Er
geht die Straße zur Hauptstraße hoch. Plötzlich kommt ihm dieser Typ entgegen.
Der wohnt glaub ich sogar gegenüber von ihm.
Hast
du den Typen gesehen? Der hat so was im Gesicht. So einen Fleck. Einen
Riesen-Leberfleck. Oder eine Verbrennung, keine Ahnung, was das ist. Der geht
mir voll auf die Eier.
Lass
ihn doch. Der Arme…
Mich
lässt ja auch keiner. Mich lässt ja auch keiner so leben wie ich bin. Wie ich
will. Wie ich wirklich will… Oder?! Bei mir sagt ja auch keiner „der Arme“. Wer
hat denn Mitleid mit mir?! Niemand. Keine Sau. Dieses Lied von Johnny Cash, wo
der sagt, dass niemand mit ihm Mitleid hat. Wie heißt das noch mal? Nobody. Ja, das ist es, Nobody! No mothafucka!
Die
einzige Person, mit der ich vielleicht noch Mitleid hätte, die mein Mitleid
vielleicht noch verdient hätte bist du. Und du brauchst mein Mitleid nicht,
glaub mir das. Du willst es gar nicht. Denn kein Mensch braucht Mitleid. Mitleid
ist nicht gut
Mitleid
ist im Endeffekt doch nur Selbstmitleid. Man fühlt doch nicht mit den anderen,
sondern nur für sich selbst Mitleid. Und Selbstmitleid braucht wirklich keiner.
Genau wie ein schlechtes Gewissen. Das verfickte, verfluchte Über-Ich. Das
wortwörtlich über einem steht. Einem über die Schulter guckt…
Außerdem kenne ich den. Der fährt immer mit mir im Bus, nachts um zwei. Der hat mich einmal sogar angequatscht, als ich ein Bayern-Trikot anhatte. Da hat er irgendeinen Kommentar fallen gelassen. Von wegen: Die kaufen doch eh nur alles leer. So ein Schwachsinn. Als ob Ramos, Aubameyang, Sokratis und wie sie alle heißen (die Zecken), als ob die alle auf und um den Borsigplatz aufgewachsen wären. Was für eine Verarschung!
Außerdem kenne ich den. Der fährt immer mit mir im Bus, nachts um zwei. Der hat mich einmal sogar angequatscht, als ich ein Bayern-Trikot anhatte. Da hat er irgendeinen Kommentar fallen gelassen. Von wegen: Die kaufen doch eh nur alles leer. So ein Schwachsinn. Als ob Ramos, Aubameyang, Sokratis und wie sie alle heißen (die Zecken), als ob die alle auf und um den Borsigplatz aufgewachsen wären. Was für eine Verarschung!
Sein
Bein juckt immer noch. Die Insekten haben auch kein Mitleid. Das sind ja auch
wilde Waldinsekten, keine Stubenfliegen. Aber auch die Stubenfliegen können
einen die ganze Nacht lang nerven. Die machen das einfach so, weil die das machen.
Die nerven oder stechen zu, einfach so, weil die das müssen. Von Natur aus. Die
denken da nicht drüber nach. In der Natur hat auch niemand Mitleid. Im
Tierreich. Oder meinen Sie, menschliche Zivilisation oder Kultur oder was auch
immer uns von den Tieren unterscheidet, wäre genug um die menschliche Natur, die Triebe zu verdrängen oder gar
vergessen zu machen?
Heute
Morgen lief so ein Bericht im Fernsehen. Bei Volle Kanne. So ein Interview mit einer Schriftstellerin, keine Ahnung wie die
hieß (deutsche Schriftsteller kenne ich eh nicht). Die redete über ihre
Kindheit, in den 60er oder 70er Jahren. Keine Ahnung. Auf jeden Fall gehörten
ihre Eltern der 68er Generation an. Auf jeden Fall sagte die irgendwas von
wegen die Freiheit der 68er sei ja schön und gut gewesen. Das hatte ja alles
seine Vorteile und so. War ja alles toll, nur dass die keine Bindung zu ihren
Kindern aufgebaut haben, hatten. Die hätten oder haben alle so an sich, an ihre
eigene, persönliche Verwirklichung, ihre In.di.vi.du.ali.tät gedacht, dass man
sich da schon ein bisschen vernachlässigt fühlte. So sagte die das zumindest,
diese Schriftstellerin. Jeder hat sich nur um sich gekümmert…und dann bleiben
die anderen außen vor. Wurden vernachlässigt. Ja, genau, das sagte sie, „Vernachlässigung“.
Sie sagte nicht Missbrauch. Emotionaler Missbrauch. Er würde Missbrauch sagen.
Schon allein wie die einem ins Gesicht gepafft haben, diese Arschlöcher. Ohne
ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ohne Reue.
