Sonntag, 22. Oktober 2017

Anders als hier...




Quiero que vengas conmigo…
…a cualquier otra parte…
(Dorian)








Weil ich nichts Besseres zu tun habe und eh keine Kunden da sind, höre ich auf der Arbeit Übers Internet spanisches Radio. "Radio Nacional España". Es läuft eine Diskussion um die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien. Eigentlich wollte ich ja Fußball hören, aber das Programm wurde aus aktuellem Anlass unterbrochen. Egal, dann höre ich eben das. Aber irgendwie kommt schon nach kurzer Zeit dieses Gefühl hoch. Das erinnert mich voll daran, wie ich damals immer Radio gehört habe, im Bus in Spanien, auf dem Weg in eine andere Stadt. Das war so geil, dieses Gefühl. Alle waren am Schlafen, Nadine, María und alle anderen Leute um mich herum und ich konnte nicht schlafen (das konnte ich noch nie, weder im Bus noch im Flugzeug noch irgendwo auf Reisen) und hörte fast die ganze Nacht spanisches Radio. Diskussionen. Berichte (da lief fast nie Musik, was im Nachhinein komisch war). Draußen die spanische Nacht. Die Dunkelheit, die Hitze (die man nicht richtig spürte, denn anders als in Deutschland hatten die Busse alle eine Klimaanlage), die  gelben Lichter, wenn wir durch größere Ortschaften durchfuhren, das Land, das war unglaublich, dieses Gefühl…

…dass das Leben auch so sein kann…

…auch anders sein kann…

…anders als hier.


Hier funktioniert das nicht, funktioniert diese Magie nicht. Dieser duende.


…wie ich letztens zu meinem Kollegen gesagt habe, nachts auf dem Heimweg, an der U-Bahn-Haltestelle: „…mein Traum ist es, irgendwo in Südspanien mit einer Gruppe Zigeuner am Straßenrand für Touristen Flamenco-Musik zu machen…“

…und er gesagt hat: „Warum machst du es dann nicht?“

…und du geantwortet hast: „…das ist nicht so einfach...“ Und dann: „Und du lebst alle deine Träume?!“ …indem du in Bonn arbeitslos bist und schwarz Krankenhäuser putzt??

Der ist bekloppt…als ob hier alle ihre Träume verwirklichen würden und das hier ihr Traum wäre…

Das hier! Ihr „Leben“ hier!

In der Spielhalle hinter der Theke, bei Lidl oder bei Aldi (ich habe gehört die zahlen besser) an der Kasse, als Kfz-Mechaniker hier jeden Tag schuften, ein ganzes Leben lang…und die schwarze Scheiße an den Fingern geht einfach nicht mehr ab…

Das war sein Traum

Und dann denkt er: Ich bin noch nie jemand begegnet, der seinen Traum gelebt hat…alle „lebten“ sie nur irgendwie vor sich hin, wenn wir sie sonntags besuchten oder sie zu uns kamen, geradeso, nicht genug zum richtigen Leben, aber zu viel zum Sterben

Wir wurden durch das Fernsehen in dem Glauben aufgezogen, dass wir alle mal Millionäre werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht, und das wird uns langsam klar!