Mittwoch, 17. August 2016

Türen und Fenster in der Nacht













„Gestern Abend war irgendwie komisch. Ich konnte nicht schlafen und da hab ich die Tür gehört. Die Haustür…das war komisch. Ich könnte schwören…“



„Ich hab da ja so eine Theorie… Dass die Mama nachts zu dir kommt und dann hier übernachtet…“

„Ja, klar“, antwortet sie.

Irgendwie nicht sehr überzeugend.

„Ist ja nur so eine Theorie.“ Er lacht.

So ein Instinkt. Du musst deinen Instinkten vertrauen. Du musst lernen, deinen Instinkten zu vertrauen.

Deinen Killer-Instinkten.




Ein paar Tage später – er liegt gerade im Bett und chattet mit Cristina aus Madrid – hört er wieder Geräusche im Flur. Oder bildet er sich das nur ein. So wie früher, als oben noch diese Schwarzen wohnten, diese Frau und ihr Bruder. Da hörte er auch immer, wie sich seine Tür bewegte. Vielleicht ist das ja auch nur Quatsch. Vielleicht werde ich ja langsam echt bekloppt. Wär ja kein Wunder, bei all der Scheiße.


Aber kurz darauf ist da wieder etwas. Und diesmal könnte er schwören, dass das die Haustür war. Denn die macht eindeutig Geräusche, wenn die geöffnet wird, denn das ist eine dieser alten Holztüren mit Glaseinsatz. Die quietscht zwar nicht immer, aber die macht Geräusche. Immer. Jedes Mal, wenn man sie öffnet. Er lauscht und starrt auf die Tür, die sein Schlafzimmer vom Flur trennt. Scheiße, die ist nicht zu, denkt er, steht so leise wie möglich auf und zieht sich die blaue Shorts an. Denkt einen Moment, sich eine der Glasflaschen zu nehmen, die hier überall rumstehen. Aber dann such er nur seinen Schlüssel. Als er ihn gefunden hat, öffnet er langsam die einfache Holztür, die den Flur mit seinem Schlafzimmer verbindet. Nichts. Er tritt in den Flur und macht das Licht an. Das Flurlicht ist mit dem Außenlicht verbunden, so dass draußen, vor der Tür, auch das Licht angeht. Er tritt in den Hof und hört ein Auto vor dem Haus losfahren. Ohne nachzudenken geht er schnell zum Tor zur Straße, öffnet es und da steht wirklich jemand. Ein Typ. Keine drei Meter von ihm entfernt. Auf der Straße um halb zwölf. Als der Typ ihn sieht, geht er gegenüber in das Haus. Da, wo der Handwerker seine Firma hat. Komisch, der sah noch ziemlich jung aus. Den hab ich hier noch nie gesehen. Komisch. Das Auto verpasst er leider. Scheiße. Denn genau in dem Moment, in dem er auf die Straße tritt, ist es weg. Er hat noch nicht mal Zeit, sich die Marke oder gar das Nummernschild zu merken. Er blickt zum Fenster seiner Tochter. Die Jalousie ist unten, aber es kommt ihm so vor, als wäre da Licht. Als hätte sie noch Licht an…


Später tritt er noch mal vor die Tür, in den Innenhof, bleibt aber vor dem verschlossenen Tor zur Straße stehen und lauscht in die Nacht hinein. Er hört nichts, spürt aber was. Fühlt was. Plötzlich dreht er sich um und geht zurück zur Haustür. Heute ist Vollmond. Er sieht den hellen Mond zwischen den Bäumen, geht zurück in den Flur und schließt die Haustür leise mit dem Schlüssel ab