Sonntag, 23. Oktober 2016

Traumdeutung: Insekten, Spinnen und Hackfleisch










Nachts träumst du von Spinnen. Horror.

Du hattest schon vorher, als du nach Hause kamst und mit deinem Topf Nudeln mit Hackfleisch im Bett lagst, so ein komisches Gefühl. Vielleicht lag das ja daran, dass du später auch noch von Spinnen geträumt hast. Wer weiß. Du kamst wie gesagt nach Hause, legtest dich ins Bett, vor dir der Topf mit den restlichen Nudeln mit Hackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Bolognese-Sauce, und auf einmal hattest du ein ganz komisches Gefühl. Einen Moment lang dachtest du, dass sich in den Nudeln etwas bewegte. Oder daneben, neben dem Topf im Bett. Keine Ahnung. Das sieht man ja auch nicht unbedingt, in einem Topf voller Nudeln und Hackfleisch, bei all den Krümmungen und Windungen, ob sich da nicht doch ein Insekt drunter befindet. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er einen dieser grünen oder braunen Käfer in der Wohnung findet. Das bleibt ja nicht aus, wenn man in der Nähe des Waldes wohnt. Letztens spazierte so ein Käfer, mit all seinen Stacheln und Panzern und Fühlern seelenruhig über das schneeweiße Betttuch. Bis er ihn mit einem Hausschuh ins Jenseits beförderte – direkt nachdem er den ersten Schreck verdaut hatte. Und in der Küche hat er letztens auch einen runden, grünen Käfer erwischt, wie er über die Ablage neben der Spüle und unter dem Fenster spazierte. Der war ein bisschen schneller, aber auch nicht schnell genug. Und wer weiß schon, was sonst noch so alles durch die Wohnung marschiert. Er denkt manchmal was passieren würde, wenn man alle Insekten in seiner Umgebung sichtbar machen könnte, zum Beispiel wie bei einem Nachtsichtgerät in Rottönen. Wahrscheinlich würde man dann schreiend rauslaufen, doch wenn die draußen genauso sichtbar wären, wäre das sicherlich auch keine Lösung…

Aber das war komisch, das mit dem Essen. Da hatte er einen richtigen Horror. Denn er glaubt wirklich die ganze Zeit aus dem Augenwinkel etwas gesehen zu haben. Wie sich etwas bewegte. Entweder im Topf oder unmittelbar daneben. So sicher war er sich da nicht, aber das war schon komisch. Aber wahrscheinlich kann man auch nicht immer seinem Instinkt, seinem Bauchgefühl vertrauen. Obwohl die das immer sagen: Hör auf deinen Bauch. Vielleicht war das auch, weil es schon spät war (zwei Uhr nachts, um genau zu sein)… Und er müde war… Denn wenn da wirklich etwas drinnen gewesen wäre…dann wäre das Tier, das Insekt doch bestimmt vor seiner Gabel geflüchtet oder. Raus aus dem Topf. Und dann hätte er es bestimmt entdeckt, irgendwie. Und am Ende war auch der Hunger stärker, denn die Nudeln jetzt nicht zu essen oder gar wegzuschmeißen, das wäre dann auch zu viel des Guten. Nur, weil man das Gefühl hat, dass sich da drinnen was bewegt. Außerdem entdeckt man das ja so oder so, früher oder später, je leerer der Topf wird. Das heißt nur, wenn man es nicht vorher bei lebendigem Leib aus Versehen mitgegessen hat (man sieht ja die Fühler und den Kopf nicht, wie er verzweifelt versucht, sich aus dem Mund hinaus zu winden. Und er sah nichts, auch als der Topf immer leerer wurde nicht. Das sind doch Fluchttiere – wie deine Ex –, die bleiben doch nicht im Topf und stellen sich dem Kampf mit deinem hungrigen, dicklippigen Mund. Ne, da war nichts.

