Auf einmal klingelt das
Telefon. Ich habe gerade keine Schüler, also kann ich drangehen. Eigentlich
kann das ja nur einer sein. Eine. Ich krame das Handy aus der engen Hosentasche
und gucke auf das Display. Da steht es: Mari. Mari! Ja! Result!
Eigentlich hatte ich mir ja geschworen, sie nicht mehr anzurufen. Bevor sie nach Dublin fliegt. Hätte ich auch nicht mehr gemacht. Diesmal echt nicht. Diesmal hätte ich das auch durchgehalten. Einmal. Einmal im Leben. Einmal hart bleiben. Nicht der Vater sein, der – wie sie sagt – sich zu viel um sie kümmert. Hat sie letztens gesagt, als ich ihr diesen Artikel in der Bild vorgelesen habe. Wie hieß der noch mal? Irgendwas mit „Viele Kinder fühlen sich von ihren Eltern vernachlässigt“. Ja, das war’s. Das hab ich ihr vorgelesen, abends, und dann hat sie gesagt, ein bisschen später: Um mich wird sich zu viel gekümmert. Also wollte ich diesmal mal der lockere Vater sein, der coole Vater, der gelassene, rationale Vater. Obwohl das null meinem Naturell entspricht. Ich glaube, ich bin eher der Vater, der rauskommt, wenn man Don Corleone mit einem türkischen Vater kreuzt und dann noch einen südspanischen (vorzugsweise andalusischen) Vater fürs Temperament einfließen lässt). Genau, so ungefähr… Außerdem war ich leicht angesäuert. Warum eigentlich. Nicht wegen ihr, nein, nicht deswegen, sondern wegen der Situation, in die mich die Scheidung gebracht hat. Diese unmögliche Situation, wo man noch nicht mal zu zweit als Eltern (und das sind wir immer noch) zum Flughafen fahren kann, um die Tochter zu verabschieden. Wo die Tochter einen belügen muss, nur damit sie nicht einen der beiden (meistens ihre Mutter) vor den Kopf stößt. Moment mal: Wie kommt es eigentlich, dass sie jetzt anruft? Es ist schon zwanzig vor zwei. Wie will sie denn um zwei da sein? Wenn sie nicht mit ihrer Mutter oder ihrem neuen Stecher zum Flughafen fährt. Gefahren wird? Samt Freundin. Gute Mama! Böser Papa! Aber egal…
Eigentlich hatte ich mir ja geschworen, sie nicht mehr anzurufen. Bevor sie nach Dublin fliegt. Hätte ich auch nicht mehr gemacht. Diesmal echt nicht. Diesmal hätte ich das auch durchgehalten. Einmal. Einmal im Leben. Einmal hart bleiben. Nicht der Vater sein, der – wie sie sagt – sich zu viel um sie kümmert. Hat sie letztens gesagt, als ich ihr diesen Artikel in der Bild vorgelesen habe. Wie hieß der noch mal? Irgendwas mit „Viele Kinder fühlen sich von ihren Eltern vernachlässigt“. Ja, das war’s. Das hab ich ihr vorgelesen, abends, und dann hat sie gesagt, ein bisschen später: Um mich wird sich zu viel gekümmert. Also wollte ich diesmal mal der lockere Vater sein, der coole Vater, der gelassene, rationale Vater. Obwohl das null meinem Naturell entspricht. Ich glaube, ich bin eher der Vater, der rauskommt, wenn man Don Corleone mit einem türkischen Vater kreuzt und dann noch einen südspanischen (vorzugsweise andalusischen) Vater fürs Temperament einfließen lässt). Genau, so ungefähr… Außerdem war ich leicht angesäuert. Warum eigentlich. Nicht wegen ihr, nein, nicht deswegen, sondern wegen der Situation, in die mich die Scheidung gebracht hat. Diese unmögliche Situation, wo man noch nicht mal zu zweit als Eltern (und das sind wir immer noch) zum Flughafen fahren kann, um die Tochter zu verabschieden. Wo die Tochter einen belügen muss, nur damit sie nicht einen der beiden (meistens ihre Mutter) vor den Kopf stößt. Moment mal: Wie kommt es eigentlich, dass sie jetzt anruft? Es ist schon zwanzig vor zwei. Wie will sie denn um zwei da sein? Wenn sie nicht mit ihrer Mutter oder ihrem neuen Stecher zum Flughafen fährt. Gefahren wird? Samt Freundin. Gute Mama! Böser Papa! Aber egal…
…was du nicht weißt, macht
dich noch heißer (den Corleone, den Türken und den Spanier in dir).
