„Nerv nicht!“
Ich stand vor ihr, in der
Tür ihres Zimmers, guckte sie an, ihr Blick war auf den Bildschirm ihres Handys
gerichtet und ich versuchte, ihre Worte hinter einem Lachen verschwinden zu
lassen, schaffte es aber nicht
Nerv nicht.
Danach wurde ich still,
traurig, irgendwie traurig. Ganz still. Diese zwei Worte hatten mich getroffen.
Ich wollte nicht mit ihr reden. Sie wusste genau, mit welchen Worten sie mich
treffen konnte. Direkt ins Herz, in meine Seele.
Nerv nicht.
Dabei hatte ich ihr die
Frage doch nur gestellt, um ihr zu helfen. Immer wenn man helfen will…
…ist man am Ende der Dumme…
Was hatte ich schon
großartig gefragt? Warum ist Teamwork wichtig? Um mögliche Fragen in dem
Vorstellungsgespräch zu üben, zu dem sie heute geht. Das hat man davon, wenn
man anderen hilft… Den ganzen gestrigen Abend und heutigen Vormittag hatte ich
mir darüber Gedanken gemacht, wie ich ihr Leben hier besser gestalten könnte,
dass ich mir doch eine Fernsehlizenz zulegen sollte, würde, für DVBT, damit es ihr hier,
außerhalb von Bonn, nicht so langeilig wäre. Was hat sie gestern noch mal
gesagt: Dann hat man was zu tun… Wenn man einen Fernseher hat. Den ganzen Tag
hattest du dir Gedanken darüber gemacht, ob du zu egoistisch gewesen warst.
***
Um kurz nach zwölf fängt es
draußen an zu regnen. Egal wie viele Bilder von spanischen Städten am Abend und
im vollen Sonnenlicht des Tages du dir auf deinen Hintergrund pflasterst, du
kannst die Tatsache nicht ignorieren, dass du dich in Deutschand befindest
dass du nicht hier sein willst
Du gehst runter zum
Briefkasten, siehst durch die Haustür aus Glas die vom Regen schon ganz nasse
Straße. Als du wieder hochkommst, denkst du: Vielleicht koche ich was. Bei
ihrer Mutter kriegt sie bestimmt was. Jeden Tag. Bei mir nicht. Weil ich nicht
regelmäßig esse. Aber am Ende will sie wieder nichts, abends. Weil es schon „zu
spät“ ist. Wie immer
Im Fernsehen läuft ein
Bericht über Bußgelder auf der Autobahn. Über die Polizei, mogelnde Spediteure
und arme Fahrer, die nichts dafür können.
„Die
Ehrlichen sind die Dummen“, sagt der Reporter.
Die Ehrlichen sind die
Dummen.
Im spanischen Fernsehen
laufen Berichte über die Bräuche und das Essen in den verschiedenen Regionen
des Landes und im deutschen Berichte über die Polizei und ihre Maßnahmen. Alles
muss korrekt sein. Eine Identität wie die Spanier dürfen wir nicht haben.
Korrekt müssen wir sein. Eine Seele könnte ja auch dunkle Seiten haben. Eine
Identität. Unfälle, Krimis, Polizeiberichte, Feuerwehrmänner. Fische, das Meer,
Essen, das Land, Früchte, Lachen. Fahndungen nach einem Bewaffneten. Wie soll
man da nicht depressiv werden. Aber das darf man ja auch nicht sein. Das gehört
ja zu der Seele, zu den Gefühlen, die wir nicht haben dürfen, seit dem Zweiten
Weltkrieg. Der Mann muss gefangen werden, die Ordnung muss wieder hergestellt
werden. Die Sauberkeit. Ob auf der Autobahn oder in einem Mietshaus mit Ratten.
Die Ratten müssen beseitigt werden, während die Spanier Makrelen am Strand
braten. Die Ordnung ist wieder gestört, das ist fast wie bei Shakespeare, hier
in Deutschland. Anwälte werden eingeschaltet, Nachbarn reden übereinander, der
Vermieter ist in der Pflicht, man geht „nachhaltig“ gegen die Ratten in Bottrop
vor. Regen macht den Sommer kaputt, die Stimmung der Camper ist nicht gut.
Keine Sonne und Wärme, kein Sommermärchen. Unwetterwarnungen, Tornados und
Krimis. Mörder, überall Mörder. Sind diese Krimis eigentlich unbewusst (immer
noch) mit unserem schlechten Gewissen verbunden? Gestörter Urlaub, Regen, kann
nicht jemand das Wetter abschalten, die Sonne macht Urlaub…
„Sind
sie auf solche Situationen vorbereitet?“
Die Deutschen sind auf alles
vorbereitet, sie planen, machen, schaffen, preparieren sich fast zu Tode (aber
dieser liegt ja sicher außerhalb der gewohnten Ordnung). Vor allem und jedem
geschützt. Alles ist in Ordnung. Das ist
doch nur vernünftig. (Oder?!) Keine
Spur von Wetterdepression. Auch unter Regenschirmen kann man „Spaß“ haben.
Frankfurt
soll sauber sein. Bürger sollen bewusster mit Abfällen umgehen…alles ist friedlich…aufpassen
ihre Aufgabe…wir alle brauchen Regeln, damit ein Zusammenleben stattfinden
kann…die Parkwächter haben ihren ersten Einsatz…außerhalb des erlaubten
Bereiches, der „Grillfläche“
Was passiert eigentlich,
wenn sich ein Deutscher außerhalb des erlaubten Bereiches befindet…
Der
Grill steht jetzt auf erlaubtem Terrain
Shakespeares natürliche
Ordnung ist wieder hergestellt…
…auch
Hunde haben Regeln…da muss man halt dahinter sein…alles in den Mülleimer
werfen…da tritt ein Kind nachher rein…das arme Kind…
Für alles brauchen wir
Aufpasser, damit keiner aus der Art schlägt, aus der Reihe tanzt.
Ist die Creme noch
verwendbar? Ist der Schutz noch gegeben. Hautsache, nicht ungeschützt. Mit
Nadine habe ich früher immer ohne Gummi geschlafen.
Sonnencreme hilft vor
Strahlen. Wir müssen geschützt sein. Oder?! Ist man geschützt?
Und das Beste ist: Es ist
erst 12:40! Es kommen noch viele Meldungen, die uns warnen, uns schützen, uns
vorbereiten…
…uns vor uns selbst
schützen?
Vor unserem Todestrieb? Der
in „Deutsch“ in Sprache gebannt wurde.
Wieder ist die Ordnung
durchbrochen, in der deutschen Wirklichkeit. Es gibt so viel Dinge, die der
natürlichen Ordnung und Vernunft zuwiderlaufen… Auch in der Welt: Trum, Putin,
Erdogan…eigentlich ist die einzige vernünftige Politik die der
Merkel-Regierung. Wir sind wieder wer…nämlich das Welt-Gewissen. Nirgendwo gibt
es so viel Ordnung und gleichzeitig so viel „Spaß“(geordnet natürlich) wie
hier…
Mein Wochenhoroskop auf
Twitter sagt: Deja a un lado tus
preocupaciones y miedos…
Leg
deine Sorgen und Ängste ab…