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Donnerstag, 12. Januar 2017

Innerer Monolog










bei mir muss eh keiner zuhören

interessiert ja eh keinen, was ich sage

aber wann soll ich denn was sagen? Wenn ich von der Brücke gesprungen bin? Wenn ich unter der Erde liege? Oder jetzt?!

für mich muss sich ja eh keiner interessieren

alles, was ich sage, prallt ungehört ab. Denken die eigentlich alle, ich bin so stark, dass ich schon damit klarkommen werde? Irgendwie? Irgendwann? Oder denken die gar nichts

oder denken die, dass ich so dumm bin

wahrscheinlich Letzteres

das war mein ganzes Leben lang so…ich kenne das ja gar nicht anders. Wer als Kind schon auf Außenseiter geeicht

kein Wunder, dass ich mit mir selbst rede

ich hab mich das schon oft gefragt, warum das so ist: Ist das nur so, weil die Leute eh alle gleichgültige Arschlöcher sind, die sich für niemanden außer sich selbst interessieren; oder ist das wegen mir so                        weil mich keiner will oder muss

denkt nur alle weiter, ihr könnt sowieso nicht helfen, sowieso nichts tun

bei den Leuten im Fernsehen, in den Serien fühlt man mit, aber bei den echten Personen im wahren Leben ist das zu viel verlangt

irgendwann hörst du auf zu reden. Weil dir ja eh keiner zuhört      wenn du keine Komödie mehr spielst            wenn du es ernst meinst

hilft ja eh nichts

warum sollte sich das jemals ändern

vielleicht wollen die ja, dass ich kaputtgehe

vielleicht wollen die mich ja leiden sehen

vielleicht genießen die das ja. Und denen geht es umso besser je schlechter es mir geht

warum bin ich es nicht wert, dass man was für mich tut

einmal was für mich tut






Donnerstag, 18. August 2016

Mitleid - Folge 385: "Der Arme"













Er geht die Straße zur Hauptstraße hoch. Plötzlich kommt ihm dieser Typ entgegen. Der wohnt glaub ich sogar gegenüber von ihm.

Hast du den Typen gesehen? Der hat so was im Gesicht. So einen Fleck. Einen Riesen-Leberfleck. Oder eine Verbrennung, keine Ahnung, was das ist. Der geht mir voll auf die Eier.

Lass ihn doch. Der Arme…

Mich lässt ja auch keiner. Mich lässt ja auch keiner so leben wie ich bin. Wie ich will. Wie ich wirklich will… Oder?! Bei mir sagt ja auch keiner „der Arme“. Wer hat denn Mitleid mit mir?! Niemand. Keine Sau. Dieses Lied von Johnny Cash, wo der sagt, dass niemand mit ihm Mitleid hat. Wie heißt das noch mal? Nobody. Ja, das ist es, Nobody! No mothafucka!



Die einzige Person, mit der ich vielleicht noch Mitleid hätte, die mein Mitleid vielleicht noch verdient hätte bist du. Und du brauchst mein Mitleid nicht, glaub mir das. Du willst es gar nicht. Denn kein Mensch braucht Mitleid. Mitleid ist nicht gut



Mitleid ist im Endeffekt doch nur Selbstmitleid. Man fühlt doch nicht mit den anderen, sondern nur für sich selbst Mitleid. Und Selbstmitleid braucht wirklich keiner. Genau wie ein schlechtes Gewissen. Das verfickte, verfluchte Über-Ich. Das wortwörtlich über einem steht. Einem über die Schulter guckt…



Außerdem kenne ich den. Der fährt immer mit mir im Bus, nachts um zwei. Der hat mich einmal sogar angequatscht, als ich ein Bayern-Trikot anhatte. Da hat er irgendeinen Kommentar fallen gelassen. Von wegen: Die kaufen doch eh nur alles leer. So ein Schwachsinn. Als ob Ramos, Aubameyang, Sokratis und wie sie alle heißen (die Zecken), als ob die alle auf und um den Borsigplatz aufgewachsen wären. Was für eine Verarschung!




