Freitag, 17. Februar 2017

Traumdeutung: Zwischen Traum und Realität













Ich, das heißt, das, was von mir noch übrig ist, befinde mich auf einer Feier. Keine Ahnung, was das für eine Feier ist, aber auf jeden Fall sind da ganz viele große, lange Tische in einem Saal. Eine Familienfeier. Für die ganze Familie. Und tatsächlich: Nadine ist auch da. In der Küche. Wo sie das Essen vorbereitet. Das Essen für die wilde Meute da draußen. Und du gehst immer wieder hin und her. Zwischen deinem Tisch, wo du an der Ecke sitzt (keine Ahnung neben oder mit wem) und der Küche, wo Nadine ist und wo du dir immer wieder Alkohol nachholst. Wie früher, als du noch getrunken hast. Als du noch gesoffen hast wie ein Loch. Als gäbe es kein Morgen mehr. 
  

 
Und jetzt gibt es wirklich kein Morgen mehr und du trinkst keinen Tropfen mehr. Ist schon komisch... Das war alles nur um Nadine zu beindrucken, damals. Um ihr zu zeigen, dass du auch auf den Putz hauen kannst. Wenn du willst. Aber sie fand das nie interessant. Nur peinlich. Besonders vor ihren Freunden. Ihren Freundinnen. Aber auch sonst, wenn ihre Freunde gerade nicht zugegen waren, fand sie dich im betrunkenen Zustand nicht gerade erbaulich. Dabei wolltest du sie doch nur beeindrucken. Nur sie beeindrucken. Um ihr zu zeigen, dass du auch interessant sein kannst. Dass du auch was auf dem Kasten hast. Wenn du schon nicht tanzen kannst… Und wenn es nur Komasaufen ist. Aber das war weiß Gott nicht das, was ihre Freunde, ihre Familie beeindruckt hätte. Anders als ein eigenes Haus, oder zumindest ein eigenes Auto. Ein eigenes Leben. Und wie damals, auf all diesen Feiern, wo du dir mehr oder minder deplatziert vorkamst, bist du auch in deinem Traum nur Luft für sie. Existierst gar nicht, obwohl du immer wieder in der Küche auftauchst, um dir ein weiteres Glas…ja, was eigentlich? zu holen. Am Ende sogar mit Wodka. Um die zu beeindrucken, die dich eh nie lieben werden. Wie damals bei deinen Eltern. Das gleiche Verhalten. Du siehst sie, wie sie arbeitet, wie sie fleißig ist, aber sie sieht dich nicht. Vielleicht bist du ja auch gar nicht da, vielleicht existierst du ja (gar) nicht mehr. Aber du, ja du, du siehst sie, wie sie an der Arbeitsplatte dieser riesigen Küche beschäftigt ist, ohne sich umzudrehen. Und immer wieder kommst du, schwankst du in die Küche, aber niemand bemerkt dich. Niemand merkt, dass du überhaupt da bist. Obwohl du immer weiter trinkst. wie ein Loch. Oder vielleicht auch gerade weil du immer weiter trinkst. Die Einzige, die es bemerken könnte, die dich bemerken könnte, nämlich María, ist nicht da. Keine Ahnung, wo sie ist. Aber sie gehört ja auch nicht in deinen Traum, in deine Traumwelt, sondern in deine Realität. Die Realität deiner Existenz. Aber auch sie bemerkt dich nicht. Nicht mehr. Das ist lange her...

Und wie du dir so Alkohol holst und es runterwürgst, obwohl du gar keinen Alkohol magst, sondern nur Cola light, siehst du sie, deine Ex, deine Ex-Frau und denkst daran, was du verloren hast. Und bist im Traum genauso traurig wie in der Realität. Du hast diese fleißige, schöne Frau verloren, die kleine Frau, die du unendlich geliebt hast und die…wie das immer so ist, wenn man jemanden zu viel, zu stark liebt, dich nicht entsprechend zurückgeliebt hat (wie konnte sie auch)…

Und du wachst auf. María ist nicht mehr da, ist schon in der Schule. Und denkst:

Ich will jetzt die Wahrheit wissen. Ich will endlich die Wahrheit wissen. Ich muss sie wissen. Wie soll ich sonst jemals weitermachen? Wie soll mein Leben so jemals weitergehen? Mit dieser Karteileiche in meinem Kopf. Ich habe auch schon so meinen Verdacht. Und ich habe einen Schlüssel. Den Schlüssel, den Nadine letztens hier vergessen hat. Komisch, dass sie den nicht zurückhaben will. Komisch. Sie vergisst ihren (oder einen) Schlüssel und fragt noch nicht mal danach. Sehr komisch. Weil sie weiß, dass sie nicht danach fragen kann? Aber trotzdem könnte sie doch heimlich versuchen, den Schlüssel zu finden. Der ist doch in meiner Hose, wo du ihn vielleicht genauso extra immer noch hast. Genauso extra, wie sie ihn hier vergessen hat. Keine Ahnung. Diese Welt ist ein einziges Rätsel. Ein einziges, großes Rätsel. Oder ist er gar nicht mehr in der Hose? Scheiße
Wo ist deine verfickte Hose. Gestern hat María hier aufgeräumt. Du hast sie nicht darum gebeten, willst Chaos, willst dich im Chaos suhlen wie ein Schwein im Schlamm. Warum macht sie das überhaupt noch? Für ihren Vater, ihren toten Vater, ihren kaputten Vater, der mit 40 auf die 300 zugeht. Seinen von Eis, Frittiertem und billigen, fettigen Backwaren aufgequollenen Körper aus dem Bett hievt, ins Badezimmer trottet, auf der Suche nach dem Schlüssel. Dem Schlüssel, der es ihm vielleicht erlauben wird, zu verstehen, heute oder morgen Abend, wenn er Zeit hat. Dem Schlüssel zu seinem Wissen. Dass sie nicht danach fragt…

Wo der wohl passt? In welches Loch? In der Südstadt? Oder in der Altstadt? Sein Bauch sagt ihm, dass er in der Altstadt passt… Wenn er seinem Bauch vertraut… My gut has got shit  for brains. Er wird es schon noch herausfinden. Auf jeden Fall ist es ein alter Wohnungsschlüssel. Kein Zimmerschlüssel. Soviel ist sicher. Er wird es herausfinden. So wie er all die anderen Sachen auch nicht herausgefunden hat.

Aber er will jetzt die Wahrheit





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