Dienstag, 9. Januar 2018

Die Wahrheit

"But at the length truth will out"
William Shakespeare

"Wer kann die Wahrheit schon ertragen?"
Marius Müller Westernhagen









Nachts wache ich auf und will die Wahrheit. Ich hab eh kaum geschlafen. Erst lief da die SOKO Leipzig mit so einem spannenden Prostitutionsfall und dann ein ein wenig verwirrender dänischer Film mit einem Typen, der von dem früheren Mafia-Klienten seines Vaters, der wie er Anwalt war, verfolgt wird.

Aber selbst danach kann ich noch nicht schlafen. Und selbst nachdem ich mir mit Mühe und Not einen runtergeholt habe, klappt es nicht. Ich drehe und wende mich, aber die Hüfte oder die Eier tun mir weh und so finde ich keine richtige Position.

Sonntag, 7. Januar 2018

Der Bergdoktor

„Der liebt diese Frau abgöttisch…“ (Der Bergdoktor)









Abends läuft der Bergdoktor im Fernsehen. Guckst du sonst nicht (kann man dich förmlich mit jagen, mit dem Scheiß). Aber heute ist nichts anderes drauf und du hast auch keinen Bock auf spanisches oder englisches Fernsehen. Also guckst du den Bergdoktor. In der Not guckt der Teufel auch den Bergdoktor.

Freitag, 5. Januar 2018

Die Hochzeitsrede















Im Traum muss ich einen Text für ein Mädchen, eine Frau schreiben, die heiraten will. So eine kurze Rede, wie man sie auf Hochzeiten vorliest. Wie das die Amerikanerimmer immer machen, in den Filmen. ICH, der ich immer noch unter meiner Scheidung leide. Komische Wahl. Aber man wählt ja seinen Trauminhalt nicht. Der wählt einen! Ich einige mich also, mit ihr ein kurzes Interview (eine Befragung, ein Verhör, wie ich zum Spaß sage, obwohl keiner lacht oder nur aus Höflichkeit lacht) zu machen, wo sie mir etwas über ihren Geliebten, Bald-Ehemann (NEIIIIIIN, tu es nicht!!!) erzählt. Die Hochzeit ist schon in zwei beziehungsweise 1 ½ Stunden, also muss ich mich beeilen. Ich weiß gar nicht, wie ich das so schnell hinkriegen soll, aber will es trotzdem versuchen. Obwohl ich, während ich mit ihr rede, selber reichlich nervös, „gehemmt“ bin (wie die Bekannten meiner Eltern das immer genannt haben), weil sie auch mir ein bisschen gefällt, wie ich ihr so in die Augen gucke... Sie ist klein und schön und passt auch irgendwie in mein Beuteschema. Also gehen wir zu ihr nach Hause. Aber irgendwie geht sie vor und lässt mich nicht rein, keine Ahnung, auf jeden Fall stehe ich auf der Straße und weiß noch nicht mal richtig, welches Haus es nun ist und ob ich klingeln soll. Es sind alles so Reihenhäuser. Einfamilienreihenhäuser. Das heißt, ich muss schon irgendwie wissen, welches Haus es ist, denn ich gucke durch ein Fenster und sehe, dass da die beigefarbenen Sessel ineinandergeschoben sind und auch sonst alles ziemlich unordentlich ist. Für den Hochzeitstag, den Tag der Hochzeit. Aber am Ende sehe ich auf der Straße ein paar von meinen Schülern aus dem Haus kommen und mich grüßen und dann weiß ich, dass sie da wohnen muss, dass sie da wohnt. Und so lässt sie mich am Ende doch rein, obwohl ich komisch bin, „gehemmt bin“, ihr zu sehr in die Augen gucke. Also beginne ich mein Interview, mein Verhör, wie ich sage (obwohl keiner lacht, oder nur aus Höflichkeit).



„Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?“

„20-30 Jahre.“

„Aber du bist doch noch so jung! Wie kannst du denn 20-30 Jahre mit ihm zusammen sein?“


„Und wo habt ihr euch kennengelernt?“



Und dann wache ich auf

Komisch, denke ich, was für ein komischer Traum!



