Montag, 18. Dezember 2017

Zeit für eine Typveränderung


 










Du kommst montagabends zur Tür rein und sie ist tatsächlich noch wach. Sitzt am Küchentisch und sagt: „Merkst du was?“

Und tatsächlich merke ich es direkt, sage: „Deine Haare…“
 
„Hast du die gefärbt?“



„Getönt, nicht gefärbt… Alle machen mir Komplimente deswegen, sagen das sieht gut aus.“

Das ist was anderes. Aha.

Ist jetzt dunkler. Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, wenn ich ehrlich sein soll. Ich tue mich schwer mit Veränderungen, in letzter Zeit. Aber das sage ich ihr natürlich nicht. Und überhaupt: Wer ist schon ehrlich in diesem Leben, in diesem Land? Genau: Niemand! Es ist anders, das auf jeden Fall

„Ich brauchte mal eine Typveränderung…etwas Neues…“

„Jetzt siehst du aus wie eine Araberin.“

„Das sagen die mir eh dauernd. Oder Türkin. Dann quatschen die mich auf Türkisch an…“

„Nein, aber vorher sahst du aus wie eine Argentinierin. Das ist ein Unterschied.“


„Das wissen die vielleicht nicht, aber Argentinierinnen sehen anders aus…das ist so eine Mischung aus Südamerika und Europa…“

Die schön ist…die eigentlich funktionieren sollte…es aber nicht tut…nicht getan hat…

Eine Mischung aus Ecuador und Deutschland. Obwohl: Sie hat ja funktioniert. Sie hat ja gereicht. Für deine, für eure Tochter, die du vergötterst, wie du deine Frau früher vergöttert hast. Eigentlich jetzt noch mehr. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, sechs Tage vor Heiligabend. Sechs Tage vor Heiligabend.

„Dir steht eh alles. Du bist jung, du bist schön.“

„Ich habe Fritten gekauft. Für dich…“, sagt sie.

„Danke…cool!“


Eben, wie du von der Bahn gekommen bist, hast du auf dem Weg gedacht: Soll ich mir etwa jetzt direkt wieder eine neue Freundin, Frau suchen…nur um mich nicht zu sehr an sie zu klammern… Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel mitmachen, das diese Gesellschaft zur Norm erhoben hat? Das Ex-Next-Spiel, das man spielt, bis es irgendwann nicht mehr geht. Bis man zu alt dafür ist. Oder keine Next Ex mehr findet.

Nur um nicht zu klammern… Immer wieder was Neues… Muss man das mitspielen? Wenn man dazugehören will schon

Ich hatte schon immer ein Problem mit der Norm.

Wie hat das dein Vater früher immer so kryptisch gesagt: „…aber keiner kann die Norm bestimmen…“

Stimmt nicht: Hier, hier in Deutschland bestimmt jeder die Norm. Jeder einzelne Bundesbürger ist die Norm, die personifizierte Norm.

Das frage ich mich immer öfters, in letzter Zeit. Ob ich gut für sie bin.

Aber ist ihre Mutter gut für sie…andererseits?


Sind wir jemals gut für unsere Kinder?









Und dann irgendwann, irgendwann nach tausend traurigen spanischen Liedern kommt mir dieser Gedanke, denke ich: Du hast das Recht so zu sein, wie du bist. Du bist, wie du bist. Jeder ist anders und du bist eben so. Du hast auch das Recht, diese Gefühle zu haben…wir leben in einem freien Land. Und wenn es ihnen nicht gefällt, wer immer auch „ihnen“ ist, dann…

…dann sollen sie sich doch selbst ficken…

…dann leckt mich doch…

…euer Problem, nicht meins!