Samstag, 23. April 2016

Drogen und Mafia in Bonn








Auf der Arbeit redet er mit dem alten Mann. Er freut sich ihn zu sehen, obwohl er ihn letztens um Geld angehauen hat. Was er gar nicht gut fand. Das zerstört jede Freundschaft, wenn der sich jetzt Geld bei dir leiht.

Am Anfang reden sie über Politik und dann kommt er irgendwie auf die aktuelle Situation in Mexiko zu sprechen. Mit der Drogenkriminalität. Mit dem Kokain.

Eigentlich genau sein Thema. Aber seit seiner Trennung irgendwie nicht mehr. Ist ihm doch egal, ob die sich da umbringen.. Umso besser, besonders, wenn unter den Opfern auch Ecuadorianer sind. Putos ecuatorianos. Nicht, dass er was gegen dieses äußerst schönen Land zwischen Pazifik, Anden und Amazonas hätte, aus dem zufälligerweise auch seine Ex kommt.

„…da steckt halt jede Menge Geld drinnen…“, beendet er seinen kurzen Diskurs über die Drogenproblematik in Mexiko, die ihm eigentlich ziemlich egal ist. Er hat davon nichts. Er kriegt von denen kein Geld. Obwohl die Gewalt ihn schon reizen würde…

…und die Macht…

…die Macht, seinen Schwager von der Brücke baumeln zu lassen, das wär schon ein interessanter Anblick. Aber…

Der alte Mann hat gestern mit einer Mexikanerin gesprochen, die nicht zurückgehen würde in ihr Heimatland. Um nichts in der Welt.

„…das ist ein schönes Land und alles, sagt die, aber viel zu gefährlich…die gehen dann zu dir nach Hause, wenn die ein Problem mit dir haben…“

Echt?!

Und dann sagt der alte Mann: „Hier in Bonn gibt es ja auch einen, der das macht.“ Seine Stimmte wird leiser, kryptischer. „…der den ganzen Transit organisiert…“

Und auf einmal ist er ganz Ohr, hellwach, fragt interessiert: „Echt?“

Der alte Mann scheint ihn nicht zu hören, macht eine bedeutungsschwangere Pause.

„Ein Latino“, fragt er leicht insistierend.

„Nein…“ sagt der alte Mann.

Er guckt ihn an, obwohl er fragen will: Was denn dann, ein Araber oder was?!

„Ein Deutscher?“

„Ja, der ist von hier. Der ist eigentlich bekannt…“

„Kenn ich nicht. Hab ich nicht von gehört. In diesen Kreisen bewege ich mich auch nicht…“

Obwohl das nicht ganz stimmt, denn schließlich ist deine Noch-Ehefrau aus Ecuador.

„Ja. Der ist weder besonders dumm noch besonders intelligent… Aber verheiratet mit einer besonderen kriminellen Energie.“

Sagt er wirklich verheiratet? Bin ich auch. Oder sagt er vermählt? Bin ich auch. Mit einer besonderen kriminellen Energie.“

„Doch, der ist bekannt.“ Er senkt die Stimme noch ein bisschen. „Der trägt Schuhe von 400 Euro, Lederjacke, die besten Klamotten, alles… Das sieht man bei dem…“

Kenn ich nicht. Die einzigen Deutschen, die ich in dem Bereich kenne, sind Spacken, die noch nicht mal bis drei zählen können und eher in die Richtung Triebtäter gehen, als Drogendealer. Geschweige denn Händler…

Ist der im Bonner Loch?

„Ne, nicht im Bonner Loch. Da nicht.“

Das ist zu gut für den. Oder was?!

„Kann der Spanisch?“

„Ja, der spricht Spanisch und Portugiesisch und da hat der sich da unten Kontakte aufgebaut. Natürlich alles sehr gefährlich. Verschwindet dann immer mal wieder. Ich glaube, die wollten dem letztens was…die Polizei…dann geht der immer wieder da runter…und kommt dann wieder… Aber das sieht man. Der trägt Klamotten, das verdienst du in drei Monaten nicht!“

Danke. Vielen Dank.

„Das ist aber eigentlich gar nicht so intelligent, das so zu zeigen. Das so zur Schau zu tragen. So, dass das alle sehen. Dann werden die erst recht auf dich aufmerksam.“

Er nickt, stimmt ihm zu.

