Montag, 17. Oktober 2016

Alltag, Gyros Pita und Grundstimmung









Am Montag stehe ich um 13:05 auf. Ich habe schließlich frei. Obwohl ich viel lieber arbeiten würde… Im Fernsehen läuft schon das Mittagsmagazin. Kaiser’s Tengelmann geht unter, die Deutsche Bank auch, in Dresden läuft wieder Pegida, aber ansonsten besteht die Spaßgesellschaft noch (vielleicht auch weil Pegida an ihrem „zweiten Geburtstag“ weniger Mitglieder versammelt hat. Heute habe ich eine ******************* (zensiert, die Feindin hört mit!). Geil. Ich freue mich jetzt schon. Aber erst um 19:30. Also muss ich vor 16:00 nicht daran denken, mich zu duschen und zu rasieren. Und zu bügeln (scheiße, ich muss noch bügeln).

Auf dem Klo sitzend – ich konnte es gerade so noch einhalten, habe es gerade so noch geschafft, schnell den Laptop ins Badezimmer zu schaffen, während es schon ganz schön heftig drückte – denke ich darüber nach, was an einer „negative Grundstimmung“ (haben die im Fernsehen gesagt) eigentlich so schlimm sein soll. Warum wehren sich die Deutschen so gegen negative Gefühle? Fast schon beharrlich. Warum muss immer alles positiv sein? Ohne negative Gefühle kann es schließlich keine Veränderung geben. Denn wenn alle glücklich und zufrieden und comfortable sind, wird sich nie was ändern. Wo hat er das noch mal gelesen? Gestern, irgendwo. Keine Ahnung. Ein Hoch auf die moderne Mediengesellschaft. Manchmal kommt er sich in Deutschland schon ein bisschen so vor wie in Brave New World oder Schöne neue Welt, dem Buch von Aldous Huxley. Alles ist wunderbar. Alle sind zufrieden. Unser tägliches Soma gib uns heute. Wie Herr Baden das damals zu ihm gesagt hat, das mit der „negativen Grundstimmung“, da hat er sich instinktiv gesagt: Dir geht’s doch auch nicht besser, du tust nur so. Du bist doch auch nicht glücklich. Nur, weil du einmal die Woche zu deiner Prostituierten gehst. Und ein bisschen mehr Geld auf dem Konto hast als ich. Deswegen soll es dir besser gehen?! Deswegen sollst du glücklicher sein?! Unglück ist der beste Motor zur Veränderung…

Außerdem: Was ist schon Glück? Wann waren Sie, lieber Leser, liebe Leserin, das letzte Mal „richtig glücklich“?                                       genau

Aber wie immer hat er nichts gesagt. Wie immer. Es ging ja auch nicht um Herrn Badens Leben, sondern um seins. Das verkorkst, versaut, getrennt und atomisiert war.


ist?

Er denkt darüber nach, dass, wenn das Fernsehen wirklich eine „positivere“ „Grundstimmung“ haben wollte, warum zeigt es uns dann all den Scheiß, der in der Welt und in diesem Land passiert. Außer dem FC (Köln diesmal), dem „Effzeh“ gibt es nämlich kaum positive Nachricht im Mittagsmagazin. Nur Flüchtlinge, Krieg und Krise. Wenn sich eine positivere Grundstimmung einstellen soll, warum ist das Fernsehen dann nicht positiver? Kehrt mehr unter den Teppich. Tut es ja schon. Aber eben nicht genug.

Außerdem: Es gibt ja auch dunkle Materie. Es muss ja schließlich auch dunkle Materie geben.

