„Und, was bekommt deine
Tochter zum Geburtstag? Hast du dir schon was Besonderes überlegt?“, fragt dich
Victorija, deine Schülerin.
Im ersten Moment weißt du
gar nicht, wie du reagieren sollst. Stimmt, sie hat recht. Der ist ja am
Sonntag, der Geburtstag deiner Tochter. Hatte ich ja fast schon vergessen, bei
all dem Stress. Der 18. (!) Geburtstag deiner Tochter. Dann ist sie erwachsen,
denkst du, und greifst auf eine Standard-Antwort zurück:
„Och, meine Tochter will
Geld. Die ist Materialistin. Ich schenke ihr einfach Geld und gut ist's.“
Geld, das du nicht hast.
Noch am Montag hast du ihr gesagt, hast du ihr sagen müssen: Dieses Jahr kann
ich dir nicht so viel geben. Oder noch schlimmer: So viel kann ich dir nicht
geben, dieses Jahr. So viel kann ich dir sowieso nicht geben, dieses Jahr.
Horror, das war der Horror. Der eigenen Tochter so was zu sagen. Sagen zu
müssen. Weil es nicht anders geht.
„Nein, aber das ist doch ihr
18. Da muss es doch etwas Besonderes sein…“, sagt sie, wenig überzeugt von
deiner Standard-Antwort. Recht hat sie
„Ok, dann male ich ein Bild.
Ja, genau, ein Bild!“
Sie und die anderen beiden
Schüler in der Gruppe lachen.
„Ja, das ist es! Ein Bild
mit einer Flasche Whisky…einer Packung Zigaretten…einem Führerschein…und einer
Disko: all die Sachen, die die jetzt mit 18 machen darf.“
Deine Schüler lachen.
Aber Victorija fragt: „Geht
ihr denn essen…? Geht ihr denn auch essen?“
Einen Moment lang denkst du,
woher weiß die das überhaupt. Dass deine Tochter am Sonntag Geburtstag hat.
Dann fällt es dir ein:
„Ach ja, du hast ja dann
auch Geburtstag. Stimmt!“
Denn Victorija hat
tatsächlich am gleichen Tag wie deine Tochter Geburtstag. Am gleichen Tag im
gleichen Jahr. 1999. Das hast du damals bei einem flüchtigen Blick auf ihre
Karteikarte festgestellt. Der **.**.1999. Genau wie deine Tochter. Nur nicht im
gleichen Krankenhaus. Denn Victorija ist in der Ukraine geboren und erst mit
zwei nach Deutschland gekommen. Aber trotzdem krass, ne?!
Und sie wartet noch auf eine
Antwort, stellt die Frage sogar noch mal: „Geht ihr essen?“
Einen Moment lang guckst du
sie verdutzt an. Wie denn? willst du sagen. Sagst du fast. Sonntag ist
Mama-Tag. Nicht Papa-Tag! Da kann ich von Glück reden, wenn ich sie überhaupt
sehe… Wenn sie überhaupt kommt. Was noch nicht feststeht. An ihrem 18. Ihrem
18. Geburtstag. Endlich erwachsen
Aber dann fängst du dich
wieder, sagst, lügst: „Ja, gehen wir…“
„Echt?! Wir auch!“
Das gefällt ihr. Dass du
essen gehst. Das ihr essen geht. Mit eurer 18-jährigen Tochter. Obwohl du
schon seit über zwei Jahren getrennt und mittlerweile auch geschieden bist. Das weiß sie aber doch nicht. Warum
solltest du deiner Schülerin auch erzählen, dass du geschieden bist?! Dass du
mit deiner Frau – pardon: deiner Ex-Frau (das vergesse ich immer wieder) – die letzten
zwei Jahre kein Wort mehr gewechselt hast, sie noch nicht mal mehr siehst.
Scheidung kommt von Scheitern.
Plötzlich geht Frauke, deine andere
Schülerin, ihrem Freund Richard, der auch in der Gruppe ist, während des
Unterrichts zärtlich durchs Haar. Und Victorija sagt nur: „Bah, Liebe.“
Bah, Liebe. Das kann ich nur
unterstreichen.