Dienstag, 3. Januar 2017

Carjacked - Jeder hat seine Grenzen



Mehr als ein Film-Review








Nachts kannst du nicht schlafen. Hast zu viel Kaffee und Cola getrunken. Viel zu viel Kaffee und Cola. Bist irgendwie dumpf wütend, dumpf depressiv. Und guckst Fernsehen. Bis tief in die Nacht…

Und dann läuft da dieser Film. Mit dieser Frau. Die für ihren Sohn nur schnell mal Mini-Pizzen kaufen will. Und dabei von einem flüchtigen Bankräuber entführt wird. Ihn zu seinem Komplizen fahren soll. Stundenlang. Mehrere Hundert Meilen weit.

Irgendwann hat die Frau keinen Bock mehr, die Füße still zu halten. Weil sie von dem Typen an ihre Grenzen gebracht wird. Und weil ihr Ex ihr nicht hilft. Weil sie den Jungen allein, ohne irgendwelche Hilfe, erziehen muss und kein Geld mehr hat.

Und du fragst dich: Wo sind deine Grenzen? Wann fängst du an, dich zu wehren? Deine Rechte, deine Werte zu verteidigen? Wo ist der Punkt, an dem du brichst? An dem es aus dir rausbricht? All die Scheiße? All die Ungerechtigkeit? Wie du behandelt wurdest? Noch immer behandelt wirst? Wann kommt dieser Punkt?

„Wie viel Ärger ich doch durch diese Trennung habe…“, hast du gestern gesagt. Und eine Million mal mehr nur gedacht. Immer wieder. Diese Ungerechtigkeit. Diese ganze verdammte Ungerechtigkeit. Wann wirst du von Manuel Carrasco, dem spanischen Schmusesänger zu frei.wild, den Südtirolern Rockern? Wann macht es bei dir Knacks, wie bei Nadine nach der Trennung? Wann?

Irgendwann kann sie nicht mehr. Und obwohl ihr Sohn auf dem Rücksitz liegt und schläft, drückt sie auf das Gas. Gibt immer weiter Gas. Bis sie von der Straße abkommt… Wie in Fight Club, wo der auf einmal bei Höchstgeschwindigkeit loslässt…

Gut, der Film hat seine Schwächen. Warum kommt der Typ überhaupt zurück? Und entführt gerade an der Tankstelle, wo die Frau – nachdem sie ihm entkommen ist und auch ihr Sohn in Sicherheit ist – die Polizei anruft eine weitere Mutter mit Kind… Klar, denkst du: Es gibt keine Zufälle. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man Menschen, egal wen, nicht bis aufs Blut reizen sollte. Weil sie irgendwann genug haben. Irgendwann so die Schnauze voll haben, dass sie… Dass sie nicht mehr wollen, dass sie nicht mehr können…

Keine Ahnung. Aber auf jeden Fall zeigt er, wozu jemand in der Lage ist, wenn er „bricht“. Wenn sich ein Mensch einmal entschlossen hat, sich zu wehren. Sich endlich zu wehren. Wenn er alles aufs Spiel setzt, um in all dieser Erniedrigung, dieser Gleichgültigkeit der Welt sich doch ein bisschen Stolz, ein bisschen Selbstrespekt zurückholen…

Und am Ende richtet sie den Bankräuber selbst, erschießt ihn (natürlich nur in Notwehr) und entkommt sogar mit der Beute. Gewinnt vor Gericht den Unterhaltsprozess und kriegt noch eine Belohnung für die Ergreifung des Flüchtigen…

Zeigt der Welt, dass man niemanden unterschätzen sollte…

Egal für wie geistig und finanziell unterbemittelt man ihn hält…

Egal für wie schwach, wie am Boden der andere ist…

Egal für wie weiblich oder männlich…

Man sollte nie zu überheblich werden…