Er steht vom Klo auf, denkt kurz über Frikadellen bei Edeka nach, dann über Nudeln, dann über Mandeln, dann über Suppe, dann über Ciabatta-Brötchen (ebenfalls bei Edeka) und isst dann doch nichts. Du hattest gestern Nacht einen erst ein Gyros. Im City Pick. Das war sooooo lecker. So lecker. Das brauchte er gestern Nacht einfach. Auch wenn es vier Euro gekostet hat. Aber der Marokkaner hat ihn ja auch so früh schon in die Stadt gefahren. Und eine halbe Stunde Hauptbahnhof ohne Pita ist schwer möglich. Ein Leben ohne Pita wäre möglich, aber nicht erstrebenswert. Also, heute gibt es kein Fleisch und kein Fett! Ja, mein Über-Ich! Jawohl, mein Über-Ich!

(Der war auch gut, der Marokkaner. Wie der gesagt hat: „Dein Chef hat schon ein Talent dafür, Psychos einzustellen… Und überhaupt: WARUM FÄHRST DU MICH DANN IN DIE STADT, DU PSCHO????)

Er kommt vom Klo (war heute wieder irgendwie dünn – das ist die Trennung und die damit verbundene Ernährungsumstellung, oder das Gyros) und fängt an, aufzuräumen. Die Express vom Wochenende wegzuschmeißen – neben verschiedene anderen Papierchen. Gespült ist (geil!), also stellt er die Schuhe raus. In den Flur. Legt die zweite Decke – die er im Moment weiß Gott nicht braucht – zusammen und tut sie in den Schrank, guckt in den Briefkasten (Achtung, Briefbomben...puh, heute nicht!). Zählt die noch vollen Wasserflaschen. Holt die Wäsche rein. Legt die Wäsche zusammen. Räumt die Handtücher und Geschirrhandtücher weg. Legt Marías Wäsche auf ihr Bett, in ihrem Zimmer. Stellt die Bücher in den Schrank, den Wäschekorb nach draußen…

…und beginnt zu schreiben…


Das ist doch schon mal was Positives!











Sonntag, 16. Oktober 2016

Depression oder Angststörung









Der Kunde steht neben ihm und sagt wie aus heiterem Himmel:

„Bist du sehr freundlich und netter Mann…“

Echt?

Das schockt mich jetzt aber wirklich, denkt er. Er weiß gar nicht, was er sagen soll.

Am Ende bringt er nur ein schüchternes „Danke“ hervor.

„Immer am Lachen. Das ist sehr selten in Deutschland. Echt! Ich freue mich immer bist du hier.“

„Danke.“

„Ich weiß. Das ist auch das, was mir an Deutschland nicht gefällt…“

Ich hasse Deutschland.

Als der Kunde wieder weg ist, denkt er nur: Sagt der das jetzt wirklich? Zu dir? So können sich die Perspektiven unterscheiden. Wirke ich echt so auf die Leute? Kann ich mir kaum vorstellen. Bei meinem derzeitigen inneren Zustand. Äußerster Verzweiflung. Ich dachte immer, ich wirke eher so, wie das dieser Typ aus Essen auf der Abschlussfahrt damals gesagt hat. Was hat der noch mal gesagt: „Du hast mich anguckt, da dachte ich, du wolltest mir was…“

Aber wenn der das sagt. Dann wird das wohl so sein. Ich bin ja hier auch auf der Arbeit. Da ist es leicht freundlich zu sein. Wenn der wüsste… Wie es in seinem Inneren aussieht. Was er für ein Leben, für ein Jahr hinter sich hat… Dann würde der das noch erstaunlicher finden…

Das Lachen eines traurigen, einsamen Clowns. Wie bei Dickens… Der am gleichen Tag geboren ist wie er.


