Sonntag, 3. April 2016

Rammstein im Wald










Morgens steht er schon um kurz nach neun bei seiner Arbeit wieder auf der Matte. Gisela sitzt vor dem Computer. So fröhlich er das eben im Moment kann sagt er: „Arbeiten! Nicht vor dem Computer hängen!“

„Ja, ja, du hängst doch auch den ganzen Tag vor dem Computer“, antwortet Gisela.

Erwischt!

Sie hockt vor irgendwelchen Kaufseiten. Noch jemand, der versucht die Leere in seinem Inneren zu überbrücken. Zumindest temporär.

„Hast du hier geschlafen oder warum bist du schon wieder hier?!“

„Ja, auf der Parkbank da draußen. Hast du mich nicht gesehen?“


Sie steht auf, geht zum Kassenhäuschen.

„Ne, ich brauch die Leiter. Sonst mach ich das nie. Wenn ich die heut nicht hole…“

Sonst macht er den Schrank nie. Aber das sagt er ihr besser nicht. Sonst fragst du wieder, ob ich umgezogen bin. Und so weiter. Und so weiter. Bei Gisela gilt die Regel: Je weniger Informationen, desto besser. Da hat er jetzt echt keinen Bock drauf. Eigentlich wollte er den Schrank ja so lassen wie er ist. Wenn es nach ihm ginge, dann würden die einzelnen Teile immer noch im Wohn-Schlafzimmer verstreut dastehen. An die Wand gelehnt, hinter dem Bett. Aber das ist ja so kein Zustand. Was soll denn deine Tochter denken. Und noch wichtiger: Der Vermieter! Wie sieht das denn aus, wenn der von draußen reinguckt! Was sollen denn die Leute denken?! Nichts Gutes, das tun sie nie. Also hat er sich letzte Woche endlich dazu durchgerungen, den Schrank aufzubauen. Mit seiner Tochter. Alleine hätte er das nie geschafft. Nicht physisch oder handwerklich, das wär kein Problem gewesen. Aber psychisch.

Und jetzt fehlen nur noch die Türen. Die Schwebetüren. Die gefühlte 1000 Kilo wiegen. Und für deren Laufleiste er jetzt die Leiter braucht. Eigentlich baut er den Schrank nur für andere auf, nicht für sich selbst. Er kann auch noch zwei Jahre aus dem Koffer leben. Und sich dann verpissen. Eigentlich lebt er nur für andere. Aber das ist ja nichts Neues. Das war ja schon immer so. Nur jetzt, wo er alleine ist, tritt es stärker zum Vorschein.

Er holt sich die Leiter und will sich gerade von Gisela verabschieden, als sie sagt: „Bist du denn mit dem Auto hier? Mit deiner Frau?“

„Nö“, antwortet er kleinlaut. Wenn die wüsste…

Auto weg. Frau weg.

„Ne, so.“

„Echt?“

Sie sagt: „Wenn ich jemand hätte, dann würd ich dem sagen, der soll dich fahren, aber ich hab keinen.“

Er auch nicht.

Und warum sagt die das von seiner Frau. Die schon lange nicht mehr existent ist. Hä, weiß die das etwa nicht…? Immer noch nicht…? Geil! Dann geht ja seine Strategie auf. Eisernes Schweigen. Das hat er von seiner Frau gelernt. Keiner kann so gut schweigen wie ein Andenbewohner. Das liegt bei denen im Blut, genau wie das Tanzen.

„Ne, das geht schon…das sind Autofahrerprobleme…Probleme, die nur Autofahrer haben.“

Er macht sich auf den Weg. Mit der Leiter in der Hand. Abwechselnd in der Rechten und der Linken. Hält nur noch kurz an, um seinen MP-3-Player anzumachen. Rammstein. Genau, das ist es jetzt. Rammstein. Das hat er sich draufgemacht. Und dafür Taylor runtergeschmissen. Die hatte er eh schon viel zu oft gehört. Er braucht jetzt etwas Härte. Immer diese traurigen Balladen, das hilft auch nicht weiter. Also hat er Radiohead und Taylor Swift runtergenommen und durch Rammstein und Nirvana ersetzt. Vielleicht hilft ihm das ja über seine Gefühlsduseligkeit hinwegzukommen. Nicht mehr zu trauern, sondern zu kämpfen. Zurückzuschlagen.