„…ich würd das so nicht machen. Ich würd so bleiben, wie ich bin. Ganz normal.“

„Ich auch“, sagt er, „ich würd genauso weiter rumlaufen.“

„Al Capone haben die auch wegen den Klamotten und allem bekommen. Nicht wegen den Verbrechen. Wegen der Steuer. Da würd ich das doch so nicht zur Schau tragen.“


„Ich würd weiter so rumlaufen. Ganz normal. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Egal, wie viel Geld ich hätte… Damit die nachher noch auf Ideen kommen…“


Die Stimme des alten Mannes wird noch leiser. Er sagt: „Man muss aufpassen, was man sagt. Jetzt, wo wir alleine sind, kann ich darüber reden, aber nicht…. Da muss man aufpassen.“

Plötzlich kommt Ali in die Halle, will direkt einen Kaffee haben. Das haben die Araber alle so. Die wollen immer eine Extrawurst.

Der alte Mann guckt sich um, sagt: „Da können wir ja noch mal drüber reden. Das ist ein interessantes Thema."

Aber er will plötzlich mehr wissen. Er hat noch Fragen: Ob der gut Spanisch kann? Besser als er? Was er für Kontakte da hat? In welchem Land genau? In Ecuador? Ob er noch jemand braucht? Ob der alte Mann sich noch daran erinnert, dass er mit einer Ecuadorianerin zusammen ist? War. Weiß er, dass er getrennt ist? Dass er keine Kontakte mehr in diese Welt hat? Der alte Mann scheint viel zu wissen, scheint viele Latinos zu kennen. Letztens war er bei Argentiniern auf einer Feier eingeladen, jetzt redet er mit Mexikanerinnen. Das hat noch nicht mal er gemacht, früher, als er noch mit seiner Frau auf verschiedene Feiern mit jede Menge Latinos ging – eigentlich fast nur, er war eigentlich fast immer der einzige Deutsche. Der hat auch schon mal sowas gesagt, denkt er. Von seinem Bruder, der angeblich in Kolumbien lebt. Damals ohne Geld da hingegangen ist. Und da auch schon wie er sagt, mit Persönlichkeiten der Unterwelt an einem Tisch gesessen haben soll. Auch in diesem Bereich tätig sein soll? Auch immer wieder kurz nach Deutschland kommt und dann wieder geht.

Komisch. Die Geschichten ähneln sich ziemlich. Erfindet der das nur? Will der ihm etwas sagen, damit? Kennt der Nadine? Hat die den geschickt? Um ihn reinzulegen? Dass er mit irgendwas erwischt wird, bei einem Deal, damit er Probleme bekommt.

Er will unbedingt mit dem alten Mann weiterreden, aber er kommt irgendwie nicht dazu. Wenn das, was er denkt wirklich stimmen sollte, dann müsste der ja auf ihn zukommen. Und nicht er.

Er zieht sich ins Kassenhäuschen zurück. Dann soll der doch kommen… Dann muss er ja nicht kommen…

Oder will er ihm etwas sagen damit…?

Aber er kommt nicht mehr. Das Gespräch ist beendet. Obwohl er noch Fragen hat. Besonders eine: Wie alt ist der Typ? Wie sieht der aus? Kenn ich den?

Am Ende macht der alte Mann zu, spielt auf seiner App Roulette, erzählt ihm etwas anderes, das er gar nicht wissen will.

Denn er will mehr von dem Typen wissen…

Aber was nicht geht, das geht nicht. Und wenn der was will, dann soll der doch kommen…

Tut er nicht und am Ende, als der alte Mann gegangen ist, nicht ohne vorher gesagt zu haben, vielleicht sieht man sich ja noch mal, heute,  bleibt ihm nur diese Rammstein-Zeile. Aus dem Lied mit dem passenden Titel „Alter Mann“.

Das Wasser soll dein Spiegel sein. Erst wenn es glatt ist, wirst du sehen, wie viel Märchen dir noch bleibt…

Er denkt: Entweder meine Frau ist der intelligenteste Mensch der Welt oder einfach nur dumm…

Entweder er ist hochgradig paranoid oder doch nicht so dumm. Viel zu intelligent für seinen eigenen Besten…