Was du nicht weißt, macht
dich sowas von heiß…
Vielleicht wolltest du dich
ja nur vor dieser Enttäuschung schützen. Der Enttäuschung, dass du sie nicht
sehen kannst, am Morgen vor ihrem Abflug. Weil das bis um 18 Uhr ein „Mama-Tag“
ist. Geil, ne?! Also wollte ich mich zurückziehen, sie nicht stören, in ihren
Kreisen. Wenn sie um ihre Mutter kreist. Am Anfang hatte ich zwar noch gedacht,
sie morgens zu sehen, extra morgens nach Bonn zu fahren, um mich richtig von ihr
zu verabschieden. Standesgemäß sozusagen. Aber das war mir dann doch zu viel
und bestimmt wär ich so ihrer Mutter in die Quere gekommen und hätte mich am
Ende noch mehr geärgert. Also, hab ich schon am Freitag (bis Schulbeginn mein
Tag – DAS IST MEIN TAG!!!) so nonchalant wie möglich tschüs gesagt (auch damit
es nicht zu sehr wehtut, weil ich sie ja am Wochenende vor der Fahrt nicht mehr
sehe). Ich habe „Tschüs“ gesagt und sie hat „Tschüs“ gesagt und die Tür ging zu
und das war‘s. Natürlich habe ich – wieder – das ganze Wochenende mit mir
gerungen, ob ich mich nicht doch noch mit ihr treffen soll, aber dann habe ich
mich für diese Lösung entschieden. So lakonisch wie möglich, nur so viele Worte
wie nötig. Und dann passiert genau das Gegenteil: Da will man(n) schon mal schweigen und wer ruft mich um
zwanzig vor zwei mitten auf der Arbeit an: María! Nicht, dass ich mich nicht
freue, aber das ist auch irgendwie traurig. Denn für mich heißt das irgendwie
auch: Wenn man Spielchen spielt, hat man in diesem Leben Erfolg. Wenn man lügt
und betrügt, Spielchen spielt und so tut, als ob. Wenn man ehrlich ist, wird
man gefickt. Von hinten, ohne Gummi und ohne Gleitcreme. Von einem BBC (und
damit meine ich nicht die Fernsehanstalt!).
Aber egal, ich gehe trotzdem
dran:
Hi
Hi, ich bin jetzt gleich am
Flughafen…
Häh…, sage ich halb extra,
halb gespielt. Bist du schon am Flughafen?
Nein…
…ich fahr jetzt, ich fahr
jetzt zum Flughafen…
Ach so…ok.
…
Na dann wünsche ich dir
einen guten Flug! Und viel Spaß! Wann geht denn der Flieger?
Um vier.
Und wann bist du da?
Um sieben. Oder acht. Halb
acht.
So spät?
Ja, ich glaub schon…oder
früher…
Stimmt, das dauert ja noch. Der
Flughafen liegt ja bestimmt auch nicht direkt in der Stadt- Der liegt ja
bestimmt außerhalb. Bei RyanAir. Bestimmt
Ja.
Du kannst mich ja mal
anrufen, ob du gut angekommen bist. Wenn du da bist. Heute Abend. Ist auch
egal, ob das was kostet. Das bezahl ich dann. Ruf mich einfach mal an. Dann bin
ich bestimmt auch schon Zuhause. Und wenn nicht, das Handy hab ich ja dabei…dur.
