Der Reis schmeckt so verdammt nach dem,
was Nadine früher immer gekocht hat, dass er einen Moment lang denkt, sie
könnte vielleicht sogar hier gewesen sein und gekocht haben. Für seine Tochter,
ihre gemeinsame Tochter. Aber vielleicht
auch für ihn – obwohl das nicht so wahrscheinlich ist. Vielleicht ist sie ja
hier, wenn er nicht da ist, wenn er abends arbeiten muss. Und deswegen ist
María immer so gut gelaunt, wenn er sie schuldbewusst von der Arbeit aus
anruft. So fröhlich. Was er gar nicht erwartet. Vielleicht macht es ihm ja
deswegen nichts aus, dass er so oft nicht da ist. Das Gefühl hatte er, ehrlich
gesagt, schon öfters; aber kann er wirklich seinem Gefühl vertrauen? Seinem
Bauchgefühl? Er weiß es nicht, eigentlich weiß er gar nichts mehr, seit der
Trennung. Titscht nur noch irgendwie so halb betäubt durch das Leben. Aber wenn
er auf seinen Bauch hören würde, wenn er seinem Bauchgefühl vertrauen würde,
dann ist sie nicht ganz so allein wie er sich das mit seinem schlechten
Gewissen vorstellt. Vielleicht hat sie ja auch einen Freund? Wär ihm egal. Aber
ehrlich gesagt wäre ihm ihre Mutter lieber, auch wenn er weiß, dass er sich das
wahrscheinlich nur wieder einbildet. So wie der verrückte Herd, den sie
versucht hat, aus der gemeinsamen Wohnung zu klauen, als er auf der Arbeit war.
Oder der Fernseher, bei dem sie erfolgreicher war. Wieder als er Samstagabend
arbeiten war. Also warum sollte sie nicht hierhin kommen, wenn er nicht da ist
Aber dann würde er das bestimmt riechen.
Und das tut er nicht. Seiner Nase macht keiner so schnell etwas vor. Wenn María
aus dem Haus ist, dann geht er nach Grasse, das hat er ihr schon gesagt, und
stellt Parfüm her. Wird zum Massenmörder an ortsansässigen Latinas, die er
häutet, um aus ihnen Parfüm zu machen…Er würde sie doch riechen? Oder doch
nicht? Manchmal stellt er sich auch vor, sie liegt in seinem Bett wenn er nicht
da ist und schnüffelt an seiner Decke, um seinen Geruch zu riechen (viel Spaß,
denn die wurde seit gut 3 Wochen nicht mehr gewechselt!). Heute hat er sogar
kurzzeitig gedacht, sie würde in seinem Bett liegen und auf ihn warten, wenn er
nach Hause kommt. Er würde sie zuerst gar nicht bemerken und sie würde ihn
erschrecken. Zuerst würde er sie rauswerfen wollen, aber dann würde er ihr doch
erlauben – in seinem unendlichen Großmut und seiner noch größeren Naivität –
die Nacht bei ihm zu verbringen. Wie edel
Aber als er um zwei Uhr nachts nach
Hause kommt, wartet da nur der mysteriöse Reis und eine Packung Gebäckstangen
(mit Zwiebelgeschmack) auf ihn, die die Leere in ihm nur temporär zu füllen
vermögen.