Donnerstag, 30. März 2017

Geile Fotos















Das war bestimmt die Sonne, die mir damals zu Kopf gestiegen ist. Bestimmt. Ein blauer Himmel bis zu den Sternen. Keine Wolke. Nur Wind. Viel Wind. Aber ohne jegliche Wolken. Fast magisch. Ein blauer Himmel, der einen bis zu den Sternen hätte hinauf schauen lassen, hätte ich auch nur einen Moment meinen Blick von ihrem Dekolleté lösen können. Auch María regte sich schon auf. War eifersüchtig. Aber ich war einfach nur…glücklich (warum merkt man das eigentlich immer erst hinterher? Warum ist das Leben so kompliziert, so beschissen kompliziert, kostet so viel Arbeit, wenn es auch einfach ginge…[vielleicht, weil wir sterben, weil wir sterben müssen – eine andere Erklärung fällt mir auch nicht ein, aber ich habe ja eh keine Ahnung]). Und fotografierte ahnungslos weiter.
Auf dem Weg zum Hafen, zu den Booten, zu der Fähre, die ich so geliebt hatte, vor Jahren, beim letzten Mal in Cádiz. Wo ich mit María ganz vorne gesessen hatte, am Bug vor der leicht erhöhten Kabine des Kapitäns. Der sogar ziemlich schnell fuhr – so schnell, dass ich richtig Angst hatte, ins Wasser zu fallen, hier draußen in der Bucht. Die hatte ich schon immer, diese Angst. Diese Angst ins Wasser zu fallen, einfach loszulassen, sich fallen zu lassen, in die Tiefe, in die unendliche Tiefe des Ozeans. Denn immerhin war das hier nicht das Mittelmeer, sondern der Atlantik. Die endlose Weite des Atlantiks. Wie habe ich das immer zu Nadine gesagt, damals: „Wenn du hier immer weiter schwimmst, dann kommst du irgendwann in Südamerika raus. In Brasilien oder Venezuela…natürlich nur, wenn du vorher nicht ertrinkst…“ Um María hatte ich natürlich Angst, vielleicht sogar noch mehr als um mich selbst. Ganz sicher sogar. Aber gleichzeitig war das auch richtig geil. Hier in der Bucht von Cádiz, der Stadt meiner Träume. Die nicht gereicht hat, um meine Frau bei mir zu halten. Die nicht genug war, ihr nicht gereicht hat, um bei mir zu bleiben. Sie wollte mehr, etwas anderes, Portugal, Griechenland und ich konnte nur Cádiz dagegen halten.

Ob es nun wirklich an der Sonne lag weiß ich nicht, aber auf jeden Fall machte ich an diesem Morgen ein Foto nach dem anderen von ihrem Ausschnitt. Ja, ich weiß, das ist wahrscheinlich mehr Lust als Liebe, ich weiß, werden Sie jetzt sicherlich sagen. Aber ist nicht auch Lust eine Form der Liebe, eine animalische Form der Liebe und dadurch vielleicht sogar viel ehrlicher, viel aufrichtiger, viel natürlicher, werde ich dagegenhalten. Und wir werden uns nicht einig werden. So wie ich und meine Frau, meine Ex-Frau sich nicht einig wurden, trotz des Urlaubs in Cádiz. Trotz meiner Besessenheit von ihrem Körper, ihrem kleinen dünnen und zumindest an diesem Tag so unendlich schönen Körper. Ihrem Ausschnitt. Was zählen schon innere Werte, was zählt schon der Intellekt, wenn es im Leben doch eigentlich nur um simple, animalische Fortpflanzung geht, um den Fortbestand der Rasse, den Fortbestand der Menschenrasse zu sichern. Da sind doch diese Fotos vom Ausschnitt vielleicht sogar ehrlicher

nicht ehrlich genug

Aber an diesem Morgen hatte es mich aber auch erwischt. Ich war nicht mehr aufzuhalten. Konnte und wollte mich nicht mehr bremsen. War magisch angezogen von der roten Peperoni, die von ihrer Kette zwischen ihren braunen Brüsten baumelte.

„Heute Abend ficke ich dich…“ hauchte ich ihr zwischen den Fotos ins Ohr, wenn María gerade anderweitig beschäftigt war. Was gar nicht so einfach war, denn sie buhlte genauso wie ihre Mutter um die Aufmerksamkeit ihres Papis. Vielleicht sogar insgeheim noch mehr. Wollte auch fotografiert werden. Und obwohl María sogar noch fotogener war als ihre Mutter, hatte ich an diesem warmen, aber gleichzeitig erfrischend windigen andalusischen Vormittags nur Augen für sie. Für ihre Brüste, ihren Busen. Für sie, sage ich doch. Schoss ein Foto nach dem anderen, als wir durch die Stadt irrten, auf der Suche nach dem Hafen, nach der Anlegestelle der Fähre (ich wollte unbedingt Fähre fahren), vorbei an der Tourismus-Information, an den riesigen Kreuzfahrtschiffen, an der Prachtstraße mit ihren Palmen, an dem blauen Himmel über den man ungebremst zu den Sternen hätte aufsteigen können. Wenn man gewollt hätte. Wenn man nicht so sehr an ihrem Dekolleté gehangen hätte, wenn die irdischen Triebe nicht umso stärker gewesen wären. Ob sie wohl damals das Gleiche gefühlt hat? Ich weiß es nicht, beim besten Willen nicht. Heute könntest du sie fragen und sie würde es dir vielleicht sogar ehrlich sagen. Jetzt, wo sie nicht mehr mit dir verheiratet ist, nicht mehr mit dir zusammen ist. Aber sie redet ja nicht mehr mit dir. Hat seit keiner Ahnung wie langer Zeit kein Wort mehr mit dir gewechselt.

