Montag, 28. Dezember 2015

Fast wie im Film



27.12.16





Wie immer kann er um zwölf noch nicht schlafen und guckt noch ein bisschen Fernsehen. Im Ersten läuft ein amerikanischer Film.

Der Film handelt von einem jungen College-Absolventen, der nach dem College noch keinen genauen Plan hat, was er machen soll und als Babysitter für eine vierzigjährige Frau mit zwei Kindern jobbt. Erst nur für ein paar Abende, aber nach einer Weile engagiert sie ihn als feste männliche Nanny und er verliebt sich trotz des Altersunterschieds in seine Chefin.
Sie lieben sich und sie wird schwanger. Als sich die Schwangerschaft jedoch als Eileiterschwangerschaft entpuppt, trennen sie sich (woher kennt er das bloß?)

Der Typ reist um die Welt, geht nach Afrika, Indien, um sich um Kinder zu kümmern. Und landet am Ende wieder in New York, wo er in einem Museum Führungen für Kinder leitet.
Und in einem Restaurant trifft er sie durch Zufall wieder. Er ist jetzt dreißig (der Glückliche – erst 30!), wie er sagt…

…und sie mag diese ganzen Dating-Sachen nicht (sag das mal seiner EXe)…

…und sie landen alle zusammen – inklusive seiner Eltern – an einem gemeinsamen Tisch.

Am Ende geben sie sich unterm Tisch die Hand. Und sein adoptiertes und ihre beiden Kinder verstehen sich auf Anhieb gut. Sie lacht, als er ihre Hand nimmt. Und dann endet der Film.

Und er heult ein paar Tränen in sein Kissen. In ihrem alten Doppelbett liegend, in seiner neuen Single-Wohnung, die ich immer noch nicht als „seine“ Wohnung akzeptiert. In der er immer noch nicht alle Möbel vollständig aufgebaut habe. Und das nach guten fünf Monaten.
Morgen kommt seine Tochter. Unsere Tochter, obwohl es dieses „uns“ eigentlich gar nicht mehr gibt.

Und an Silvester, unserem Jahrestag, wird er ihr eine SMS schreiben. Eine einzige. Nicht fünf. Eine. In der stehen wird: ¡Feliz vigésimo aniversario! Ha sido bueno conocerte.

Was Deutsch etwa soviel heißt wie: Alles Gute zum 20. Jahrestag! Ich bin froh darüber, dich kennengelernt zu haben.

Und morgen wird er eine weitere E-Mail schreiben. An seine Scheidungsanwältin.

Fast wie im Film. Er kommt sich fast wie im Film vor.

Nur im falschen.

Und obwohl ich eigentlich schon mehrmals dieses Jahr den Glauben verloren hatte, will ich glauben…