Sein Bein juckt immer noch. Die Insekten haben auch kein Mitleid. Das sind ja auch wilde Waldinsekten, keine Stubenfliegen. Aber auch die Stubenfliegen können einen die ganze Nacht lang nerven. Die machen das einfach so, weil die das machen. Die nerven oder stechen zu, einfach so, weil die das müssen. Von Natur aus. Die denken da nicht drüber nach. In der Natur hat auch niemand Mitleid. Im Tierreich. Oder meinen Sie, menschliche Zivilisation oder Kultur oder was auch immer uns von den Tieren unterscheidet, wäre genug um die menschliche Natur, die Triebe zu verdrängen oder gar vergessen zu machen?




Heute Morgen lief so ein Bericht im Fernsehen. Bei Volle Kanne. So ein Interview mit einer Schriftstellerin, keine Ahnung wie die hieß (deutsche Schriftsteller kenne ich eh nicht). Die redete über ihre Kindheit, in den 60er oder 70er Jahren. Keine Ahnung. Auf jeden Fall gehörten ihre Eltern der 68er Generation an. Auf jeden Fall sagte die irgendwas von wegen die Freiheit der 68er sei ja schön und gut gewesen. Das hatte ja alles seine Vorteile und so. War ja alles toll, nur dass die keine Bindung zu ihren Kindern aufgebaut haben, hatten. Die hätten oder haben alle so an sich, an ihre eigene, persönliche Verwirklichung, ihre In.di.vi.du.ali.tät gedacht, dass man sich da schon ein bisschen vernachlässigt fühlte. So sagte die das zumindest, diese Schriftstellerin. Jeder hat sich nur um sich gekümmert…und dann bleiben die anderen außen vor. Wurden vernachlässigt. Ja, genau, das sagte sie, „Vernachlässigung“. Sie sagte nicht Missbrauch. Emotionaler Missbrauch. Er würde Missbrauch sagen. Schon allein wie die einem ins Gesicht gepafft haben, diese Arschlöcher. Ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Ohne Reue.



Danach läuft noch so ein Bericht. Über einen Typen, der 11 Jahre arbeitslos ist (und da sprechen manche von Lügenpresse!). Der war vorher Goldschmied gewesen, aber dann kam irgendwann industriell gefertigter Schmuck auf und keiner wollte mehr seinen handgemachten Schmuck kaufen. Weil der zu teuer war oder warum auch immer. Auf jeden Fall war der dann beim Arbeitsamt und die haben dem dies und das angeboten, er hat eine Umschulung und keine Ahnung was noch, aber das war alles irgendwie nichts Richtiges und so ist er dann arbeitslos geblieben. Mittlerweile ist er 47. Hat eine Tochter, die aussieht wie ein Goth oder Emo in seiner beziehungsweise ihrer rosa Phase, und die dann natürlich auch noch zu Wort kommt, kommen muss (als Tochter!). Und die sagt tatsächlich: „Mein Vater ist nicht so wie andere Väter. Der unternimmt immer was mit mir. Immer wenn ich bei dem bin. Alle zwei Wochen, am Wochenende.

Moment mal. Hat er das gerade richtig gehört?! ALLE ZWEI WOCHEN AM WOCHENENDE????!!!! Man muss sich das echt mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie eine Pille, eine bittere Pille: Alle zwei Wochen, am Wochenende. Boah, und dann macht der auch noch jedes Mal was mit der. Ist das nicht geil?! Was für ein geiler Vater! Ich mein, die sagen ja nicht, woran das liegt, dass die den nur alle zwei Wochen sieht, aber dann ist der da. Dann steht er Gewehr bei Fuß. Wie ein richtiger Vater. Vielleicht will er sie ja auch nur alle zwei Wochen bei sich haben?! Wer weiß das schon?! Vielleicht feiert er ja den Rest der Zeit von seinem Arbeitslosengeld wilde Sex-Partys mit Prostituierten und Nachbarinnen und anonymen Internet-Bekanntschaften? Auf denen seine Tochter natürlich fehl am Platz wäre. Vielleicht wurde er ja sogar gefragt, vielleicht hat sie ja sogar gesagt: „Komm, lass uns uns jetzt mal ganz vernünftig zusammensetzen und die Sache durchsprechen. Die Sache mit unserer Tochter. Ja, diese Sache. Vielleicht lief das ja ganz „vernünftig“ ab, ganz „gesittet“, ganz „zivilisiert“. Wir sind ja schließlich immer noch in Deutschland. Noch… Da kommen doch keine unerwünschten Gefühle dazwischen. In Deutschland doch nicht! Wer braucht denn schon Gefühle?! Erst recht nicht in Deutschland. Vielleicht ist die Trennung/Scheidung ja in „beiderseitigem Einverständnis“ verlaufen. In „beiderseitigem“ „Einverständis“, dieses ultimative aller Totschlagargumente, wobei er persönlich (aber er ist ja eh bekloppt, das wissen Sie ja schon aus den anderen Posts in diesem Blog) immer ins Grübeln kommt: Wenn man sich schon so friedlich, so „einverständlich“ trennt, warum trennt man sich dann überhaupt?

