Du willst das, du willst
dieses Leben. Mit dem Reihenhaus, ordentlich eingereiht (eins wie das andere)
und eingerichtet, die Schuhe ordentlich in einer Reihe vor der Tür, nachts in
der Kälte (brrrh…), die Fahrräder links davon, hinter diesem kleinen
Holzgeländer, der 500-Zoll-Fernseher (so
einen großen hast du fast noch nie gesehen, außer vielleicht bei Media-Markt,
die Designer-Stühle (oder zumindest sehen sie für dich danach aus, und sogar
die bunt bemalten Latten, die die Treppe nach oben vom Wohnzimmer abschirmen
sollen und dem ganzen eine raue Authentizität verleihen sollen, sehen in dieser
Umgebung perfekt aus. Alles ist ordentlich, immer ein bisschen abgedunkelt (was
du hasst wie die Pest, was aber bei all diesen Leuten so ist, diesen Leuten,
die Geld haben), so als hätte man sogar die Dunkelheit befriedet. Das einzige Lebendige
die Katze, bei der gefragt wird, ob sie dich stört (nein, tut sie nicht,
definitiv nicht, das arme Tier). Du willst das: Respektabilität, versinken in
der Konformität und Uniformität dieses Lebens. Du bist zu alt, um den Rock
& Roll zu leben, den du ohnehin nie richtig gelebt hast.
Aber, fragst du dich, wie du
des Abends an der Haltestelle stehst und auf den Bus wartest, der nicht kommt,
mal wieder nichtkommt – gleichzeitig innerhalb als auch außerhalb dieser Welt,
von der du nie ein Teil sein wirst. Früher war das hier eine schlechte Gegend,
vor noch nicht allzu langer Zeit.
Wenn du das wirklich
wolltest, warum machst du dann nichts dafür? Warum tust du dann nichts, um es
zu erreichen? Arbeitest dafür? Arbeitest hart, so wie der Vater von denen…
Du guckst auf die
Pflastersteine vor dir.
Oder ist das nur eine
weitere Lüge unserer Gesellschaft? Dass wir alles haben können, wenn wir nur
wollen. Oder ist es eine Lüge, wenn wir sagen, das wär eine Lüge, eine
Schutzbehauptung, um es gar nicht erst versuchen zu müssen?
Aber nicht jeder kann so
sein. Nicht jeder kann so sein. Manche
sind eben anders. Und überhaupt: Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder ein
nettes Reihenhaus in einer netten Gegend, eine nette Frau, ein nettes Auto und
eine gute Arbeit hätte…?
Die Pflastersteine, auf die
du herunterblickst, direkt unterhalb des Bordsteins, zwischen dem Belag der
Fahrbahn und dem Bordstein, liegen alle in Reih und Glied (was für‘n Glied?),
sauber, ordentlich verlegt. Auch die rechteckigen Steine unmittelbar hinter der
Bordsteinkante, die mit ihren runden Erhebungen wie Würfelmit acht Augen
aussehen und den Blinden den Weg weisen sollen, sind geordnet, gerade, eben…
Diese Gesellschaft weist
sogar den Blinden den Weg. Wohin? Zum Bus! Weil Auto fahren, das können die ja
nicht. Hier muss es doch möglich sein, dass du es zu etwas bringst?! Wenn du
willst… Wenn du nur willst… Wolltest… Obwohl über allem die Nacht liegt, die
dunkle Nacht. Schwarze Pfützen auf der Straße alle Formen verwischen, auch die
der Pflastersteine vor dir. Oder bildest du dir das nur ein?! Werden die Linien
zwischen den Steinen gar nicht von dunklen Pfützen überdeckt, verwischt? Sind
sie etwa noch immer klar zu sehen – zwar schwarz von Regen, Dreck und der
Dunkelheit, aber noch klar vorhanden? Zeigen sogar den Blinden den Weg…
Ins Gleisbett, an dem du nun
stehst, nachdem du den Bus und dann noch einen Bus genommen hast (nur weil du
kein Auto hast, dir kein Auto leisten kannst…noch nicht mal fahren kannst). Die
Gleise kerzengerade, verlieren sich in der Nacht, in der Ferne, sind einfach
nicht mehr da. Sind aber noch da, auch wenn du sie nicht mehr siehst. Weisen
der Bahn ihren Weg. Ihren Weg durch die Nacht. Wenn man deinem Onkel, der
Zugfahrer, Zugführer ist, Glauben schenken darf (und ich glaube, das darf man),
gibt es keinen oder kaum einen Unterschied zwischen einem überfahrenem Tier und
einem Selbstmörder. Es regnet immer noch. Emotional wahrscheinlich schon, aber
was bedeutet das schon, „emotional“, in Deutschland? Sentimental vielleicht,
aber emotional? Sensibel auch, aber emotional? Was bedeutet das alles schon?
Aber das liegt ja an dir… Was du draus machst…
„Jeder ist seines Glückes
eigener Schmied!“
Hat dein Vater immer gesagt,
damals, als du noch klein warst, als du noch jung warst. Aber ich glaube, er
meinte das Gegenteil damit. War er etwa nicht auch meines „Glückes Schmied“?
Gegenüber von dir, in der
Voreifelbahn nach Meckenheim, sitzt ein Typ mit Glatze. Das heißt, er hat eine
Glatze, hat sich aber auch die Seiten abrasiert. Ein Deutscher, mit einem
komischen Glas mit Bier in der Hand. Direkt gegenüber von seiner Freundin/Frau,
die auch ein komisches, längliches Glas Bier in der Hand hat. Ein dunkles Bier…
…du beneidest sie…
„Nur weil der Vollpfosten…“,
hörst du den Typen sagen. Hörst zu, was er sagt, obwohl du nur Bruchstücke
ihres Gesprächs mitbekommst.
„…bist ein reines
Minusgeschäft!“
„Performance-Training.“
„Das ist nicht meine Entscheidung…“
„…aber bei mir sich abends
ausheulen und nichts machen…“
„Wie alt ist der?“, fragt
sie.
„30.“
40.
Ausstieg
in Fahrtrichtung rechts!
…wie ein Tier…
…kein Unterschied…
Die Schienen sind da, weisen
der Bahn den Weg, egal ob es ein Tier ist oder
Die Bahn fährt gerade ihrem
Ziel entgegen, schwankt nur leicht, fast rhythmisch. Wen interessiert schon die
Nacht da draußen?!
Dich, möchtest du sagen,
hältst aber die Klappe.
DICH
Aber warum, wenn es hier
drinnen so warm und schön ist?
Ein Mädel dir gegenüber
sitzt…
Jünger als du… (heute sind
das viele und es werden immer mehr, jedes Jahr)