Vorheriger Traum: Traum und Tod, Traum vom Tod













Donnerstag, 4. Januar 2018

Ich glotz TV - ein Gehirnsturm













Jeder Tag ist ein Kampf. Das fängt schon kurz nach dem Aufstehen an. Ein Kampf gegen den Hunger (ich liebe Intervallfasten), ein Kampf gegen das Schweigen deiner Tochter, ein Kampf gegen die Scheiße im Fernsehen…

Aber egal: Bring’em on! Bring the motherfuckers on!

Denn: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren!

Sie kommt aus ihrem Zimmer, sagt nicht Guten Morgen. Du aber auch nicht. Warum solltest du, wenn sie es auch nicht tut? Also scheiß auf einen guten Morgen. Ist sowieso überschätzt.


Mittwoch, 3. Januar 2018

Verzeihen, vergeben, vergessen und verstehen
















Im Fernsehen läuft dieser Film mit Edward Norton, der seit seiner Hauptrolle in Fight Club für dich als Schauspieler unfehlbar ist. Egal, in wie vielen Scheiß-Filmen er seitdem mitgespielt hat (wie zum Beispiel American History X). Einen Film wie Fight Club kann man eben nicht toppen, das weiß bestimmt auch Edward Norton. 

Auf jeden Fall spielt er in diesem Film den Kriminellen Stone, der einsitzt, weil er seine Mutter getötet hat, indem er das Haus, in dem sie lebte, angezündet hat. Weil es Gott ihm angeblich befohlen hat und er sich nur als Werkzeug Gottes gesehen hat. Oder irgend so ein Scheiß. Er hörte Stimmen, ein seltsames Rauschen, das nicht aufhören wollte, was weiß ich…  Im Laufe des Films schläft Stones Frau mit dem Bewährungsgutachter ihres Mannes, der von Robert de Niro wie immer meisterhaft gespielt wird, damit er Stone ein gutes Zeugnis ausstellt – aber das nur am Rande.

Sonntag, 31. Dezember 2017

...sagt meine Tochter... (Silvester 2017)















Eigentlich wäre ich ja morgen in Urlaub geflogen.“

„Wohin?“

„Weiß nicht. Irgendwo anders hin. Wo es warm ist. Was Billiges. Einfach nur weg.“

„In Spanien ist jetzt auch kalt.“

„Nein, Türkei oder so. Alleine …“, sagt, nein, nicht er, sondern sie. Seine Tochter! An Silvester!


Donnerstag, 28. Dezember 2017

So ein Gefühl...








Plötzlich, während ich gerade im Bett liege und Coronation Street gucke (zwei geile Weihnachtsfolgen a 45:33min!), klingelt das Telefon. Ich springe aus dem Bett hoch wie von der Tarantel gestochen und renne in die Küche. Das ist bestimmt María. Mari. Ich weiß es einfach. Aber wo ist das verfickte Telefon bloß wieder hin? Immer die gleiche Scheiße! Die ganze Zeit suchst du nach irgendwelchem Scheiß. Mannomann. Zuerst gucke ich in der schwarzen Hose nach, die vor dem Herd liegt, aber da ist es nicht. Scheiße, Mann! Aber es hat doch hier geklingelt… Ja, es liegt auf dem Tisch. Und klingelt immer noch. Oder vibriert zumindest. Ein kurzer Blick auf das Display: Ja, Mari!

„Hi.“

„Hi. Ich komme ein bisschen später. So um neun oder zehn. Ich bin noch in Köln.“

„Okay… Du weißt ja, der letzte Zug fährt um 00:39!“

„Ja, aber solang brauch ich nicht.“

„Willst du denn noch was zum Essen? Soll ich noch was holen oder willst du morgen früh.“

„Das kann ich auch morgen früh.“

„Okay, aber gib nicht dein ganzes Geld aus, in Köln. Du musst sparen, für deinen Führerschein, du weißt das.“

„Ich habe nichts gekauft. Ich muss sparen. Ich war nur essen.“

„Essen kostet auch… Du musst den Führerschein machen, der ist wichtig. Ich weiß, wie das ist, ohne Führerschein.“

„Du hast doch einen Führerschein.“

„Ja, ich weiß: Aber ich weiß nicht, wo der ist und ich kann nicht fahren und ich habe kein Auto… Das ist wichtig. Aber wir schaffen das schon. Ich werde das Geld schon irgendwo herbekommen. I’m gonna rob a bank to get you the money.“

„Ja.“ Sie lacht. Oder lacht sie nicht.

