Eines Abends, alleine auf
der Arbeit, fasst er einen unglaublichen Plan... Vielleicht ist es ja die späte
Stunde oder seine in letzter Zeit fast schon chronische Übermüdung, die in dazu
bringen. Vielleicht ist es aber auch seine Einsamkeit, abends alleine hier in
der “Halle“, draußen ist es schon dunkel und im Fernsehen läuft die Berichterstattung
über die linken Ausschreitungen des „schwarzen Blocks“ in Hamburg.“Welcome to
hell“ lautet das Motto der teilweise vermummten Demonstranten und „Krawallmacher“,
wie der Reporter sie nennt. Und anders als die meisten Kommentare auf Twitter
steht er den Aktionen dieser „Chaoten“, „Zecken“ und „Autonomen“ nicht ganz s
feindselig gegenüber. Extra twittert er selbst nichts: Denn so würde er sich
nur den Zorn der rechtschaffenen, selbstgerechten und natürlich völlig
gewaltfreien Gutmenschen zuziehen, die mal wieder auf den Gutmenschen-Zug
aufspringen, obwohl dies ja eigentlich im Widerspruch zu ihrer linken Ideologie
stehen sollte. Das ist schon komisch: Er selbst, der politisch eher nicht so
weit links zu verorten ist, hat Verständnis für die Proteste. Man muss was
gegen die Ungerechtigkeiten auf der Welt und in Deutschland tun… Und wer hat
sich jemals von friedlichen Protesten umstimmen lassen…? Wir befinden uns hier
alle viel zu sehr in einer riesigen nationalen Komfortzone. Endlich mal jemand,
der zeigt, dass das deutsche Feuer noch nicht erloschen ist, dass wir nicht
alle Teil dieses heuchlerischen Weltgewissens sind, zu dem Deutschland
ideologisch verkommen zu sein scheint.
Es gibt noch Protest!
Es gibt wieder Protest…
…und das ist gut so!
Wir sind noch nicht alle
eingeschläfert worden.
Wenn er jetzt in Hamburg wäre…
(…er würde sich irgendwo
verkriechen, wo er sicher vor Polizei und Bekloppten ist…)
Protest gegen diese reichen
Arschlöcher, die anderen alles wegnehmen…
Dann fällt ihm plötzlich etwas auf. Heute
sitzt Yasir nicht dort, wo er sonst immer
den ganzen Abend sitzt. An der kleinen Sitzgruppe am Eingang. Der geht ihm so
auf die Eier, der Typ. Den ganzen Abend sitzt der da, spielt nicht (oder nur
auf seinem Handy, was laut eigener Aussage 1000€ gekostet haben soll – ich bin
begeistert!), starrt auf sein Handy, telefoniert auf Arabisch und setzt bei
manchen Gesprächen ein so schmieriges, so ekelhaftes (das ist sein
Lieblingswort auf Deutsch, „ekelhaft“) Lächeln auf, dass man gar nicht wissen
will, was er da gerade sagt. Nein, nicht die Automaten beziehungsweise die
Tatsache, dass sie dir nicht genug „geben“ sind „ekelhaft“, wie du es immer so
falsch sagst, nein, DU bist es! Das geht mir so auf die Eier, dass ich jetzt
jedes Mal, wenn der wieder in diesem unnachahmlichen harten und lauten
arabischen Tonfall einen KAFFEE haben will, bis 30 zähle, bevor ich überhaupt
aufstehe, um ihm einen zu machen. Was für ein Schmierer! Als Gott – oder in dem
seinen Fall Allah – die Schmierigkeit, die Aalglattheit verteilt hat, hat Yasir
bestimmt laut hier gerufen und Gott (oder Allah) war so erschrocken, dass er
ihm gleichen den ganzen Kübel gegeben hat. Aber das reicht noch nicht: Diese
kleinen passiv-aggressiven Boykott-Aktionen (ihn mit dem Kaffee warten lassen,
ihm nicht Hallo oder Tschüss zu sagen, in seiner Anwesenheit fast permanent die
Augen zu rollen) reichen ihm noch lange nicht. Besonders nach dem, was der
letztens wieder vom Stapel gelassen hat, als er ihn gefragt hat, ob er Slainté kennt. Und dann denkt er daran, dass vielleicht
genau dieser Kaffee, den Yasir so gerne so gebieterisch bei ihm ordert die
Lösung seines Problems sein könnte. Denn die Leute hinter der Bar haben auch
Macht, auch wenn die für den der letzte Dreck sein mögen. Die kann man auch
nicht einfach so verarschen. Ungestraft.
Wie diese schottische Kellnerin
aus Trainspotting, von Irvine Welsh, seinem Lieblingsschriftsteller.
Die den zudringlichen englischen Jungs aus gutem Hause, die sie plump anmachen
und sich an ihrer vermeintlichen Ohnmacht ergötzen, am Ende mehr von ihrem
Körper zuführt als sie jemals zu hoffen gewagt
hätten. Nämlich indem sie auf Toilette geht und ihren Tampon in die Suppe tunkt, die
sie bestellt haben. Ihren Wein mit Pipi versetzt. Ganz zu schweigen von der brown sauce… Lecker, ne?! Ja, Leute wie
du, die den ganzen Tag irgendwelche Arschlöcher bedienen, die ihnen nicht mal
genug Trinkgeld dafür geben, haben auch Macht. Man muss sie sich nur nehmen.
Macht kommt von machen. Wenn der das nächste Mal „Einen Kaffee, bitte…“ sagt,
in einem Ton, der das „bitte“ komplett unnötig macht, dann…Ja dann…
Was dann? Was könntest du
ihm denn da rein tun? Was könntest du denn da Schönes rein tun? Keine Ahnung…
…aber es ist ja noch eine
halbe Woche, bis zu deinem nächsten Dienst…
…viel Zeit zum Nachdenken…
…der Fantasie freien Lauf zu
lassen…
…damit es nicht nur bei
Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen bleibt…
Immerhin ist das hier nicht Trainspotting…
…sondern
die REALITÄT, die harte deutsche Realität