Aber vielleicht außerhalb des Topfes… Zur Sicherheit guckte er am Ende noch mal in den leeren Topf. Aber da war nichts. Kein Insekt, nichts. Nur rote Saucen und halbweiße Nudelreste. Kein Tier, geschweige denn eine…


Aber vielleicht wirkte das ja noch nach, wirkte noch in seinen Traum hinein. Vielleicht war es ja auch sein voller Magen vor dem Schlafengehen, der ihn schlecht träumen ließ (das soll ja auch nicht so ideal sein), mit oder ohne Fleischbeilage in Form von Insekten. Das war ja auch fast ein halber Topf Nudeln. Auf jeden Fall hatte er einen ganz komischen Traum. Er lag im Bett, das – glaub ich – auch seins war, war wach und rund um das Bett herum waren Spinnen. So richtig große. Manche mit langen, dünnen Beinen und Körpern und manche mit kräftigen, haarigen Beinen und Körpern. Groß wie Vogelspinnen – sowohl die dünnen als auch die dicken. Die saßen da ganz komisch, alle hintereinander in einer Reihe, in einer Linie, so als wären die Teil einer Armee, so als wären die irgendwie organisiert. Ganz viele, überall um das Bett herum. Lauernd. Darauf wartend, dass er den ersten Move macht, den ersten Schritt. Um dann blitzschnell zuzuschlagen. Sobald er sich auch nur einen Zentimeter bewegte. Aber im Moment verharrten die noch alle in ihrer Aufstellung. Fein säuberlich nach Spinnenarten getrennt. Scheiße. Es gab kein Entkommen. Die waren überall. Wenn er aufgestanden wäre, wäre er hundertpro auf mindestens eine draufgetreten. Und ob die dann so ruhig, so diszipliniert geblieben wären. In Reihe und Glied. Am Ende – aber das weiß er nicht mehr ganz so genau (Träume sind so schnell wieder weg, sobald man aufwacht) – hat er glaub ich doch versucht, eine von denen zu töten, nach ihr zu schlagen. Eine von den fetten, haarigen. Nicht von den dünnen, langbeinigen, unbehaarten. Er hat nach ihr geschlagen, ich glaube sogar mit irgendeinem Gegenstand (einem Messer?) und ist richtig tief eingedrungen in ihr fettes Fleisch. So dass das Blut förmlich spritzte. Das Spinnenblut. Das es dieser Plätschergeräusch machte oder wie auch immer man es nennen soll, wenn es spritzt. Und dann ist er aufgewacht, wahrscheinlich weil sein Körper, oder Kopf, den Traum nicht mehr länger aushalten konnte…

Er hat zwar nicht geschrien – wie letztens, als er nachts plötzlich das Gefühl hatte, dass irgendwas mit seinem Körper nicht stimmte, mit seiner Durchblutung, dass er vielleicht sogar einen Schlaganfall oder Herzinfarkt bekommen könnte, dass er sterben könnte. Aber er ist ins Bad gerannt, den Boden genau musternd – ob sich das was bewegte – und hat sich vor den Spiegel gestellt. Warum stellt man sich bei Alpträumen eigentlich immer im Bad vor den Spiegel? Um sich selber wieder bewusst zu werden. Dass man (selbst) noch da ist. Dass das prekäre „Ich“ noch existiert und nicht vom „Es“ aufgefressen wurde. Doch, er sah gut aus im Spiegel. Trotz seiner bald vierzig Jahre.

Das hielt ihn aber nicht davon ab, danach nicht mehr einschlafen zu können, das Licht anzulassen (beide Lampen!), das Bett nach Insekten abzusuchen, immer noch dieses komische Kribbeln in den Beinen zu verspüren. Unter der Decke… Immer wieder aufzustehen, den Fernseher einzuschalten. Auf N24, wo er direkt auch erfuhr, dass er erst 5:34 war (er war erst so um zwanzig nach zwei eingeschlafen), also noch viel zu früh, um wach zu bleiben. Also ging er wieder zurück ins Bett, zurück unter die Decke, zurück zum hoffentlich psychosomatischen Kribbeln in den Beinen, zurück zu den wie bei einem Nachtsichtgerät rot leuchtenden Insekten…

Im Fernsehen lief ein Bericht über die Entstehung und Verbreitung der Atombombe. Für die Leute, die um fünf Uhr morgens noch nicht genug Panik haben. Oder zum Frühstück, für die Frühaufsteher. Aber das war interessant. Wie oft bei N24. Dem Weltuntergangssender, der sich schon sehr ausgiebig mit den Krieg, Bomben, Naturkatastrophen, Außerirdischen, den Sieben Siegeln und dem All beschäftigt. Aber doch nicht so sehr, dass er am Ende nicht doch wieder eingeschlafen wäre…