Aber dann geht selbst ihm ein Licht auf. Die Antwort ist doch sonnenklar: Weil das gegenseitige Auseinanderleben genau parallel verlaufen ist. Ist doch logisch, oder nicht?! Dat soll et ja uch jevve, dat… Im Ersten und Zweiten noch öfter als bei den Privaten, wo die eher auf „mitten im Leben“ setzen: Polizeiintervention, überraschende Wendungen, dunkle Geheimnisse, Prostitution, Drogen- und Spielsucht und Gott weiß was sonst noch. Aber am Ende wird alles genauso gut wie im Ersten oder Zweiten.

Aber jetzt mal ganz ehrlich: Es können doch nicht alle so High-Conflict-Scheidungen durchlaufen wie du. Oder?! Wo würden wir denn dann hinkommen?! Wenn sich alle nur noch bis aufs Blut bekriegen würden. Dafür sind doch Goldschmiede auch viel zu friedlich. Da braucht es schon einen ausgewachsenen (oder vielleicht doch noch nicht ganz so erwachsenen) Philologen. Der kann Ihnen dann auch erklären, dass das neudeutsche „High-Conflict“ den Konflikt doch schon wieder ein bisschen entschärft. Oder sagen Sie nicht auch gerne mal „Fuck“, wenn etwas schiefläuft?! Selbst wenn nicht, dann auf jeden Fall öfter als ficken. Oder die Bundeswehr-Variante desselben: „Was für eine Fickscheiße! Und so sind nur noch ein paarJugendliche frustriert. Aber wie sie an der Tochter unseres „armen“ (ist das jetzt Mitleid oder Tatsache?) Goldschmieds sehen können, gehört die nicht zu den wenigen, frustrierten Jugendlichen, die die Toten Hosen besingen. Die gehören mittlerweile ja auch einer ganz anderen Generation an…












Samstag, 30. Juli 2016

Weltmeister im Leiden










Er guckt diese spanische Serie, El ministerio del tiempo, oder auf Deutsch das „Ministerium der Zeit“. Da wo die in der Zeit rumreisen, um berühmte Persönlichkeiten der spanischen Geschichte zu retten. Don Quijote, Picasso, Dalí, Lorca, den Cid. Und in einer Folge sagt der Leiter des Ministeriums zu einem seiner Mitarbeiter, der noch immer schwer am Tod seiner Frau in einem Verkehrsunfall zu knabbern hat: „Du glaubst von dir selbst, du bist der campeón del sufrimiento, der Weltmeister des Leidens, der Weltmeister des Leides...im Leiden.

Und irgendwie ist dieser Satz hängengeblieben. Irgendwie. Kommt immer wieder hoch. Und wenn ein Satz hängen bleibt, dann ist er wichtig. Nicht nur, weil du immer noch das Ministerium der Zeit guckst. Und wenn etwas immer wieder hochkommt…dann will es raus.

Das ist so wie das, was Stephen King über das Schreiben und die Ideen für neue Geschichten gesagt hat. Er schreibt sich nie etwas auf. Selbst wenn er eine grandiose Idee hat… Erst, wenn eine Geschichte sich ihm aufdrängt, wenn er immer wieder daran denken muss, wenn sie eben „hängen bleibt", dann ist sie wichtig genug, von ihm niedergeschrieben zu werden.

Und bei dir ist das dieses Gespräch aus der Serie. Dieser Satz: „Miguel…du denkst, du bist der Weltmeister im Leiden."