Doch dann zweifelt er wieder: Oder der Typ hat irgendeine Wahrnehmungsstörung. Einen Knick in der Optik. Oder auch Depressionen. Aber du weißt ja selbst nicht, ob du wirklich Depressionen hast. Diese Psychologin, bei der du kurz nach der Trennung warst, hat gesagt, dass das keine Depressionen sind. Wenn man was fühlt, trauert, dann sind das keine Depressionen… Hat die zumindest gesagt. Was sind dann Depressionen?? hast er sich seitdem immer wieder gefragt. Wenn das keine sind…Aber vielleicht ist das ja auch eine Angst-Störung. Oder eine narzisstische… Ich weiß nicht, wie da die Abstufungen sind. Bei den „Profis“, den richtigen Psychologen, sind die bestimmt auch noch mal anders als bei Küchenpsychologen wie ihm. Man kann sich ja auch nicht selbst therapieren, geschweige denn verlässlich einordnen. Bei der Psychologin war er ja auch nie wieder. Trotz mehrfacher Aufforderungen. Das war teilweise richtig penetrant. Aber die hat damals gesagt, dass seine Stimme immer lauter würde, wenn sie ihm widerspreche. Mag sein, aber dafür geht er nicht zur Psychologin, damit die ihn kritisiert. Dass er damit ein Problem hätte…

Sehen Sie, Narzissmus! Eindeutig! Eindeutig zweideutig! Aber bestimmt auch eine Angst-Störung, so viel Angst wie er vor dem Tod hat. Vor dem Leben. Vor allem. Nur nicht vor Spinnen, wie sein Schüler. Davor nicht. Aber Höhenangst!

Seiner Meinung nach ist es auch kein Wunder, dass Angst ein urdeutsches Wort ist. Eins der wenigen deutschen Wörter, die ihren Weg in die englische Sprache gefunden haben. Neben „Schadenfreude“, „Bildungsroman“ und „Blitzktrieg“.


Wie dem auch sei, er fühlt sich geschmeichelt von dem Kunden. Und gleichzeitig muss er jetzt noch mehr darauf achten, nett zu dem zu sein. Ob er will oder nicht. Er will ihn ja nicht enttäuschen. Er will ja nett sein...

...immer nett zu den Leuten...

...immer den anderen gefallen...

...den Anderen...


...nie sich selbst...



 





Freitag, 14. Oktober 2016

Neue Gerüche












Er geht auf den Klo, holt ihn raus und pinkelt. Boah, stinkt das, denkt er. Dieser eigentümliche, neue Geruch, den er nach der Trennung angenommen hat. Den hatte er früher nicht. Früher, wo er noch regelmäßig ein Rohr verlegt hat. Wo er noch regelmäßig mit Nadine geschlafen. Da roch er anders. Kein Witz! Fischiger…besonders nachdem er mit ihr geschlafen hatte. Nicht, dass der neue Geruch nicht auch gut ist. Manchmal kratz er sich an den Eiern und am Penis und zwischen den Beinen und genießt das richtig, kann gar nicht mehr aufhören, und dann nimmt er seinen Finger und hält ihn sich unter die Nase. Das ist voll geil! Dieser Geruch! Voll geil! Davon kann er nicht genug bekommen. Aber der hat sich schon verändert. Ob zum Guten oder zum Schlechten ist schwer zu sagen.

Und heute kommt dann auch noch der Achselschweiß dazu. Herr Achselschweiß. Heute riechen seine Achseln voll krass. Penetrant bis zum Gehtnichtmehr. Wie bei diesem Russen damals beim Bund. Oder war der Kasache? Das kann auf jeden Fall nicht an seinen Achseln liegen, ich glaube, das liegt an seinem Hemd. Denn geduscht hat er sich ja heute. Also muss es das Hemd sein.

Mit dem Achselgeruch ist es genau wie mit dem Eiergeruch. Der ist schon irgendwie stark und auch ein bisschen widerlich, aber man kann nicht aufhören, daran zu riechen. Das macht fast süchtig. Und so sitzt er auf der Arbeit und schnüffelt – immer wenn keiner guckt – unter seinen Achseln rum.

Das Leben riecht stark und auch ein bisschen penetrant, aber gut.






