Freitag, 30. Juni 2017

H wie Hoffnungslosigkeit, Heulen und...













Du liegst im Bett, willst traurig sein, es macht doch alles keinen Sinn mehr, willst heulen, nichts mehr sagen, nie wieder was sagen…

…aber dann kommt María an dir vorbei…

Und du fühlst dich wieder besser. Nur minimal, aber das reicht schon, um weiter zu leben, um wieder Hoffnung zu schöpfen. Dieses Leben ist so Scheiße. Es zieht dich ganz tief runter und gibt dir dann einen Funken Hoffnung.


So eine Scheiße


Am Montag fährt sie auf Abschlussfahrt nach Dublin und du verlierst eine ganze Woche! Natürlich kommt sie genau zum Wochenende wieder. Dem Wochenende ihrer Mutter! Toll, ne?! Eine ganze Woche Hoffnungslosigkeit, Heule und das fehlende dritte „H“ (was auch immer das ist). Eine ganze Woche in einer Wohnung, in der ich nicht leben will, in einer Stadt, in der ich nicht leben will, in einem Job, in dem ich nicht arbeiten will, in einem Land, in dem man nicht leben kann (ja, gib du ruhig dem Land die Schuld), auf einem Planeten, auf dem du falsch aufgehoben bist, in einem kalten, herzlosen Universum

***

Du gehst in ihr Zimmer und sagst: Ruf mich mal an, wenn du gut angekommen bist. Oder schreib mir eine Mail. Das ist noch besser, dann kostet dich das nichts…

Ich rufe an, ich hab ja jetzt die Flat…, antwortet sie.

Ob die gilt?

Am Montag, ok.

Ok, am Montag, wenn du angekommen bist. Gut

Du stehst in der Tür, guckst aus dem Fenster auf den Hinterhof. Sie sitzt auf dem Bett, spielt mit ihrem Handy, während du sagst: Eigentlich könntest du jetzt deine Mutter voll abziehen – verdient hätte sie es, weiß Gott –, jetzt, wo du von mir Geld bekommen hast. Du müsstest nur hingehen und sagen: Der Papa ist so ein Arschloch, der hat mir kein Geld gegeben. Der ist so geizig, so ein geiziger Stinkstiefel. Oder besser noch: Der hat mir nur 10€ gegeben… Dann müsste die dir das geben. Die würd dir das bestimmt geben. Die wird dich ja nicht hängen lassen. Die weiß ja, was ich für ein Arschloch bin. Sein kann

Sie sagt nichts.

Ne, aber echt. Ruf mich mal an. Da stört mich das ja nicht. Nur wenn du mit der Mama alleine in Urlaub fährst, während ich hier vegetieren muss, dann stört mich das. Dann regt mich das auf. Warum musst du überhaupt mit ihr in Urlaub fahren. Du kannst dich ja weigern. Dann brauchst du mich nicht anrufen. Aber wenn du in Dublin bist, dann will ich schon wissen, ob du gut angekommen bist. Bald fährt sie schon wieder in Urlaub, denkt er. Mit ihrer Mutter. Dann siehst du sie wieder eine Woche nicht. „H“ wie Hoffnungslosigkeit, Heule und…Hurensohn, nein, das passt nicht. Hoffnung? Nein, das passt auch nicht. Homosexualität? Nein! Dann kann ruhig das Flugzeug abstürzen. Und du überlebst als Einzige. Als einziger Passagier. Trägst noch nicht mal eine Verletzung davon. Während die Mama…boah, wie geil wär das denn?! Die Mama macht Urlaub mit ihrer ganzen Familie und das Flugzeug stürzt ab und nur du überlebst. Wie durch ein Wunder. Ein Wunder ist geschehen. Dann krieg ich den Kinderfreibetrag. Und Kindergeld. Und du musst zu mir ziehen! Die ganze Woche lang! Hier! Kannst du dir das vorstellen?

…boah, wenn die Slainté mit abstürzen würde, dann würde ich nachts da hingehen und der aufs Grab pinkeln. Oder aufs Grab kacken. Nachts, wenn das keiner sieht. Dann würd ich da hingehen und da drauf kacken…würd ich mir Klopapier mitnehmen und mir den Hintern da abwischen. Und beim Rafael würde ich…

…den ausgraben und…

Boah, ich hab Fantasien… Schlimm, ne?! Aber ich würd das echt machen. Ich würd die echt abziehen. Die hat doch Geld. Das merkt die nicht. Und dann gehst du noch zu den Verwandten und sagst wieder: Mein Vater ist so ein Arschloch, der hat mir kein Geld gegeben. Dann sagen die bestimmt: Ja, da hast du Recht. Der ist wirklich ein Riesenarschloch! Und dann hältst du die Hand auf und sie müssen dir quasi was geben. Ist das nicht eine gute Idee?! Ich verlasse ihr Zimmer, lege mich im Wohnzimmer vor den Computer.

Sie sagt nichts. Immer noch nichts. Guckt dich nur an. Was soll sie auch dazu sagen?!

Du kennst ja noch nicht mal die einfachsten Tricks der Scheidungskinder


Wolfi hat letztens gesagt, dass ihn das aus der Bahn geworfen hat, die Scheidung seiner Eltern. Da steht dann ein gestandener Mittsechziger vor dir, noch immer rüstig und sagt dir, dass ihn die Scheidung seiner Eltern damals aus der Bahn geworfen hat. Was soll man da denken.

María geht durchs Wohnzimmer in den Flur, fragt: Kostet dich das dann was? Wenn ich dich anrufe?

Keine Ahnung. Kann sein. Früher war das so, wo meine Eltern in Schottland waren. Aber ob das immer noch so ist? Kann sein, ich hab ja einen Vertrag. Ne, dann schreib mir einfach eine E-Mail. Du hast ja die Adresse.


María geht zu ihrer Tasche, die im Flur vor der Tür steht, dann wieder ins Bad. Du liegst vor dem Computer, stehst nicht auf, obwohl du sie jetzt eine Woche nicht sehen wirst. Steh auf, du Arschloch! Du faule…Sau! Steh auf!

…wenn du am Boden bist…steh auf!

Aber du  bleibst nur liegen, sagst: Du musst jetzt bald gehen. Du hast noch dreizehn Minuten.

Wie viele? Nur dreizehn? Echt? Scheiße… Ich geh manchmal sogar schon fünfzehn Minuten früher. Scheiße.

Sie öffnet die Tür, guckt nach unten, in den Hinterhof: Was ist das da?

Was?

Sie öffnet die Tür nur halb, guckt in den Hausflur.

Was meinst du?

Dann öffnet sie sie ganz und sagt: Tschüs.

Tschüs.