Aber damals warst du glücklich. Das weißt du heute. Konntest gar nicht mehr von ihr lassen, von ihrem weißen Top, wo oben die schwarzen Spitzenränder ihres BHs rausguckten. Die machten dich so geil. So geil, dass du Fotos aus allen Lagen, aus allen Perspektiven machtest: von vorne, von der Seite, von weit weg und dann wieder von ganz nah. Und obwohl sie versuchte, dich davon abzubringen, immer weiter, immer wieder Fotos von ihrem Dekolleté zu machen und María auch langsam anfing sauer zu werden, wurden es am Ende so um die 40-50 Fotos, bis du endlich das perfekte Foto ihres Dekolletés im Kasten hattest. Von hinten über ihre Schulter. So, dass man nicht nur die schwarze Spitze perfekt erkennen kann, sondern auch ganz tief zwischen ihre Brüste blicken kann (Fleisch, wir wollen Fleisch, Männer) und auch das rote Peperoni-Ding perfekt in der Mitte baumelte.



(versuchtest ein Foto zu finden, auf dem keine Falten zu sehen waren, keine Krähenfüßchen, keine Makel, auf dem ihre Haut glatt und braun war, auf dem sie perfekt aussah, fandest es                        )

(als ob du jemals perfekt gewesen bist)

Auf unserer Suche nach Perfektion, nach Makellosigkeit vergessen wir das


das, was wirklich wichtig ist

den Moment, in dem wir glücklich sind, in dem wir Spaß haben, hatten


An diesem Tag hattest du deinen Spaß, soviel ist sicher. Sie glaub ich auch, zumindest nach den Fotos zu urteilen, die du bis heute auf deinem Laptop hast.












Bis heute weißt du nicht genau, warum sie dich keine zwei Jahre später verlassen hat


















Oder doch: Es gab Streit. Immer wieder. Immer wieder das gleiche Thema. Ihre Schwester war mit ihrem komischen Mann wieder nach Deutschland, nach Bonn zurückgekommen. Und du warst gar nicht damit einverstanden, als du eines Nachts durch Zufall die deutsche Telefonnummer und den Namen ihrer Schwester auf ihrem Handy entdecktest. Weil du dir einen zweiten Wecker stellen wolltest. Weil du am nächsten Morgen ganz früh raus musstest und du nicht zu spät kommen wolltest, auf die Arbeit. Zur Sicherheit. Von da an ging es bergab. Aber du bist ja auch selbst schuld. Du hattest auch keinen Bock auf eine Wiederholung der gleichen Scheiße von damals. Wo der Schwager, dieser Hurensohn, sie ungefähr zehnmal am Tag fragte, ob sie nicht (doch) mit ihm Fahrradfahren wollte. In deiner Anwesenheit. Und dir das am Ende – nachdem du dir das Spiel lange genug angeguckt hattest – zu viel wurde. Du hättest diesen Wichser damals ungespitzt in den Boden rammen sollen, diesen Wichser mit seinem schmierigen Lächeln, das hättest du machen sollen. Aber darauf hattest du keinen Bock, dazu hattest du keinen Mut. Stattdessen hast du es ihr gesagt, immer und immer wieder. Bis diese Arschlöcher Jahre später wieder in Deutschland aufgetaucht sind und du wirklich keinen Bock mehr hattest, ein zweites Mal diese Scheiße durchzumachen. Dass der mit seinem schmierigen Lächeln dauernd um sie herum scharwenzelt, was für ein Wichser.

„Entweder der oder ich!“

„Entweder die oder ich!“

„Deine Familie oder ich!“

„Das mach ich nicht noch mal mit, mit dem und der komischen Mandy! Keine Chance.“

„Du hast es so gewollt…

selber schuld






Als du dir die Fotos auf dem Computer so betrachtest, stellst du mit Erstaunen fest, dass sie heute gar nicht mehr so weh tun. Nicht mehr so wie früher, kurz nach der Trennung.

Ich weiß nicht, ob das jetzt gut oder schlecht ist







Und auch an dem Abend hat er sie nicht gefickt, denn er hat sich nach dem Strand einen bösen Wolf gelaufen und María hat auch im gleichen Zimmer geschlafen und überhaupt war es sowieso viel zu heiß. Stattdessen hat er Bowie gehört, in der heißen, lauten andalusischen Nacht






Sie hat dich verlassen und auch du musst jetzt endlich mal loslassen. You have got to let go – again. You.have.got.to.let.go. Stop.trying.to.control.everything.

I obsess on everything