Sonntag, 12. Februar 2017

Alltag im All








Though I'm past one hundred thousand miles
I'm feeling very still
And I think my spaceship knows which way to go
Tell my wife I love her very much she knows

Ground Control to Major Tom
Your circuit's dead, there's something wrong (Space Oddity – David Bowie)









Ich werfe zu viel Klopapier in die Toilette und sie spült wieder nicht ab, obwohl das Wasser schon bis zum Rand steht und ich nicht mehr Wasser nachlaufen lassen kann. Dann gehe ich ins Wohn-/Schlafzimmer, suche das Buch, das ich zurückgeben muss, finde es aber nicht. Stattdessen fällt mir ein anderes Buch runter. Ich kann es nicht mehr fangen, es gleitet mir einfach aus der Hand. Ach, lass es fallen, scheiß drauf, lass alles fallen. Vielleicht willst du ja sogar, dass es fällt. Vielleicht soll es ja fallen. Also scheiß drauf! Ein paar Minuten später liege ich im Bett und das Handy macht diesen Ton, den es immer macht, wenn der Akku leer ist. Geil. Der Akku des Computers ist auch leer, aber das Kabel steckt zum Glück noch in der Steckdose. Mein Akku ist auch leer, aber es gibt kein Kabel, keine Reißleine, die ich ziehen kann und mit Hilfe derer ich mich fallen lassen kann. Mich einfach fallen lassen kann. Wie der Typ in Fight Club. Einfach loslassen kann, von diesem deutschen Alltag, der mich jeden Tag aufs Neue fickt. Von vorne und von hinten. In den Arsch und…keine Ahnung wohin. Langsam werde ich nervös. Denn das Buch muss morgen zurück. Scheiße. Also starte ich einen zweiten Suchversuch. Während das Handy noch mal klingelt. Ich weiß, dass du leer bist. Ich auch. Ein Leerkörper. Das haben wir früher immer zu unseren Lehrern gesagt. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass und wie sehr das eines Tages auch auf mich zutreffen würde. Ich blicke nach rechts, zum Fernsehtisch neben dem Bett. Geil! Ein Buch habe ich gefunden. Aber dieses Buch war auch nicht das Problem. Sondern das andere. Da liegt es: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Nein, nicht von mir, sondern von Milan Kundera. Habe ich nie zu Ende gelesen. Weil ich genau weiß, was am Ende passiert. Das hat Milan Kundera nämlich schon ungefähr zur Hälfte des Buches vorweggenommen. Das  Ehepaar stirbt. Beide sterben. Wir müssen alle sterben. Will er wahrscheinlich damit sagen. Keine Ahnung. Egal wie viel wir betrügen und lügen, wir werden alle sterben. Was für eine Message! was für eine Moral! Die Moral von der Geschicht ist…wir müssen alle sterben. Alle fallen. Alle loslassen. Das Handy klingelt wieder. Wie ein Baby, das seine Flasche will. Ich nehme das Buch, finde dieses Bookmark, dieses Lesezeichen, das ich damals gefunden habe. In irgendeinem anderen Buch. Auf der Vorderseite ist eine rote Kerze abgebildet, deren Flamme vor dunklem Hintergrund hell brennt und unter der steht:
Jesus Christus
Licht der Welt. Licht für
jede Dunkelheit.
Licht auch
für dich.

Ohne Ausrufezeichen. Nur mit Punkt. Als ob es so wär. Einfach so wär. Und als wär das nicht schon genug (Licht) steht auf der Rückseitein schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund:

Ich bin
das Licht der Welt.
Wer mir vertraut,
wird nicht mehr
in der Finsternis
bleiben, sondern
wird das Licht
des Lebens haben.
Jesus Christus

Wird nicht mehr fallen, nichts mehr fallen lassen. Oder wird gerade fallen, wird fallen lassen können, loslassen können, endlich loslassen. Die Welt ist so voller Zeichen, voller Botschaften, voller Messages, man muss sie nur erkennen. Erkennen können. Deuten. Deuten können. Man muss nur glauben. An sie…