Aber nicht „Liebe ist für alle da“. Mit seinen Liedern über Sado-Maso-Sex, Sex im Ausland und Natascha Kampusch. Das Rammlied wär gut, ist aber hier komischerweise nicht drauf. Keine Ahnung warum. Also drückt er die Lieder weiter, während er mit seiner Leiter durch Tannenbusch marschiert. Wie ein Handwerker. Am Berg in Richtung Wald kommt schließlich endlich der Durchbruch. Der Rammstein-Durchbruch. Auch ganz ohne das Rammlied.
Die denken bestimmt du bist Handwerker, denkt er, als er durch Tannenbusch läuft. Oder du hast dir irgendwo eine Leiter geliehen. Und jetzt spazierst du mit ihr durch den Wald…

…ist doch scheißegal, was die denken. Kann dir doch egal sein. Kann denen doch egal sein.

…und wenn du eine Leiter spazieren führst.

Er läuft den Berg hoch. Vorbei an dem kleinen Hotel, den Einfamilienhäusern, der Klinik. Es ist sonnig. Das ist der erste gute Tag des Jahres. Der erste richtig warme Tag des Jahres, meine ich natürlich. Ob er gut ist, wird sich noch herausstellen. Der Himmel ist blau. Er hört Rammstein. Der Pimmel ist blau…äh…Tschuldigung. Perdón. Die Lieder fliegen nur so an ihm vorbei und fast denkt er schon, dass Rammstein doch nicht das Richtige ist. Dass Rammstein doch nicht den richtigen Härtegrad hat, um Eminem, Taylor, Morrissey und Radiohead endgültig aus seinem Kopf zu vertreiben. Die „Neue Deutsche Härte“… Doch dann bleibt er doch noch an einem Leid hängen. An einer Textzeile. Etwa auf Höhe des Waldkrankenhauses (was natürlich hier keineswegs symbolisch gemeint sein soll: Auf Höhe des Waldkrankenhauses blieb er an einem Lied hängen…musste notoperiert werden…konnte nicht mehr gerettet werden…bis er von der blonden Krankenschwester mit den großen…Ohren von den Toten erweckt wurde…).

Das Lied heißt „Benzin“ und ein Satz schlägt ein wie eine Bombe: Willst du dich von etwas trennen, dann musst du es verbrennen
Willst du es nie wiedersehen, dann lass es schwimmen…in Benzin.

Und dann ist er drinnen. Gefangen im Rammstein-Universum. In der Dunkelheit... In der Einsamkeit…

Und das bei all dem Sonnenschein…

Und das am bisher wärmsten Tag des Jahres…

am sonnigsten Tag des Jahres…

Danach geht es nur noch aufwärts. Es kommt „Mann gegen Mann“, das vom Schwulsein handelt. Und wie immer weiß man nicht, ob Lindemann das ironisch oder ernst meint. Er selbst ist zwar (leider) immer noch nicht schwul, sein Schlagbaum hängt immer noch am „rechten“ Fleck, aber als Lindemann „Schwuler“ ins Mikro schreit, wünscht er sich fast, er wäre es. Das würde so einiges einfacher machen.

Seh ich dann nach unten weg…

Und es wird immer besser, je weiter er nach oben kommt, nimmt ihn gefangen, zieht in seinen Bann, spricht ihm förmlich aus der Seele, das  Rammstein-Universum. Das ihn läutern wird, ihn als völlig neuen Menschen wieder ausspucken wird.

Tiefe Wunden muss man graben, wenn man klares Wasser will…

Ja, ich will…

„Spring“ erinnert ihn an sich selbst. Wie er fast gesprungen wär. Nie gesprungen wär. Nicht freiwillig. Denn wie er zu der Psychologin so trefflich gesagt hat: „Ich habe nur ein Leben…warum sollte ich mich dann umbringen.“ Ich muss leiden, leiden, leiden, bis es nicht mehr geht. Jeden Tag ans Kreuz genagelt werden, bis keine Löcher mehr vorhanden sind. Oder nur noch Löcher.

Das geschriene und trotzdem melodische „Erlöse mich…“ hat hier oben, über den Dächern von Bonn, kurz vor dem Wald, eine besondere, fast mystische Bedeutung.

Die wollen alle, dass ich springe. Die alle. Deine Mutter, deine Frau, dein Vater, alle. Aber den Gefallen wirst du denen nicht tun. Du bist stärker… Du wirst nicht für die springen. Niemals. Sollen sie doch selber springen.

Nadine mit ihrem: „Ich weiß gar nicht, ob ich dann überhaupt noch lebe...“ oder ihrem „Dann bring ich mich eben um.“ Was vielleicht wie eine harmlose Spinnerei klingt, wenn man außer Betracht lässt, dass sich ihr Vater tatsächlich umgebracht hat. Aber wer weiß: Vielleicht wurde er auch von ihrer Mutter in den Selbstmord getrieben. Oder vielleicht sogar von ihr umgebracht. Wer weiß das schon. Seine schriftliche Erklärung, dass niemand an seinem Tod schuld sei, klingt zumindest verdächtig. Kann er sich bei Nadines Mutter richtig gut vorstellen. Fast schon bildlich. „Schreib,  Alfonso! Schreib schon…!“

…que yo no tengo la culpa…

Aber in meiner Familie gibt es keine Selbstmörder. Dann schon eher Mörder. Bestimmt. Mein Opa, im Zweiten Weltkrieg.