Du bist auch so ein kleiner Weltmeister im Leiden. Denkst, du wärst der Einzige, der Probleme hat. Der Einzige auf dieser Welt. Der Einzige, der ein Opfer ist. Der Einzige, der Post after Post darüber schreibt, wie sehr ihn das Verlassenwerden, der Verrat seiner Ex verletzt hat. Der Einzige, der allein ist, der einsam ist, der niemanden hat, dessen Leben Scheiße ist…

Aber das bist du nicht, genau wie der Typ aus der Serie das nicht ist – obwohl er es glaubt. Du bist eigentlich gar nicht allein. So toll bist du auch nicht. Dass du der Einzige wärst. So besonders. Denn es gibt ganz viele Weltmeister im Leiden. Alle auf Platz eins. Alle ganz oben auf dem Treppchen. Alle haben eine Goldmedaille, einen Pokal, eine Urkunde…

Und alle sitzen alleine im stillen Kämmerlein.

Und genau da liegt das Problem: Wir leiden alle allein. Wir sitzen alle im stillen Kämmerlein und leiden alleine vor uns hin. Schreiben uns unsere Sorgen vielleicht sogar auf. Führen ein Leidens-Tagebuch, ein Sorgenbuch, ein Angstbuch. Oder machen uns die ganze Zeit Gedanken. Tagein, tagaus. Denken immer wieder über alles nach. Über alles und jeden. Jede Kleinigkeit. Jedes Detail löst in uns wahre Gedankenströme aus, Gedankenfluten, die wir nicht lösen können – alleine. Und genau deswegen, weil wir es doch versuchen (obwohl wir wissen, dass wir es nicht können), kommen die Gedanken immer wieder hoch. Wir sind sozusagen psychische Wiederkäuer, jeder für sich alleine. Weil wir uns schämen, für das, was wir sind, was wir geworden sind, was wir falsch gemacht haben, einfach für alles. So sind wir. Wir campeones… campeones…! Wir trauen uns nicht, uns zu verbinden, zu anderen Leidenden, anderen Weltmeistern in Kontakt zu treten, Networking zu betreiben, wie man das Auf Neudeutsch so schön nennt.

Wir sitzen lieber alleine im stillen Kämmerlein und leiden vor uns hin. Weil man uns schon von klein auf darauf abgerichtet hat, genau das zu tun. Wir erzählen unsere Probleme niemandem. Weil wir niemanden haben (und sagen Sie nicht, man hat  immer jemanden, denn das stimmt nicht…immer). Er zum Beispiel hat niemanden und er ist bestimmt nicht der Einzige auf dieser Welt. Er ist bestimmt nicht der (einzige) Weltmeister im Leiden. Bestimmt ist er nur Durchschnitt. Kreisklasse. Regionalliga.

Nur Leute, die leiden, die reden nicht einfach so über ihr Leid, die binden das nicht jedem gleich auf die Nase, die tun so als ob, die halten die Fassade aufrecht, die schweigen lieber. Oder sie blitzen immer wieder ab, weil ihnen eh nicht zugehört wird. Weil sie unangenehm sind, aufdringlich, nicht „normal“, penetrant, nervig, zu intensiv, anstrengend, zu sensibel und weil sie einen wütend machen. Weil die Leute das nicht hören wollen. Fick die Leute! Die Leute wollen nicht hören, was sie zu sehr an ihren eigenen Leidensweg erinnert, an ihr eigenes Scheitern. Sie wollen „schöne“ Geschichten hören. „Nette“ Geschichten, am besten mit Happy End! Sie wollen den Scheiß nicht hören, das Leiden anderer Weltmeister im Leiden. Das ist so, wie das, was dein Vater dir im Krankenhaus gesagt hat, damals. Der doppelte Bypass hält ihn doch nicht davon ab, dich noch runterzumachen. Oder?! Ihn doch nicht! Auf dem Sterbebett würde er wahrscheinlich noch sagen: „Sohn, du bist nichts. Du hast niemanden. Deine Frau ist weggelaufen…und um ehrlich zu sein: Ich kann sie verstehen! Selbst deine Tochter besucht dich fast nicht mehr.“ Auf jeden Fall, damals im Krankenhaus, da sagte er wortwörtlich, mit diesem abfälligen Tonfall, den du nur allzu gut aus deiner Kindheit und Jugend kanntest: „Das will doch keiner lesen, was du schreibst. Die Leute wollen „schöne“ Geschichten. Und nicht das.“ Ein Mann, der in seinem Leben keine fünf Bücher gelesen hatte, sagte dir was gute Literatur ist. Der du tausende von Seiten auf Englisch und Spanisch gelesen hast! Sagte dir, was die Leute wollen. Als ob du ein kleines Kind wärst. Als ob du nicht Literatur studiert hättest. Und das Beste ist: Du hast es dir zu Herzen genommen. Wie so viel, was du dir nicht hättest zu Herzen nehmen sollen. Es aber getan hast. Es runtergeschluckt hast, wie eine Prostituierte Sperma, obwohl du nicht wolltest, obwohl du es hättest eigentlich besser wissen sollen…müssen.

