Mittwoch, 3. Januar 2018

Verzeihen, vergeben, vergessen und verstehen
















Im Fernsehen läuft dieser Film mit Edward Norton, der seit seiner Hauptrolle in Fight Club für dich als Schauspieler unfehlbar ist. Egal, in wie vielen Scheiß-Filmen er seitdem mitgespielt hat (wie zum Beispiel American History X). Einen Film wie Fight Club kann man eben nicht toppen, das weiß bestimmt auch Edward Norton. 

Auf jeden Fall spielt er in diesem Film den Kriminellen Stone, der einsitzt, weil er seine Mutter getötet hat, indem er das Haus, in dem sie lebte, angezündet hat. Weil es Gott ihm angeblich befohlen hat und er sich nur als Werkzeug Gottes gesehen hat. Oder irgend so ein Scheiß. Er hörte Stimmen, ein seltsames Rauschen, das nicht aufhören wollte, was weiß ich…  Im Laufe des Films schläft Stones Frau mit dem Bewährungsgutachter ihres Mannes, der von Robert de Niro wie immer meisterhaft gespielt wird, damit er Stone ein gutes Zeugnis ausstellt – aber das nur am Rande.

 

Und als du von der Arbeit, wo du den Film geguckt hast, rauskommst, das schwere Gittertor hinter dir verschließt und auf die nasse, verregnete Straße hinaustrittst, denkst du: Ich will nicht immer verzeihen. Verzeihen und vergeben, wie dein Vater das damals gesagt hat. Wie hat er das noch mal gesagt? Ich glaube es war „Man muss auch vergeben können!“ Als du dich gerade getrennt hattest, vor kurzem, die Trennung also noch frisch war. Er hatte schon immer ein Talent dazu, im falschen Moment das Unpassendste zu sagen, dein Vater, früher auch schon („Guck mal, der hat zwei Freundinnen und du gar keine!“ LINK). Aber ich will nicht mehr verzeihen. Und auch nicht mehr vergeben. Ich habe die Nase voll davon, immer nur zu verzeihen und zu verstehen und zu vergeben. Das hilft mir nicht weiter. Das hilft immer nur denjenigen, die dir diesen ach so schlauen Rat erteilen, die wollen, dass du ständig verzeihst und verstehst und vergibst – und verlierst. Verzeihen hat nicht umsonst ein „ver-“ am Anfang – genau wie „verlieren“! Die wollen, dass über alles Gras wächst. Dass du ihnen immer wieder alles nachsiehst. Weil es ihnen in den Kram passt, weil es ihnen persönlich nützt. Weil sie dann keine Konsequenzen zu befürchten haben, für sich selbst zumindest nicht. Wie wenn du auch mal austeilen würdest. Du musst auch mal austeilen. Einmal austeilen, wie sie. Leute dazu bringen, dass sie dir verzeihen MÜSSEN. Müssen sie? Dass sie einen Grund haben, einen wahren Grund, dir zu verzeihen und zu vergeben, dich zu verstehen. Was sie natürlich nie tun werden.

„Man sieht sich immer zweimal im Leben!“, hast du heute zu Wolfi gesagt. Nein, das war es nicht. Du hast gesagt: „Alles kommt zurück, alles fällt auf einen zurück. Du weiß das doch bestimmt, in deinem Alter?!“

Und Wolfi hat nur gesagt: „Ja.“

„Alles kriegt man zurück, egal, wer man ist, egal, ob man einen Anzug trägt oder nicht…“

„Die ganze Arroganz, alles…“

Aber er hat nur gesagt: „Du kriegst auch alles zurück…“

„Krieg ich jetzt schon, habe ich schon, die letzten drei Jahre…“


Aber stimmt das auch? Oder sind wir alle nur Werkzeuge unserer eigenen Vergebung? Verzeihen wir uns selbst, indem wir anderen nicht verzeihen? Indem wir nicht vergessen? Nicht alles verstehen? Weil ich sehe nicht, wie das auf die zurückkommen sollte. Ich sehe die gleiche Arroganz, die gleichen Lügen, die gleiche Überheblichkeit, Überlegenheit. Ich sehe Menschen, die noch nie in ihrem Leben verziehen haben, nicht vergessen und vergeben, die das gar nicht könnten, selbst wenn sie wollten, die gar nicht dazu in der Lage sind, psychisch wie physisch nicht.

Hat dir dein Vater jemals vergeben, dir irgendetwas jemals verziehen? Aber selber Verzeihung predigen, Vergessen und Vergeben. Oder deine Mutter? Noch schlimmer. Oder du dir selbst? Auch nicht. Also, warum solltest du besser sein als diese Menschen, all diese Menschen mit einem Herz aus Stein?! Warum solltest du dich besser verhalten, ihnen verzeihen und vergeben, alles vergessen, was sie dir angetan haben?! Um deine Eitelkeit zu befriedigen, deine Überheblichkeit, das Gefühl, besser zu sein?

Bist du nicht!

Das verstehst du jetzt. Und wirst immer wütender. Auf dich, auf die Welt, auf deine Eltern, auf deine Ex, auf deinen Chef, auf deinen früheren Vermieter, einfach auf alle…

So einfach ist das!

Und am Ende auch auf dich, am Ende wirst du auch auf dich wütend, auf dich selbst…

Du hast es ihnen einfach gemacht…

Viel zu einfach…