Deutsche Seele, erwache…hier im Wald, wo du begraben liegst (das meine ich natürlich genau wie Lindemann zutiefst ironisch, wo denken Sie hin?!)

Aber lassen wir das. Kommen wir lieber zum nächsten Lied. Das heißt „Wo bist du“ und passt sowas von wie die Faust aufs Auge.

Ich liebe dich nicht. Ich liebe dich nicht mehr. Oder weniger als du.

Boah, da bleibt einem ja die Spucke weg, denkst du, fast ganz oben angekommen. Mit deiner Leiter, abwechselnd in der linken und in der rechten Hand.

Als du mich geliebt hast. Als du mich noch geliebt hast.

Such ich dich, hinter dem Licht. Wo bist du? So allein, will ich nicht sein. Wo bist du?

Das klingt fast wie die Hymne deines letzten Lebensjahres. Hinter dem Licht des Waldes, der jetzt immer dichter wird, immer undurchdringlicher. Der Wald deiner Existenz. Der deutsche Wald. Sonnendurchflutet. Einsam. Noch immer recht kalt.

Du stellst die Leiter kurz ab und genau in diesem Moment kommt dir ein Pärchen entgegen. Wie peinlich, denkst du, denkt er. Mit einer Leiter hier im Wald. Wie peinlich. Aber es hilft ja nichts. Du musst den Schrank ja für alle zusammenbauen. Für María, für den Vermieter, für… Der muss ja stehen, um deinem Leben eine oberflächliche Konstanz zu geben, die es schon lange nicht mehr hat. Oder eben nur an der Oberfläche. Aber das ist ja bei uns allen so. Wenn wir ehrlich sin.

Sind wir aber nicht…

Kurz vor der Lichtung, kurz vor dem Försterhaus kommt dann noch „Stirb nicht vor mir“, was du so im Moment nicht unbedingt uneingeschränkt unterschreiben würdest. Das Lied verleiht dem hellen, warmen, aber zugleich dunklen, kalten Wald um dich herum eine fast mystische Aura. Eine Ordnung inmitten des Chaos. Wie in deinem Leben. Wie in deinem Leben? Du schaust dir die Baumstämme an. Manche schief, manche gerade, manche dick, manche dünn, das Laub noch immer nicht von Grün bedeckt. Wir kann schon das Gewirr aus Stämmen, Ästen, Zweigen und dem ein oder anderen Stumpf entwirren. Aber trotzdem ist es Teil eines ausgeklügelten Systems. Einer Ordnung im Chaos der jedes Jahr neu wuchernden Natur. Es gibt wohl beides, obwohl dein Leben wohl eher in Richtung des Letzeren tendiert. Oder andersrum?

Der Himmel ist komplett blau, fast wie in Cádiz. Plötzlich kommt dir dieser Gedanke, der dir Kraft gibt: Hass dauert in deiner Familie ein ganzes Leben lang. Ein ***** vergisst nicht so einfach, hakt die Vergangenheit nicht so einfach ab, verzeiht fast nie und wenn dann nur an der Oberfläche. Denn unter der Oberfläche brodelt es. Wie in dem pechschwarzen Moorboden, an dem du vorbeikommst. So pechschwarz wie die Seele deiner Familie. Und obwohl dein Vater immer wieder betont, dass man vergeben und vergessen muss, sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Auch bei ihm. Besonders bei ihm. Unter der vernünftigen Oberfläche.

Du, er kommt zu dem einsamen Häuschen mitten im Wald. Dass er immer als Försterhäuschen bezeichnet, obwohl er nicht weiß, ob es das auch wirklich ist. Das mit dem Kreuz an der Einfahrt. Dem alten Steinkreuz, An dem er sich – mit dem Alter ohnehin schwindender Atheismus hin und her – immer bekreuzigt, so als glaube er an Gott. Tut er vielleicht ja auch. Manchmal betet er hier sogar leise das Vaterunser. Nach innen gekehrt. Das Häuschen wirkt hier wie ein letzter Außenposten der Zivilisation, selbst im strahlenden Sonnenschein dieses frühlingshaften Aprilmorgens. Das letzte Kreuz auf dem Weg zur Hölle. Am Tor zur zumindest grünen Hölle. Wie muss sich der römische Kommandant gefühlt haben? Der Himmel die Farbe von Blei, der Wald dicht, die wilden Gesichter hinter den Bäumen, der Fluss führt immer tiefer in unbekanntes Terrain hinein, in das Unbekannte

Der deutsche Wald hat das auch, dieses Gefühl…

Die Römer konnten Germanien nie ganz erobern. Die Seele dieses Waldes hat sich ihnen nie ganz gebeugt.

