligen Gespräche, das fade Essen und das ebenso farblose Ambiente
auch noch Geld genommen (Knöpfe wollten die nicht und spülen wollte er nicht,
denn dann hätte er ja das Feuerwerk mit Loreta verpasst – bei dem sie ja
vielleicht durch einen Zufall von der Rheinbrücke gefallen wäre und ihr Mann
gleich in seinem Dauerrausch hinterhergesprungen wäre und sie nie mehr gefunden
worden wären). Aber er war damals wie heute einfach viel zu nett, um einfach zu
sagen: Geh mir nicht auf die Eier, du langweiliger portugiesischer Wichser, mit
deiner komischen Sprache, die nicht klingt wie Spanisch ohne Knochen, sondern
eher wie unzusammenhängendes, romanisches Lallen ohne Knochen. Ich will nichts
von deinen alltäglichen Abenteuern auf der Autobahn und in der Wurstfabrik
wissen. Eigentlich bin ich nur aus Liebe zu Nadine hier. Und weil ich
eifersüchtig bin, wenn sie Silvester allein mit euch Spacken verbringt. Und
nicht um mir dieses übelriechende Gesülze anzuhören, dass ich eh nicht verstehe
und auch gar nicht verstehen will, ehrlich gesagt! Du verstehst?! ¿!Entiendes?!
Am Ende wollte ihn Loreta sogar noch vor seiner Tochter abzocken, indem sie
sich andauernd bewusst unbewusst bei der Rechnung verzählt hat und dann von
meiner Tochter (!) eines besseren belehrt wurde. Mit mir und meiner gepflegten
5- bis zum bitteren Ende kann man es ja machen!
Aber daran konnte das auch
nicht liegen. Daran lag das bestimmt nicht…
…dass
der mich so blöde anglotzt…
Denn als ich an Karneval mit
Nadine als Mexikaner verkleidet Loreta und ihren feinen Ehemann in einer
Bäckerei traf, war Letzterer gar nicht begeistert von meiner Anwesenheit. Aber
was sollte ich denn machen? Mich in Luft auflösen? Für dich coschonuo pendescho? Das ist schließlich
meine Frau, mit der ich hier bin. Kann ich doch nichts dafür, dass das die
nicht gefällt.
Aber ich sagte nichts. Weil
ich zu nett.
Das war er sein ganzes Leben
lang. Viel zu nett. Das ist nämlich genau sein Problem: Dass er zu nett ist! Viel
zu nett für diese Welt.
Darf ich etwa mit meiner
Frau nicht zum Zug gehen. Gefällt dir das etwa nicht?! Weil du mit ihr allein
sein willst, oder was?! Er übertreibt, aber das war an dem Tag richtig
auffällig. Vielleicht wusste ja Loreta schon was von Nadines Plänen. Oder von
ihrem anderen. Oder von ihr und ihrem Schwager Rafael. Und das machte denen ein
schlechtes Gewissen. War das dann etwa mein Problem. Wie gesagt, an dem Tag kam
das richtig raus. Dass die mich nicht dabeihaben wollten. Ich weiß nicht warum
und ich werde es nie erfahren, aber da war irgendwas im Busch. Vielleicht hatte
sie ja heimlich was mit dem. Wenn er gerade mal nicht betrunken. Oder gerade
wenn er betrunken war. Denn Loreta reagierte nicht so auf meine Anwesenheit.
Die war ganz cool.
Aber das sind Frauen ja
immer, in diesen Dingen. Das ist ihnen sozusagen in die Wiege gelegt. Ich
seilte mich ab, blieb auf dem Bürgersteig stehen, während Nadine mit denen
weiter vorne stand. Wie immer. Ich war der Gefickte, der Außenseiter, der der
von nichts was wusste, von nichts eine Ahnung hatte. Während die anderen sich
amüsierten. Spaß hatten.
Ich verstehe immer noch
nicht, warum Nadine, als sie merkte, dass ich keinen Bock mehr hatte, noch
versuchte, mich zu beschwichtigen. Zu mir kam, mich umarmte, mich küsste…
…wo sie doch genau gewusst
haben muss, dass sie mich verlassen würde. Für immer verlassen würde. In nicht
mal mehr zwei Wochen…
Ich verstehe es nicht. Ich
verstehe es einfach nicht. Es fehlt nicht nur ein Puzzleteil, sondern gleich
die ganze Hälfte des Puzzles und der Karton. Bestimmt war der Samen des Verrats
schon gesät, in den fruchtbaren Mutterboden eingebracht, vielleicht sogar von
diesem Portugiesen persönlich.
Fuck
forever!
Das tut so unglaublich weh, immer
noch, selbst heute noch, gerade heute an einem dieser großen Tage im Kalender,
an Rhein in Flammen besonders. Obwohl es natürlich müßig ist , sich jetzt noch
über sowas Gedanken zu machen – jetzt, wo sie für immer weg ist –, aber in
Ermangelung eines eigenen Lebens macht man sich über so einiges Gedanken.
…die Erinnerung an sie
brennt fast ein Loch in meine Seele.