Du kommst montagabends zur
Tür rein und sie ist tatsächlich noch wach. Sitzt am Küchentisch und sagt:
„Merkst du was?“
Und tatsächlich merke ich es
direkt, sage: „Deine Haare…“
„Hast du die gefärbt?“
„Getönt, nicht gefärbt… Alle
machen mir Komplimente deswegen, sagen das sieht gut aus.“
Das ist was anderes. Aha.
Ist jetzt dunkler. Ich weiß
nicht, ob es mir gefällt, wenn ich ehrlich sein soll. Ich tue mich schwer mit
Veränderungen, in letzter Zeit. Aber das sage ich ihr natürlich nicht. Und
überhaupt: Wer ist schon ehrlich in diesem Leben, in diesem Land? Genau:
Niemand! Es ist anders, das auf jeden Fall
„Ich brauchte mal eine
Typveränderung…etwas Neues…“
„Jetzt siehst du aus wie
eine Araberin.“
„Das sagen die mir eh
dauernd. Oder Türkin. Dann quatschen die mich auf Türkisch an…“
„Nein, aber vorher sahst du
aus wie eine Argentinierin. Das ist ein Unterschied.“
…
„Das wissen die vielleicht
nicht, aber Argentinierinnen sehen anders aus…das ist so eine Mischung aus
Südamerika und Europa…“
Die schön ist…die eigentlich
funktionieren sollte…es aber nicht tut…nicht getan hat…
Eine Mischung aus Ecuador
und Deutschland. Obwohl: Sie hat ja funktioniert. Sie hat ja gereicht. Für
deine, für eure Tochter, die du vergötterst, wie du deine Frau früher
vergöttert hast. Eigentlich jetzt noch mehr. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist,
sechs Tage vor Heiligabend. Sechs Tage vor Heiligabend.
„Dir steht eh alles. Du bist
jung, du bist schön.“
„Ich habe Fritten gekauft.
Für dich…“, sagt sie.
„Danke…cool!“
Eben, wie du von der Bahn
gekommen bist, hast du auf dem Weg gedacht: Soll ich mir etwa jetzt direkt
wieder eine neue Freundin, Frau suchen…nur um mich nicht zu sehr an sie zu
klammern… Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel mitmachen, das diese Gesellschaft zur
Norm erhoben hat? Das Ex-Next-Spiel, das man spielt, bis es irgendwann nicht
mehr geht. Bis man zu alt dafür ist. Oder keine Next Ex mehr findet.
Nur um nicht zu klammern…
Immer wieder was Neues… Muss man das mitspielen? Wenn man dazugehören will
schon
Ich hatte schon immer ein
Problem mit der Norm.
Wie hat das dein Vater
früher immer so kryptisch gesagt: „…aber keiner kann die Norm bestimmen…“
Stimmt nicht: Hier, hier in
Deutschland bestimmt jeder die Norm. Jeder einzelne Bundesbürger ist die Norm, die personifizierte Norm.
Das frage ich mich immer
öfters, in letzter Zeit. Ob ich gut für sie bin.
Aber ist ihre Mutter gut für
sie…andererseits?
Sind wir jemals gut für
unsere Kinder?
Und dann irgendwann,
irgendwann nach tausend traurigen spanischen Liedern kommt mir dieser Gedanke,
denke ich: Du hast das Recht so zu sein, wie du bist. Du bist, wie du bist.
Jeder ist anders und du bist eben so. Du hast auch das Recht, diese Gefühle zu
haben…wir leben in einem freien Land. Und wenn es ihnen nicht gefällt, wer
immer auch „ihnen“ ist, dann…
…dann sollen sie sich doch
selbst ficken…
…dann leckt mich doch…
…euer Problem, nicht meins!