Phönix aus der Asche









Irgendwann hörst du auf, noch daran zu glauben. Nach mehr als anderthalb Jahren. Das ist ja auch normal. Wer glaubt denn nach so einer langen Zeit noch daran, dass sie zurückkommt. Das ist ja auch gut so. Das Leben muss ja weitergehen. Du kannst ja nicht ewig in der Trauer um eine Frau gefangen sein, die nicht tot ist, sondern die dich einfach nur nicht mehr liebt. Oder nicht genug. Oder was auch immer. Irgendwann sagt dir dein Körper, dein Kopf das Schluss ist, das es jetzt reicht

Und du gibst die Hoffnung auf

Das Leben muss weitergehen

Aber zuerst fällst du in ein richtig schwarzes Loch, ein richtig tiefes Loch. Denn dieser verlorene Glauben ist zwar notwendig, sogar gut, um abzuschließen, endlich abzuschließen mit der Vergangenheit, aber am Anfang fühlst es sich nur an, wie ein weiteres Stück Leben, das wegbricht, das nicht mehr da ist.

Und das Loch ist tief, glauben Sie mir. Und es lässt sich weder mit Pornos mit asiatischen Massagen noch mit Essen stopfen. Auch die Arbeit vermag es nicht zu stopfen.

Du fällst, um irgendwann wieder aufstehen zu können. Hoffentlich wieder aufstehen zu können. Deinen Kopf, dein Haupt wieder erheben zu können. Dich langsam erst nur auf die Knie zu stützen und dann langsam, ganz langsam dich wieder zu erheben. Wie Phönix aus der Asche. Nur, dass es sich nicht so glorreich anfühlt wie sich das anhört. Weiß Gott nicht.

Sie hat dich nicht geliebt. Das ist Scheiße. Aber das hat deine Mutter auch nicht. Und dein Vater auch nicht. Aber trotzdem bin ich noch da. Alive and kicking, wie der Engländer das nennt. Vivo y coleando, wie man auf Spanisch sagt. Coleando, nicht culiando, denn das heißt etwas komplett anderes, in Ecuador

Du musst ja auch weitermachen. Was gibt es denn sonst. Nichts. Wir müssen immer weitermachen. Es gibt ja keine Alternative. Denn dieses Leben werde ich für sie nicht früher verlassen.

Dieses Leben ist zwar nicht toll, aber es ist alles, was ich habe











Reflexzonenmassage











Er hat auch wieder angefangen, sich einen runterzuholen. Das ist doch auch schon mal was! Gestern und heute! Immerhin! Gestern Nacht und heute Morgen. Gestern hat das fast eine Stunde gedauert, was Vernünftiges zu finden. Vernünftiges "Material". Mit dem er vernünftig "arbeiten" kann (alles in mühsamer Handarbeit...). Denn er wollte keine Hardcore-Pornos. Nicht immer das Gleiche. Das nervt auch. Cansa también, würde seine Frau sagen (wenn sie noch da wäre). Doch dann, kurz vor drei fand er diese Reflexzonenmassage in Japan. Die so schön ölig-feucht ist und die Dinge nur andeutet. Bei der die Unterwäsche zwar anbleibt, aber vom ganzen Öl und anderen Flüssigkeiten völlig durchweicht wird… Asiatinnen sind eh geil. Japanerinnen besonders. Die sind dann auch richtig braun. Brauner als Chinesinnen. Und die haben noch alle ihre Schamhaare. Das ist doch auch mal erfrischend, wenn man das mit all den deutschen Nacktkatzen vergleicht, all diesen Nacktpussys. Und wie die stöhnen…


Wenn die Libido langsam wiederkommt, weiß man, man ist auf dem Weg der Besserung...












Mittwoch, 12. Oktober 2016

Botschaft von Ecuador - Embajada del Ecuador










Morgens, nachdem er sich sein tägliches Fladenbrot geholt hat, kommt er an dem Gebäude vorbei, wo früher die ecuadorianische Botschaft drin war. In Godesberg. Wie lange das jetzt schon her ist. Das war, wo Bonn noch Hauptstadt war. Es fühlt sich wie ein halbes Leben an. Unglaublich