„Ok, bis dann. Viel Spaß!“

„Bis dann.“

Ich weiß, wie das ist. Ich hätte auch gerne ein Auto, besonders hier draußen. Aber dann müsste ich wieder Fahrstunden nehmen und mir ein Auto kaufen und die Versicherung bezahlen… Kurz gesagt: Nicht drin. Außer ich verkaufe meine Seele an die italienische Mafia. Hier an der Eisdiele um die Ecke. Wo die jeden Tag, Sommer wie Winter draußen sitzen. Oder bei dem Italiener in Rheinbach. Den kennst du sogar von früher. Das war vielleicht eine Hassliebe… Oder ich gewinne im Lotto, haha.


Aber irgendwie gefiel mir das Gespräch nicht: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mehr zu ihrer Mutter will, heute Abend, anstatt zu mir. Dass sie keinen Bock hat, nach Köln noch nach Meckenheim rauszufahren. Aber sie war ja schon gestern und vorgestern bei ihrer Mutter. Am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag! Weil ich arbeiten war, weil ich nicht anders konnte, nicht anders wollte, vergessen wollte, nicht feiern wollte, mit niemandem… Und da ist Arbeit immer noch das Beste. Und was soll sie denn auch alleine hier sitzen, am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, während ich auf der Arbeit bin. Außerdem brauche ich nach der Scheidung mehr als jemals zuvor das Geld. Ich bin im mittleren Alter und brauch das Geld!

Vielleicht will sie ja mehr zu ihrer Mutter, ganz zu ihrer Mutter…das ist ja auch Stress für sie, dieses dauernde Hin und Her…

Ach, Quatsch


Dann muss sie mir das sagen. Ich werd den Teufel tun…


Wenn ich auf meine Gefühle hören würde…


Vielleicht will ihre Mutter sie ja auch mehr sehen… Vielleicht geht es ihrer Mutter ja auch nicht gut, dieses Jahr an Weihnachten…


Wenn ich auf meine Gefühle hören würde…






Dienstag, 26. Dezember 2017

Lieber würde ich...
















Du sitzt auf der Arbeit und denkst: Wie gerne würde ich ihr jetzt schreiben, dass ich sie vermisse, wie sehr ich sie vermisse, wie ich mich danach sehne, dass sie da ist, bei mir zu Hause…

Zahltag: Eine Rachegeschichte



Warnung: Die folgenden Zeilen sind natürlich - wie im Übrigen alles hier - rein ficktiv und geben nicht die Meinung des Autors wieder. Jegliche Ähnlichkeiten mit (noch) lebenden Personen ist ebenfalls rein ficktiv und purer Zufall!









Ihr kann ich nichts tun. Sie bedeutet mir zu viel. Noch immer. Aber du, du bist etwas ganz anderes. Du bedeutest mir NICHTS. Du bist nur Scheiße.

Für das Arschloch von Vermieter, für die zwei Umzüge, für das ganze Geld, das ich verloren habe.

Du wirst leiden. Für all die Scheiße, die du mir angetan hast, die andere mir jemals angetan haben. Für alles. Für meine Eltern, für Ivan, José, Christoph, für all die Leute, die mich ignoriert haben, mich hinter meinem Rücken beleidigt haben, die mich geschnitten haben, mein ganzes Leben. So ist das Leben: Wir bezahlen immer für die Sünden anderer… Musste ich auch, amigo. Enemigo…

Ich weiß, du bist nicht an allem schuld, was in meinem Leben schiefgelaufen ist, aber…

…dich habe ich erwischt. Du stehst für SIE. Für sie, für sie alle. Alle, die mich jemals verarscht haben, alle, die mich jemals betrogen haben, mich abgezogen haben. An dir werde ich ein Exempel statuieren. Das ist Pech für dich. Aber so ist das Leben. Nicht immer gerecht.