Ja, mach ich.
(Da muss sie zwei anrufen,
das ist auch nervig. Dann kann sie uns miteinander vergleichen und analysieren,
wer sich besser verhält. Wer cooler ist. Gelassener. Bestimmt Nadine. Was
Gelassenheit angeht, bin ich ja eher ein dark
horse. Hey, im wahrsten Sinn des Wortes. Scheiße, das ist auch lästig, für
die Kinder mit zwei Eltern. Mit getrennten Eltern. Die Kinder im Wechselmodell.
Die im Wechselmodell befindlichen Kinder. Die im Wechselmodell existierenden
Kinder. Wen sie wohl als erstes anruft?)
Sie sagt nichts. Es klingt
die ganze Zeit, als ob sie noch was sagen will, es aber nicht raus bekommt. Das
Gefühl habe ich öfters bei ihr, in letzter Zeit. Diese ganze Zurückhaltung kann
ja nicht gut sein. Dieses ganze Labern von dir sicherlich auch nicht. Touché!
Wann kommst du denn wieder?
Das weißt du doch schon…
Am Freitag.
Und um wie viel Uhr?
Um vier.
Ok, dann kann ich dich ja
vielleicht abholen, vom Flughafen...
…
…ach, ne, geht ja nicht. Da
arbeite ich ja…Scheiße…
…
Du kannst ja mal am Samstag-
oder Sonntagvormittag vorbeikommen. Keine Ahnung, ob ich Sonntag arbeite, aber
das sage ich dir dann noch…
Ja.
Ok, dann einen guten Flug,
komm gut an, hab Spaß…
…und pass auf dich auf. Ya sabes (ich bin hier auf der Arbeit), sólo media cerveza y si sales, no aceptes
bebidas de otra gente…ya sabes…
Jaaaaaa
Ciao.
Ciao.
Die Beziehungen. Was du
heute Morgen noch im Fernsehen gehört hast. Das mit den Mädchen und den Vätern,
den Töchtern und den Vätern und den Söhnen und den Müttern. Vielleicht war das
bei dir so gewesen. Vielleicht war das sogar so gewesen, damals bei dir und
meiner Mutter. Ist das etwa heute immer noch so? Binde ich María so stark an
mich, weil ich nichts anderes mehr habe? In gewisser Weise bestimmt. Das ist
hart, das über sich selbst zu sagen. Selbst das über sich selbst zu denken ist
hart. Ist sie etwa irgendein Ersatz für Nadine? Eine Ersatzbeziehung? Eine
Ersatzbefriedigung? (Deswegen streite ich vielleicht auch immer so gerne auf
Spanisch mit ihr, wie mit ihrer Mutter früher, fast nie auf Deutsch) So wie ich
ein Ersatz für meine Mutter war? Ich möchte gar nicht dran denken… Aber ich
glaube, bei meiner Mutter war das anders. Da war ich eher ein Ziehkind, wie ein
Hund, so ein braver, kleiner Chihuahua wie der, den sie heute hat. Den sie nach
Lust und Liebe kontrollieren, nach Lust und Liebe verziehen kann…nach Lust und
Liebe behüten und vor der bösen Welt beschützen kann. Aber ist das nicht das
Gleiche? Oder dasselbe? Ich versuche ja auch, sie zu behüten. Trotz Scheidung,
trotz Depressionen, trotz mangelnden Sinns. Aber andererseits: Wenn sich ihre
Eltern schon scheiden lassen, dann soll sie das wenigstens nicht in ihrer
vollen Härte abbekommen. Das ist doch etwas Gutes. Oder nicht? Der Weg zur
Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
Obwohl: Mütter haben es da auch einfacher. Die können noch immer mit ihren erwachsenen Töchtern kuscheln...
Obwohl: Mütter haben es da auch einfacher. Die können noch immer mit ihren erwachsenen Töchtern kuscheln...