Nachts
träumst du von Spinnen. Horror.
Du
hattest schon vorher, als du nach Hause kamst und mit deinem Topf Nudeln mit
Hackfleisch im Bett lagst, so ein komisches Gefühl. Vielleicht lag das ja
daran, dass du später auch noch von Spinnen geträumt hast. Wer weiß. Du kamst wie gesagt
nach Hause, legtest dich ins Bett, vor dir der Topf mit den restlichen Nudeln
mit Hackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Bolognese-Sauce, und auf einmal
hattest du ein ganz komisches Gefühl. Einen Moment lang dachtest du, dass sich
in den Nudeln etwas bewegte. Oder daneben, neben dem Topf im Bett. Keine
Ahnung. Das sieht man ja auch nicht unbedingt, in einem Topf voller Nudeln und
Hackfleisch, bei all den Krümmungen und Windungen, ob sich da nicht doch ein
Insekt drunter befindet. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er einen dieser
grünen oder braunen Käfer in der Wohnung findet. Das bleibt ja nicht aus, wenn
man in der Nähe des Waldes wohnt. Letztens spazierte so ein Käfer, mit all
seinen Stacheln und Panzern und Fühlern seelenruhig über das schneeweiße
Betttuch. Bis er ihn mit einem Hausschuh ins Jenseits beförderte – direkt
nachdem er den ersten Schreck verdaut hatte. Und in der Küche hat er letztens
auch einen runden, grünen Käfer erwischt, wie er über die Ablage neben der
Spüle und unter dem Fenster spazierte. Der war ein bisschen schneller, aber
auch nicht schnell genug. Und wer weiß schon, was sonst noch so alles durch die
Wohnung marschiert. Er denkt manchmal was passieren würde, wenn man alle
Insekten in seiner Umgebung sichtbar machen könnte, zum Beispiel wie bei einem
Nachtsichtgerät in Rottönen. Wahrscheinlich würde man dann schreiend rauslaufen,
doch wenn die draußen genauso sichtbar wären, wäre das sicherlich auch keine
Lösung…
Aber
das war komisch, das mit dem Essen. Da hatte er einen richtigen Horror. Denn er
glaubt wirklich die ganze Zeit aus dem Augenwinkel etwas gesehen zu haben. Wie
sich etwas bewegte. Entweder im Topf oder unmittelbar daneben. So sicher war er
sich da nicht, aber das war schon komisch. Aber wahrscheinlich kann man auch
nicht immer seinem Instinkt, seinem Bauchgefühl vertrauen. Obwohl die das immer
sagen: Hör auf deinen Bauch. Vielleicht war das auch, weil es schon spät war
(zwei Uhr nachts, um genau zu sein)… Und er müde war… Denn wenn da wirklich
etwas drinnen gewesen wäre…dann wäre das Tier, das Insekt doch bestimmt vor
seiner Gabel geflüchtet oder. Raus aus dem Topf. Und dann hätte er es bestimmt
entdeckt, irgendwie. Und am Ende war auch der Hunger stärker, denn die Nudeln
jetzt nicht zu essen oder gar wegzuschmeißen, das wäre dann auch zu viel des
Guten. Nur, weil man das Gefühl hat, dass sich da drinnen was bewegt. Außerdem
entdeckt man das ja so oder so, früher oder später, je leerer der Topf wird. Das
heißt nur, wenn man es nicht vorher bei lebendigem Leib aus Versehen mitgegessen
hat (man sieht ja die Fühler und den Kopf nicht, wie er verzweifelt versucht,
sich aus dem Mund hinaus zu winden. Und er sah nichts, auch als der Topf immer
leerer wurde nicht. Das sind doch Fluchttiere – wie deine Ex –, die bleiben doch
nicht im Topf und stellen sich dem Kampf mit deinem hungrigen, dicklippigen
Mund. Ne, da war nichts.