Zuerst sagt er nichts, aber dann fängt er an, irgendwas zu murmeln, das ich nicht verstehe. Oder nur halb. Muss wohl an dem Klebeband liegen. Das ich noch vom letzten UMZUG übrig habe. Oder noch von früher, wo ich noch mit IHR zusammen war. Ich verstehe ihn nicht. Will ihn nicht verstehen. Was für einen Unterschied würde das jetzt noch machen, jetzt, wo er hier auf dem Boden liegt. Und weg muss. Keinen! Also ist es egal. Er ist jetzt nicht mehr der große Mann, der er einst war… Der er einst dachte zu sein…

…heute bezahlst du für alle Leute, die dir jemals selbstgefällig ins Gesicht gelacht haben (for all the fucking smug smiles I’ve had to endure), das ganze Leid, die ganze Scheiße, die ganze Beziehungsscheiße (all the relationshit), Jetzt bist du nicht mehr so groß. Für all die Tränen, die nicht gekommen sind, nicht mehr gekommen sind, all die Wochenenden, an denen ich meine Tochter nicht gesehen habe, die ganzen Streitigkeiten mit IHR, die ganze Scheiße. Du musst das auch verstehen. Es ist bestimmt nicht schwer zu verstehen, mit all dem Blut im Mund. Ist doch verständlich?! Sonst müssen wir immer alles verstehen. Was ihr macht. Aber jetzt nicht mehr. Ich will endlich mal nicht verstehen, nur handeln, einfach nur handeln.

Er macht komische Geräusche. Keine Ahnung, was er mir damit sagen will. Aber ich muss das auch nicht verstehen, nicht mehr, jetzt nicht mehr…

Sage leise, aber bestimmt: „¡Te callas! ¡Hijo de puta, hijo de la gran puta! ¡Hijo de mierda! ¡Háblame en español, en castellano, no esta mierda de longos!“, sage ich mit einem spanischen Akzent, den ich mir angewöhnt habe, damit ich nicht mehr rede wie SIE, nicht mehr reden muss, wie sie…

Ich gebe ihm einen Tritt und er hört auf zu reden. Winselt nur noch irgendwie rum. Jetzt hör schon auf, du Lutscher. Das war noch nicht mal richtig! Ich will mir ja nicht an dir noch den Fuß brechen. Außerdem tut es mir immer noch weh. Ich mag keine Gewalt. Aber irgendwann kommt jeder an einen Punkt…an dem er nicht mehr kann, an der er die Schnauze voll hat, an dem das Fass überläuft…an dem er sich nicht mehr alles gefallen lassen will…

Das ist so wie deine Kollegin das sagt. Deine Kollegin, deren Lieblingsfilm dieser eine Film mit Michael Douglas ist. Wo der ausflippt, dieser ganz normale Typ. Mit gutem Anzug, gutem Job, gutem Auto. Weil die Frau den verlassen hat. Und wie viele Frauen das nun mal machen, die Kinder gleich mitgenommen hat. Das ist der Trigger bei dem. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und im Laufe des Films sogar mit der Panzerfaust rumballert. Das ist der Lieblingsfilm meiner Kollegin. Aber die hat das nie in die Tat umgesetzt. Ihre geheimsten Wünsche und Triebe. Ich schon. Heute… die meinten ja auch, die könnten mich für immer verarschen, jeden Tag zum Essen kommen und zum Dank noch meiner Frau nachstellen. Klar… Normal… Mit ihr Fahrrad fahren wollen. ¿Quieres hacer bicicleta? Wie oft hast du das damals gefragt?! Viermal?! Heute fahre ich Fahrrad. Mit dir! Aber ohne Sattel! Hoy voy a hacer bicicleta contigo… Yo…contigo…no ella…

Manche Sachen gehen eben nur mit Gewalt… Hörst du?! „Manche Sachen gehen nur mit Gewalt!“

Das gilt für die kleinen wie für die großen Dinge des Lebens…

Sogar ein Wassermann kommt irgendwann an diesen Punkt…

Die Friedfertigkeit ist vielleicht gut für Gandhi, aber nicht für dich…

Vielleicht bin ich ja auch im Aszendenten etwas anderes…Böseres…

¡Ya te digo qué te calles, hijo de puta!

