Mittwoch, 7. September 2016

Nichts zu verlieren









Auf der Arbeit, auf seine Schüler wartend, hat er plötzlich einen lichten Moment. Einer der wenigen lichten Momente in dieser Wüste der Dunkelheit, in der er sich seit der Trennung befindet. Er denkt: Eigentlich musst du dir ja gar keine Sorgen machen. Weil du ja eh sterben wirst. Eigentlich kann dir ja gar nichts passieren. Außer dem Tod.

Außer dem Tod natürlich.

Eigentlich hast du ja gar nichts zu verlieren. In 30, 40 Jahren bist du eh nicht mehr da. Vielleicht auch schon in zehn. Vielleicht auch schon morgen. Wenn du so weiter machst. Also, wozu machst du dir noch Sorgen um alles?!



Nach der Arbeit, draußen, denkt er plötzlich: Vielleicht wissen die das ja auch schon alle, schon lange. Vielleicht ist er ja wieder mal der Einzige, der einzige Doof, der nichts mitbekommen hat. Vielleicht sind die ja deswegen alle immer so cool, so ruhig, scheinen so in sich zu ruhen. Weil die wissen, dass die ja eh sterben werden. Dass die sterben müssen.

Sind die etwa deswegen so? Weil die sich keine Illusionen mehr machen? Haben die das etwa alle schon vor lange vor ihm gelöst, das Rätsel des Lebens? Das Rätsel der Sphinx, die weiß, dass alles irgendwann einmal zu Sand, zu Staub verfallen wird? Vielleicht kratzt die ja deswegen das alles nichts mehr, vielleicht kann die ja deswegen nichts aus der Ruhe bringen…
…seine Frau, seine Tochter, seine Eltern, seine Anwältin…

Und ich dachte immer, ich wär der Existentialist…