Aber
vielleicht außerhalb des Topfes… Zur Sicherheit guckte er am Ende noch mal in
den leeren Topf. Aber da war nichts. Kein Insekt, nichts. Nur rote Saucen und
halbweiße Nudelreste. Kein Tier, geschweige denn eine…
Aber
vielleicht wirkte das ja noch nach, wirkte noch in seinen Traum hinein. Vielleicht
war es ja auch sein voller Magen vor dem Schlafengehen, der ihn schlecht
träumen ließ (das soll ja auch nicht so ideal sein), mit oder ohne
Fleischbeilage in Form von Insekten. Das war ja auch fast ein halber Topf
Nudeln. Auf jeden Fall hatte er einen ganz komischen Traum. Er lag im Bett, das
– glaub ich – auch seins war, war wach und rund um das Bett herum waren
Spinnen. So richtig große. Manche mit langen, dünnen Beinen und Körpern und
manche mit kräftigen, haarigen Beinen und Körpern. Groß wie Vogelspinnen – sowohl
die dünnen als auch die dicken. Die saßen da ganz komisch, alle hintereinander
in einer Reihe, in einer Linie, so als wären die Teil einer Armee, so als wären
die irgendwie organisiert. Ganz viele, überall um das Bett herum. Lauernd. Darauf
wartend, dass er den ersten Move macht, den ersten Schritt. Um dann
blitzschnell zuzuschlagen. Sobald er sich auch nur einen Zentimeter bewegte.
Aber im Moment verharrten die noch alle in ihrer Aufstellung. Fein säuberlich nach
Spinnenarten getrennt. Scheiße. Es gab kein Entkommen. Die waren überall. Wenn
er aufgestanden wäre, wäre er hundertpro auf mindestens eine draufgetreten. Und
ob die dann so ruhig, so diszipliniert geblieben wären. In Reihe und Glied. Am
Ende – aber das weiß er nicht mehr ganz so genau (Träume sind so schnell wieder
weg, sobald man aufwacht) – hat er glaub ich doch versucht, eine von denen zu
töten, nach ihr zu schlagen. Eine von den fetten, haarigen. Nicht von den
dünnen, langbeinigen, unbehaarten. Er hat nach ihr geschlagen, ich glaube sogar
mit irgendeinem Gegenstand (einem Messer?) und ist richtig tief eingedrungen in
ihr fettes Fleisch. So dass das Blut förmlich spritzte. Das Spinnenblut. Das es
dieser Plätschergeräusch machte oder wie auch immer man es nennen soll, wenn es
spritzt. Und dann ist er aufgewacht, wahrscheinlich weil sein Körper, oder Kopf,
den Traum nicht mehr länger aushalten konnte…
Er
hat zwar nicht geschrien – wie letztens, als er nachts plötzlich das Gefühl
hatte, dass irgendwas mit seinem Körper nicht stimmte, mit seiner Durchblutung,
dass er vielleicht sogar einen Schlaganfall oder Herzinfarkt bekommen könnte,
dass er sterben könnte. Aber er ist ins Bad gerannt, den Boden genau musternd –
ob sich das was bewegte – und hat sich vor den Spiegel gestellt. Warum stellt
man sich bei Alpträumen eigentlich immer im Bad vor den Spiegel? Um sich selber
wieder bewusst zu werden. Dass man (selbst) noch da ist. Dass das prekäre „Ich“
noch existiert und nicht vom „Es“ aufgefressen wurde. Doch, er sah gut aus im
Spiegel. Trotz seiner bald vierzig Jahre.
Das
hielt ihn aber nicht davon ab, danach nicht mehr einschlafen zu können, das
Licht anzulassen (beide Lampen!), das Bett nach Insekten abzusuchen, immer noch
dieses komische Kribbeln in den Beinen zu verspüren. Unter der Decke… Immer
wieder aufzustehen, den Fernseher einzuschalten. Auf N24, wo er direkt auch
erfuhr, dass er erst 5:34 war (er war erst so um zwanzig nach zwei
eingeschlafen), also noch viel zu früh, um wach zu bleiben. Also ging er wieder
zurück ins Bett, zurück unter die Decke, zurück zum hoffentlich
psychosomatischen Kribbeln in den Beinen, zurück zu den wie bei einem
Nachtsichtgerät rot leuchtenden Insekten…
Im
Fernsehen lief ein Bericht über die Entstehung und Verbreitung der Atombombe.
Für die Leute, die um fünf Uhr morgens noch nicht genug Panik haben. Oder zum
Frühstück, für die Frühaufsteher. Aber das war interessant. Wie oft bei N24.
Dem Weltuntergangssender, der sich schon sehr ausgiebig mit den Krieg, Bomben,
Naturkatastrophen, Außerirdischen, den Sieben Siegeln und dem All beschäftigt. Aber
doch nicht so sehr, dass er am Ende nicht doch wieder eingeschlafen wäre…
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