Du hast alles bekommen, immer schon, und ich hab alles verloren! Du kannst SIE sehen, sogar meine Tochter, du kannst sie schmierig anlächeln, am Wochenende, wenn sie bei ihrer Mutter ist.

Was soll ich jetzt mit dir machen?

Ich beuge mich zu ihm runter: „Was soll ich mit dir machen? Sag mir…, sag mir das…“

Er sagt nichts, guckt mich nur mit diesen großen Rehaugen an. Tieraugen.

Und dann wache ich aus dem Traum auf und es ist immer noch Weihnachten. Dieses Jahr ist Weihnachten aber auch scheißlang… Zieht sich wie Kaugummi. Geht immer wigga. Imma wigga… Mannomann, du hast echt zu viel Eminem gehört... In den letzten Tagen. Viel zu viel. Das ist nicht gut für dich. Wie hat das deine Mutter (und dein Vater) damals immer gesagt?! „Du weißt nie, wann du aufhören, wann es Zeit ist aufzuhören…“ Bis heute nicht. Ist das jetzt gut oder schlecht? Das weißt du auch nicht. Du weißt, dass du nicht viel weißt…

Oder ist er es, der aus dem Traum aufwacht. Den Traum von seiner Schwägerin (welcher?), von den Töchtern seiner Schwägerinnen (welcher?), geht mein (und sein) Alptraum etwa weiter und ich bin wirklich hier, in dieser Wohnung, mit ihm auf dem Boden, sauber getaped, eine Platzwunde an der Stirn. Wer soll das denn putzen, du machst meinen ganzen Boden dreckig. Soll ich etwa deine Schwägerin anrufen, damit sie putzen kommt, oder was?!

Scheiße, was mach ich denn jetzt mit dir…

Ich reibe mir die Augen, richte mich mühsam auf. Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Jetzt damit anfangen. Mit Gewalt muss man früh anfangen. Erfahrung sammeln. Sonst ist es zu spät. Aber man hat nicht immer eine Wahl im Leben. Manchmal geht es einfach nicht anders, im Leben.










Sonntag, 24. Dezember 2017

Einen Tag vor Heiligabend: Na dann Prost!



Last Christmas, I gave you my heart
But the very next day you gave it away
This year, to save me from tears
I'll give it to someone special…
(Wham! - Last Christmas)
  







Ich hätte richtig Bock an Heiligabend ein bisschen Alkohol zu trinken. Um zu vergessen. Vergessen, dass meine Frau nicht mehr da ist (Tschuldigung, meine Ex-Frau meine ich natürlich). Um zu vergessen, dass sie, meine Tochter, nur den halben oder noch nicht mal den halben Tag da ist, an Heiligabend! Dass sie später den Leuten ins Gesicht lächeln wird, die deine Ehe auf dem Gewissen haben, die dich kaputtgemacht haben und jetzt alles haben, während du nichts hast. Nur eine Tochter, und auch die nur die Hälfte des Tages (wenn überhaupt). Dass die ihr schmierig, kokett ins Gesicht lächeln werden, der Schwager zum Beispiel und wer weiß wer sich sonst noch bei denen rumtreibt, an Heiligabend. Heiligabend. Ihre Familie war ihr nicht heilig, soviel ist sicher. Obwohl: ihre Familie schon. Meine, unsere nicht… Und María liegt dazwischen. Ich hätte echt Bock, aber ich kann nicht. Das kannst du nicht bringen! Dir vor ihr an Heiligabend, diesem heiligsten Abend im Jahr, einen anzuzwitschern. Obwohl du noch Alkohol da hast. Zwei Flaschen, die du seit anderthalb Jahren nicht angerührt hast. Du bist also kein Alkoholiker. Du magst die Scheiße noch nicht mal richtig. Alkohol schmeckt dir nicht. Du könntest nie ein Alkoholiker sein, werden. Aber trotzdem wäre das ein Tabubruch…und würde auch von deiner Tochter als solcher aufgenommen. Also wirst du nüchtern alles ertragen und danach – wie jedes Jahr seit der Trennung – in den Wald gehen, alleine, ganz alleine, der letzte Mensch auf der Welt…