Plötzlich, während ich gerade im Bett liege und Coronation Street gucke (zwei geile Weihnachtsfolgen a 45:33min!), klingelt das Telefon. Ich springe aus dem Bett hoch wie von der Tarantel gestochen und renne in die Küche. Das ist bestimmt María. Mari. Ich weiß es einfach. Aber wo ist das verfickte Telefon bloß wieder hin? Immer die gleiche Scheiße! Die ganze Zeit suchst du nach irgendwelchem Scheiß. Mannomann. Zuerst gucke ich in der schwarzen Hose nach, die vor dem Herd liegt, aber da ist es nicht. Scheiße, Mann! Aber es hat doch hier geklingelt… Ja, es liegt auf dem Tisch. Und klingelt immer noch. Oder vibriert zumindest. Ein kurzer Blick auf das Display: Ja, Mari!
„Hi.“
„Hi. Ich komme ein bisschen
später. So um neun oder zehn. Ich bin noch in Köln.“
„Okay… Du weißt ja, der
letzte Zug fährt um 00:39!“
„Ja, aber solang brauch ich
nicht.“
„Willst du denn noch was zum
Essen? Soll ich noch was holen oder willst du morgen früh.“
„Das kann ich auch morgen
früh.“
„Okay, aber gib nicht dein
ganzes Geld aus, in Köln. Du musst sparen, für deinen Führerschein, du weißt
das.“
„Ich habe nichts gekauft.
Ich muss sparen. Ich war nur essen.“
„Essen kostet auch… Du musst
den Führerschein machen, der ist wichtig. Ich weiß, wie das ist, ohne
Führerschein.“
„Du hast doch einen
Führerschein.“
„Ja, ich weiß: Aber ich weiß
nicht, wo der ist und ich kann nicht fahren und ich habe kein Auto… Das ist
wichtig. Aber wir schaffen das schon. Ich werde das Geld schon irgendwo
herbekommen. I’m gonna rob a bank to get you the money.“
„Ja.“ Sie lacht. Oder lacht
sie nicht.
„Ok, bis dann. Viel Spaß!“
„Bis dann.“
Ich weiß, wie das ist. Ich
hätte auch gerne ein Auto, besonders hier draußen. Aber dann müsste ich wieder
Fahrstunden nehmen und mir ein Auto kaufen und die Versicherung bezahlen… Kurz
gesagt: Nicht drin. Außer ich verkaufe meine Seele an die italienische Mafia.
Hier an der Eisdiele um die Ecke. Wo die jeden Tag, Sommer wie Winter draußen
sitzen. Oder bei dem Italiener in Rheinbach. Den kennst du sogar von früher.
Das war vielleicht eine Hassliebe… Oder ich gewinne im Lotto, haha.
Aber irgendwie gefiel mir
das Gespräch nicht: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mehr zu ihrer
Mutter will, heute Abend, anstatt zu mir. Dass sie keinen Bock hat, nach Köln
noch nach Meckenheim rauszufahren. Aber sie war ja schon gestern und vorgestern
bei ihrer Mutter. Am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag! Weil ich arbeiten war, weil
ich nicht anders konnte, nicht anders wollte, vergessen wollte, nicht feiern
wollte, mit niemandem… Und da ist Arbeit immer noch das Beste. Und was soll sie
denn auch alleine hier sitzen, am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, während ich auf
der Arbeit bin. Außerdem brauche ich nach der Scheidung mehr als jemals zuvor
das Geld. Ich bin im mittleren Alter und brauch das Geld!
Vielleicht will sie ja mehr
zu ihrer Mutter, ganz zu ihrer Mutter…das ist ja auch Stress für sie, dieses
dauernde Hin und Her…
Ach, Quatsch
Dann muss sie mir das sagen. Ich werd den Teufel
tun…
Wenn ich auf meine Gefühle
hören würde…
Vielleicht will ihre Mutter
sie ja auch mehr sehen… Vielleicht geht es ihrer Mutter ja auch nicht gut,
dieses Jahr an Weihnachten…
Wenn ich auf meine Gefühle
hören würde…