Vom Klo aufstehend ziehe ich
mir die schwarze Unterhose, die im Flur auf dem Boden liegt (wie ein
Vergewaltigungsopfer) wieder an, stelle den Stuhl mit dem Laptop in Flur, öffne
das Fenster an der Wohnungstür, das ich vorher auf Rücksicht auf die Empfindlichkeiten
meiner Nachbarn (die haben da, wo sich meine Klogerüche verflüchtigen würden,
genau ihre Küche) geschlossen habe, gehe am Herd vorbei, trinke etwas Hühnerbrühe
mit Knoblauchscheibchen direkt aus dem Topf, nehme diesen mit, stelle ihn mit
einer Flasche Mineralwasser (als Ausgleich zur salzigen Knoblauchbrühe) neben
meinem Bett ab, schließe den Computer wieder an und lege mich mit nacktem
Oberkörper davor. (Wo ist denn mein Trikot geblieben? Ach, egal!)
Ich muss an das denken, was
letztens der Kurde auf der Arbeit gesagt hat: „Letztens war ich im Schwimmbad
und da war ein Mann, der hatte so viele Haare auf Rücken und Brust, dass ich fast
dachte, das wär ein Pullover…das sah echt aus wie ein Pullover!“
Bei mir auch, denke ich, als
ich mir meinen Rücken im Spiegel betrachte. Keiner mehr zum Depilieren, haha!
Ich rieche die salzige Hühnerbrühe in dem Topf neben mir und denke: Hühnerbrühe
mit Knoblauch zum Frühstück. Das ist doch schon mal was. Statt „Schokolade zum
Frühstück“. Hühnerbrühe und Knausgard statt
Schokolade zum Frühstück. Die Motive sind die gleichen, aber…
…ich nehme mir einen Schluck
aus dem mittlerweile fast leeren Topf, in dem fast nur noch die in Brühe
eingelegten Knoblauchscheibchen schwimmen, und denke:
Hunde, wollt ihr ewig leben.
Denn so, bei so viel gesunder Ernährung werdet ihr es womöglich noch. Wenn euch
nicht die Sorgen, der Liebeskummer, der Stress, das Geld vorher erwischen
keine Chance
Ich lese noch zwei Seiten
Knausgard. Immer zwei Seiten. Jedes Mal, wenn mir nichts mehr zu schreiben
einfällt, zwei Seiten. Zur Strafe, haha. Stephen King hat mal gesagt, dass man,
wenn man ernsthaft Schriftsteller werden will, jeden Tag mindestens vier
Stunden lesen und vier Stunden schreiben MUSS. Und davon bin ich heute noch
weit entfernt. Meilenweit, denke ich, auf einem kleinen Knoblauchstückchen in
meinem Mund rumkauend (Hunde, wollt ihr ewig leben?!). Wenigstens hat die Brühe
dem Knoblauch die Schärfe und hoffentlich auch den Geruch genommen. Nicht, dass
ich heute irgendeinem weiblichen Wesen außer in meiner Fantasie – außer
natürlich in meiner wie immer überbordenden Fantasie – begegnen würde. Ich stehe auf, raffe mich schwerfällig hoch, gehe zur
Küchenzeile und nehme mir einen Löffel, um auch noch die letzten Knoblauchscheibchen
zu erwischen. Lecker! Und das mit dem Geruch kann ich eh alleine nicht nachprüfen…Ich
lege mich aber nicht gleich wieder hin, sondern stelle den Topf auf der
Arbeitsplatte ab und suche nach meinem Trikot. Das kann doch nicht so schwer
sein, denke ich, bei dieser kleinen Wohnung, aber im Bad ist es nicht. Aber da,
über dem Stuhl! Mein altes England-Trikot, in Schottland gekauft, aus besseren
Zeiten. Wie alt mag das jetzt sein? 15, 16 Jahre? Die halten ewig, die halten
echt ewig (Hunde, wollt ihr ewig halten?!). Ich schiebe den Laptop ein bisschen
an Seite und nehme mir das Buch vor. Knausgards sechster Band mit dem
vielversprechenden Titel Kämpfen.
Eben auf dem Klo hab ich noch ein Zitat aus dem Buch ins Internet gestellt. Auf
Twitter. Ich hab ja sonst nichts Besseres zu tun.
Das Zitat lautet: „Geir
behielt vieles für sich, aber das hieß nicht, dass es all diese Gefühle nicht
in ihm gab, nur, dass er sie verbarg.“
Interessant… Wird wohl bei
deiner Tochter genauso sein. Hoffentlich. Morgen fährt sie für eine Woche weg.
Nach Dublin, auf Abschlussfahrt. Dir gefällt der Name Geir. Wenn du irgendwann
einmal noch ein Kind hast, und es ein Junge ist, dann nennst du es Geir. Und
wenn es ein Mädchen wird, dann Liv. Das ist auch norwegisch beziehungsweise
nordisch. Skandinavisch. Als Geier bezeichnet man heutzutage – zumindest laut
deiner Tochter – jemanden, der geizig ist, der anderen nichts abgeben will, der
alles für sich behält. Was ja nicht heißt, dass er diesen Gefühle nicht hat,
unser Geier…
Was man nicht alles von
Teenagern lernen kann. Da sage ich nur: Oha! (Früher hat sie immer zu allem „Absturz“
gesagt, das war auch geil, nur nicht so sehr auf dem Flug in den Urlaub…).
Warum werden eigentlich diese Wörter nie Jugendwörter des Jahres, obwohl sie
jeder benutzt. Obwohl: „Läuft!“, sagt sie auch manchmal, ob es nun läuft oder
nicht.