Danach
läuft noch so ein Bericht. Über einen Typen, der 11 Jahre arbeitslos ist (und
da sprechen manche von Lügenpresse!). Der war vorher Goldschmied gewesen, aber
dann kam irgendwann industriell gefertigter Schmuck auf und keiner wollte mehr
seinen handgemachten Schmuck kaufen. Weil der zu teuer war oder warum auch
immer. Auf jeden Fall war der dann beim Arbeitsamt und die haben dem dies und
das angeboten, er hat eine Umschulung und keine Ahnung was noch, aber das war
alles irgendwie nichts Richtiges und so ist er dann arbeitslos geblieben. Mittlerweile
ist er 47. Hat eine Tochter, die aussieht wie ein Goth oder Emo in seiner beziehungsweise
ihrer rosa Phase, und die dann natürlich auch noch zu Wort kommt, kommen muss
(als Tochter!). Und die sagt tatsächlich: „Mein Vater ist nicht so wie andere
Väter. Der unternimmt immer was mit mir. Immer wenn ich bei dem bin. Alle zwei
Wochen, am Wochenende.
Moment
mal. Hat er das gerade richtig gehört?! ALLE ZWEI WOCHEN AM WOCHENENDE????!!!!
Man muss sich das echt mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie eine Pille, eine
bittere Pille: Alle zwei Wochen, am Wochenende. Boah, und dann macht der auch
noch jedes Mal was mit der. Ist das nicht geil?! Was für ein geiler Vater! Ich
mein, die sagen ja nicht, woran das liegt, dass die den nur alle zwei Wochen
sieht, aber dann ist der da. Dann steht er Gewehr bei Fuß. Wie ein richtiger
Vater. Vielleicht will er sie ja auch nur alle zwei Wochen bei sich haben?! Wer
weiß das schon?! Vielleicht feiert er ja den Rest der Zeit von seinem
Arbeitslosengeld wilde Sex-Partys mit Prostituierten und Nachbarinnen und
anonymen Internet-Bekanntschaften? Auf denen seine Tochter natürlich fehl am
Platz wäre. Vielleicht wurde er ja sogar gefragt, vielleicht hat sie ja sogar
gesagt: „Komm, lass uns uns jetzt mal ganz vernünftig zusammensetzen und die
Sache durchsprechen. Die Sache mit unserer Tochter. Ja, diese Sache. Vielleicht lief das ja ganz „vernünftig“
ab, ganz „gesittet“, ganz „zivilisiert“. Wir sind ja schließlich immer noch in
Deutschland. Noch… Da kommen doch keine unerwünschten Gefühle dazwischen. In
Deutschland doch nicht! Wer braucht denn schon Gefühle?! Erst recht nicht in
Deutschland. Vielleicht ist die Trennung/Scheidung ja in „beiderseitigem
Einverständnis“ verlaufen. In „beiderseitigem“ „Einverständis“, dieses ultimative
aller Totschlagargumente, wobei er persönlich (aber er ist ja eh bekloppt, das
wissen Sie ja schon aus den anderen Posts in diesem Blog) immer ins Grübeln
kommt: Wenn man sich schon so friedlich, so „einverständlich“ trennt, warum trennt
man sich dann überhaupt?
Aber
dann geht selbst ihm ein Licht auf. Die Antwort ist doch sonnenklar: Weil das
gegenseitige Auseinanderleben genau parallel verlaufen ist. Ist doch logisch,
oder nicht?! Dat soll et ja uch jevve, dat… Im Ersten und Zweiten noch öfter
als bei den Privaten, wo die eher auf „mitten im Leben“ setzen: Polizeiintervention,
überraschende Wendungen, dunkle Geheimnisse, Prostitution, Drogen- und
Spielsucht und Gott weiß was sonst noch. Aber am Ende wird alles genauso gut
wie im Ersten oder Zweiten.
Aber
jetzt mal ganz ehrlich: Es können doch nicht alle so High-Conflict-Scheidungen
durchlaufen wie du. Oder?! Wo würden wir denn dann hinkommen?! Wenn sich alle
nur noch bis aufs Blut bekriegen würden. Dafür sind doch Goldschmiede auch viel
zu friedlich. Da braucht es schon einen ausgewachsenen (oder vielleicht doch
noch nicht ganz so erwachsenen) Philologen. Der kann Ihnen dann auch erklären,
dass das neudeutsche „High-Conflict“ den Konflikt doch schon wieder ein bisschen
entschärft. Oder sagen Sie nicht auch gerne mal „Fuck“, wenn etwas
schiefläuft?! Selbst wenn nicht, dann auf jeden Fall öfter als ficken. Oder die
Bundeswehr-Variante desselben: „Was für eine Fickscheiße! Und so sind nur noch
ein paarJugendliche frustriert. Aber wie sie an der Tochter unseres „armen“
(ist das jetzt Mitleid oder Tatsache?) Goldschmieds sehen können, gehört die
nicht zu den wenigen, frustrierten Jugendlichen, die die Toten Hosen besingen.
Die gehören mittlerweile ja auch einer ganz anderen Generation an…