Das Försterhaus der letzte Außenposten, bevor du wieder in die Zivilisation zurückkehrst. In die Zivilisation jenseits des Waldes, der Tannen. Du fragst dich immer, wie der Förster, oder wer auch immer da wohnt, sich wohl abends fühlt, wenn er allein Zuhause ist.

María sagt dann immer, dass sie das nicht könnte. Du schon, und das weißt du auch.

Mittlerweile bist du am Tannenwald angekommen, der immer ein bisschen finsterer, immer ein bisschen dichter ist als der Rest des Waldes.

„Hier spukt’s!“ sagst du hier immer zu María, wenn du mit ihr Joggen gehst.

„Hier gibt es Geister.“

Der Geist deiner Mutter…

Aber der die düsteren, hohen, fast blattlosen Tannen haben wirklich eine ganz besondere Anziehungskraft, strahlen eine ganz besondere Spannung aus. Und fast so als wollte Gott – oder wer oder was auch immer – dir den Beweis hierfür liefern, ertönt in diesem Moment Engel aus deinen Ohrhörern.

Erst wenn die Menschen schlafen gehen…
…kann man sie am Himmel sehen.
Sie haben Angst und sind allein…
Gott weiß ich will kein Engel sein.

Am Ende des Weges durch den Tannenwald steht wie immer das rote Kreuz. Am Ende des Weges steht immer ein Kreuz. Immer wieder das Kreuz am Ende des Weges. Es gibt einen Gott. Gibt es einen Gott? Und wenn es doch einen Gott gibt... Oder keinen…

Du bist jetzt auf der Zielgeraden, die geradewegs aus dem Wald heraus nach Ippendorf führt. Aber selbst hier lässt dich Rammstein nicht los, so als wolle es dich erinnern, dass das noch lange nicht alles ist. Es kommt „Du hast…“

Du hasst. Du hast. Du hast mich gefragt…
…und ich hab nein gesagt.
Willst du, bis das der Tod uns scheidet…

Bis dass dein Tod uns scheidet hast du immer im Spaß zu Nadine gesagt. Jetzt ist aus dem Spaß bitterer Ernst, obwohl es wahrscheinlich nicht ihr Tod sein wird, der euch scheidet, sondern das Gericht.

Plötzlich kommt auch noch „Bück dich!“

Boah, hört das denn nie auf?!

Du bist jetzt fast ganz aus dem Wald raus. Hier gibt es sogar schon Bürgersteige, auf denen dir ein Kind entgegen kommt, das auf einem Fahrrad unterwegs ist. Während die Mutter hinterherjoggt. Und was für eine Mutter, denkst du, während Lindemann immer wieder Bück dich sagt

ich führe ihn spazieren

Boah, allein schon von dem Anblick der Mutter, die so Ende zwanzig ist, kriegst du fast einen Steifen. Scheiße. Ihre Leggings, mit dem Dreieck in der Mitte. Das du nicht siehst, weil du so von ihren für eine Joggerin relativ großen Titten unter ihrem hautengen Oberteil fasziniert bist. Boah, die platzen gleich. Scheiße. Was für pralle Dinger! Dicke Dinger. Hammer! Wie geil ist das denn. Und ihre Rundungen unten rum sind auch nicht zu verachten. Aber diese Titten. Die schlagen dem Fass den Boden aus. Die schlagen dir fast die Glotzerchen aus dem Kopf. Deine Glupschaugen, wie deine Tochter die immer nennt. Dabei sind es nur…Augen eben. Boah, was für Glocken. Ding dong. K.o. auf der Zielgeraden. K.o. durch Samenstau. Es muss einen Gott geben. wer solche Rundungen erschafft. Boah, das glückliche Kind von der, wenn die das gestillt hat. Daran geleckt hat, neckisch reingebissen hat, wo die noch praller gefüllt waren, noch voller mit Muttermilch. Boah! Ich sterbe.

Ich will ficken.
Ich muss ficken.
Heute Abend, haha.

Ich muss die Kraft wiederfinden, meine Kraft, die Urkraft.

Den Saft.

Wo besser als im Wald. Bei einem solchen Anblick…

Und Lindemann singt: Das Gesicht interessiert mich nicht....

Wie wahr, wie wahr…


Du willst ihr deinen Schwanz zwischen die Beine, in ihr Leibholz rammen

in ihren Arsch

und dabei an ihren Brüsten lecken

schlabbern


you miss too much these days if you start to think