Aber so sind wir. Wir Leider. Wir sind Masochisten. Nicht im sexuellen Sinne, wie sein Kollege, Herr Baden, das einmal hervorgehoben hat, nachdem er seine Leidensgeschichte genüsslich zu Ende gehört hatte.

Und die anderen? Die, die nicht oder nur wenig leiden, die sind keine Masochisten. Wenn schon, dann Sadisten. Die sind eine Masse, ein Block. Die halten zusammen. Die haben Freunde. Die haben Familie. Die haben Bekannte. Die haben Geliebte. Die finden schnell Anschluss. Oder zumindest kommt es uns in unserem unendlichen Leid so vor. Die lachen gemeinsam, die feiern, die gehen raus, die geben sich ihre Telefonnummern, rufen sich an, die genießen das Leben. Weil sie „locker“ bleiben. Weil sie „cool“ sind. Weil sie nichts an sich heranlassen. Weil sie sich für nichts einen Scheiß interessieren. Das kratzt die einfach nicht. Egal, wie sehr wir denken, dass es sie genauso berührt wie uns, das tut es nicht! Egal, wie sehr wir denken, dass sie genauso über die Dinge nachdenken wie wir, das tun sie nicht. Oder wahrscheinlich nicht.

Und wir sind weiter alleine, ganz alleine, unverstandene Weltmeister im Leiden. Jeder für sich. Keiner weiß vom anderen, obwohl er ihm vielleicht helfen könnte. Ihn vielleicht anders als Eltern, Kinder, Freunde, Bekannte, Verwandte verstehen könnte. Und so sitzen wir da, jeder für sich, jeder in seinem Gefängnis, jeder am Leiden wie ein Weltmeister. Weil wir arm sind. In der Spaßgesellschaft. Weil wir nicht wissen, wie wir über die Runden kommen sollen…weil wir Schulden haben…keine „schöne“ Wohnung…kein Haus…keine Yacht…kein Auto…weil wir einsam sind…weil wir niemanden haben, der uns zuhört, uns tröstet, uns berührt, uns fickt…weil wir schüchtern, gehemmt, verklemmt sind… weil wir hässlich sind…oder das denken…weil wir überhaupt immer zuerst daran denken, was die anderen über uns denken könnten (ohne das natürlich genau zu wissen)…weil wir gemobbt worden…werden…ignoriert werden…nicht für „voll“ genommen werden (obwohl wir doch voller Alkohol oder Drogen sind)…weil wir Außenseiter sind…Opfer von Missbrauch…weil wir verlassen worden…viel zu früh verlassen worden…von allen guten und schlechten Geistern verlassen worden…nicht geliebt worden…weil wir ein Kindheitstrauma haben…weil wir anders sind…trauriger…depressiver…bipolarer …schizophrener…mutistischer…ach, einfach anders (und jetzt lass mich in Ruhe)…weil wir nicht dazugehören (das noch nie getan haben)…weil wir keine Freunde haben…keine netten Nachbarn…weil wir arbeitslos sind…weil wir die falsche Arbeit haben…weil wir ständig unglücklich sind (wer will schon mit „so jemandem“ zusammen sein, geschweige denn reden?!)…weil wir Arschlöcher sind…weil wir gemein sind…richtig fies…weil wir alt sind…oder werden…gebrechlich…weil wir Angst vor allen haben…weil wir Angst vor dem Tod haben.


weil wir…

…kreativer sind…

…schlauer

…schöner…

…sensibler

…intelligenter…

…feingeistiger…

…weiser…

…ehrlicher…

...nachdenklicher…


Boah, wenn wir aufhören würden zu leiden…

Wir alle…

Oder zumindest mit all unserem Leid, unseren Sorgen, unseren Ängsten nach oben kommen würden, wenn wir alle hochkommen würden aus dem stillen Kämmerlein…

…an die Oberfläche…

…an die Öffentlichkeit…

Wenn wir alle unsere Geschichte erzählen würden…

…boah…

…dann…