…seine Ex-Frau…

…vertrauen können…

…dass wir zwar sterben werden, aber trotzdem wieder zueinander finden können…in diesem Leben

oder im nächsten

„…willst du ein Revival?“

„Ich weiß nicht…“

Meine Lieblingsphrase um zu sagen: „Ja.“ „Ja, ich glaube schon.“ „Ja, ich glaube.“ Einfach so. So einfach.
Jetzt muss ich nur noch das andere Buch finden…geil
Du stehst mitten im Raum, lässt das Chaos deines Lebens auf dich wirken und kratzt dich am Penis. An dieser Stelle unterhalb der Eichel. Zwischen Eichel und Schaft, an der du dich so gerne kratzt. Das ist so mit die empfindsamste Stelle des gesamten Penis. Wenn man da kratzt, dann  macht das richtig Spaß, manchmal. Ist belebend. Wirkt belebend. Manchmal kannst du da kratzen, bis es blutet, an diesen Häutchen unter der Vorhaut. Ziehen, kratzen und kneten. Bis du nichts mehr fühlst. An dieser empfindsamsten Stelle des männlichen Körpers.

Plötzlich geht der Fernseher aus. Das macht er immer, wenn er zu lange ohne Unterbrechung läuft. Das heißt, er läuft jetzt schon 4,5 Stunden ununterbrochen. Der Moderator des Morgenmagazins kann gerade noch sagen: „Wir sprechen gleich über Übergewicht, über Dicke“…und schon ist er aus. Gut so, vielleicht. Du stehst wieder auf, kratzt dich zwischen Sack und Arschloch. An dieser ebenfalls sehr empfindlichen, sehr empfindsamen Stelle. Diesen Weichteilen des menschlichen Körpers. Nadine konnte das damals während des Laufens. Sich am nicht vorhandenen Sack kratzen. Da steckte sie sich manchmal einfach so die Hand in die Hose und roch danach an ihrem Finger. Wie ein Mann. Wie du. Manchmal hielt sie ich  sogar dir unter die Nase. Aber ihren Geruch mochtest du nicht. Man mag nur seinen eigenen Eiergeruch. Arschgeruch. Nie den anderer. Du hast dir damals auch immer direkt die Hände gewaschen, nachdem du ihr den Finger in den Arsch gesteckt hast. Beim Bumsen. Du wolltest sie immer in den Arsch bumsen, aber sie wollte das nicht. Keine Ahnung warum…(beides).

Wir kompensieren Sorgen mit essen…

Kenne ich irgendwoher… Dabei fällt mir ein. Ich hab ja noch Eis.

…wiegt 188 Kilo. Die Selbsthilfegruppe war sein Weckruf…

Der Typ im Fernsehen ist Köln-Fan, zeigt seine alte Trikot-Sammlung. Da würd ich auch essen, um zu kompensieren, denkst du. (Nur ein Witz, ein einsamer Witz in der Dunkelheit, in der Einsamkeit…)

Das Buch taucht immer noch nicht auf. Scheiße.

Am Ende findest du das Buch doch – wieder – nicht und machst dir Sorgen…

Mach dir keine Sorgen, ich komme Morgen…

Und was ist, wenn das nicht auf der Arbeit ist? Was ist, wenn das nicht mehr da ist? Gar nicht mehr da? Dann muss ich das ersetzen… Scheiße…

***

Später am Vormittag checke ich meinen Lottoschein. Ich hab bestimmt wieder nichts gewonnen. Wie immer. Aber dann überraschen mich die Zahlen. Ich habe tatsächlich…3 Richtige…die 30, 31 und 46. Und das sind tatsächlich 13,10€. Scheiße, ich bin reich. Aber ehrlich:13,10 € ist für 3 Richtige echt nicht schlecht!
Warum gibt einem Gott eigentlich immer in den hoffnungslosesten Momenten wieder Hoffnung? Ich hasse das. Ich hasse die Hoffnung


Auch das Scheiß-Buch nehmen die ohne das beschissene Faltblatt an. Wozu hab ich mich eigentlich bekloppt gemacht, den ganzen Tag lang
            och, es gibt da noch so ein paar weitere Gründe, but we wouldn’t want to go into that, would we?!