12.03.16
„Dann hat sie dich aber auch
sehr gereizt, wenn du sie geschubst hast“, sagt deine Mutter.
Und obwohl dir das
schmeichelt, fragst du dich im Nachhinein immer wieder, warum sie das sagt.
Hat sie mich damals etwa
auch immer bis aufs Blut gereizt…
…als ich die Kloschüssel mit
ihrer Weinflasche eingeworfen habe…
…als wir uns in den Haaren
lagen, immer und immer wieder und manchmal sogar
wortwörtlich…
…als es immer wieder Theater
gab…und sie immer wieder meinen Vater auf der Arbeit angerufen hat…
…als
…als
wahrscheinlich
***
Immer wieder ertappt er sich
dabei, wie er leise „Nadine“ zu sich selbst sagt. Wie ein Besessener. Wie einer
dieser Drogensüchtigen am Bahnhof, im Bonner Loch, die mit sich selbst reden,
weil sonst keiner mit ihnen redet oder weil das so sicherer ist als mit anderen
zu sprechen. Weil man sich selbst nicht widersprechen kann.
Doch, kann man: …ist vorbei,
sage ich zu mir selbst.
„Nadine“
„Nadine“
„Nadine“
Oder auch „Nadita“
„Nadita“
„Nadita“
Niemand antwortet, egal, ob
ich die Koseform oder den ganzen Namen verwende
natürlich nicht
nada
ist vielleicht auch besser
so
***
Auf der Arbeit kommt mir
plötzlich ein Gedanke: Warum kann ich eigentlich am Wochenende meine Tochter
nicht kontaktieren?! Ist das verboten oder was? Gibt es da ein Gesetz gegen?
Warum tue ich es nicht einfach? Warum akzeptiere ich diese Scheiße auch noch?
So, wie sie ist. Diese Scheiße, die nicht von mir eingefädelt wurde. Warum kann
ich nicht einfach sagen: „Warum kommst du nicht morgen – am Sonntag – zu mir
und wir gehen zusammen laufen? Du bist doch auch am Sonntag noch meine Tochter,
oder nicht?!“
Aber es fühlt sich komisch
an, sie am Wochenende zu stören. Warum eigentlich?
Früher war sie doch auch das
ganze Wochenende da…
Ich akzeptiere viel zu viel.
Zumindest ein „Freu mich auf
Montag…“ kann ich ihr schicken. Per SMS. Wie der SMS-Daddy, zu dem ich
degradiert worden bin. Von Nadine.
Irgendwas. Egal was. Aber
nicht alles akzeptieren… Ihr ihr neues, tolles, freies Leben nicht zu einfach
machen…
So als wär es normal…
Ich muss auch an mich
denken.
Und ich vermisse María am
Wochenende…
Nur weil diese bescheuerte,
dünne ecuadorianische Kuh ihre Freiheit haben will…
***
Am Morgen hat er Kopfschmerzen.
Scheiße, ein Tumor, denkt er. Oder ein Schlaganfall. Oder er hat einfach nur zu
wenig getrunken. Das kommt davon, wenn du deiner Schwägerin einen Tumor an den
Hals wünschst. In den Kopf meine ich natürlich. Siehst du, das hast du jetzt
davon. Das ist die karma police!
Er macht den Fernseher an. Er
sucht einen Nachrichtensender, weil am Samstagmorgen auf dem Ersten und Zweiten
nur Kinderzeug läuft. Irgendeinen dieser Weltuntergangs-Nachrichtensender Darauf
hat er jetzt Bock: auf irgendeine Reportage, die uns unser baldiges Ende
voraussagt. Oder zumindest ein mögliches Ende aufzeigt (es gibt so viele
mögliche Enden).
Aber irgendwie findet er
keinen Nachrichtensender außer Phoenix. Und auf Phoenix hat er jetzt keinen
Bock.
Also schaltet er zurück. Auf
Pro7 oder Sat1 oder keinen Ahnung welches Programm. Eins auf dem Two Broke Girls läuft. Geil! Das passt
doch. Vielleicht sogar besser als der Weltuntergang auf Enten-TV. Die sind so
pleite, dass sie als Kellnerinnen in New York arbeiten müssen. Du bist so
pleite, dass du als Aufsicht in einer Spielhalle am Arsch der Welt (Bonn-Tannenbusch) arbeiten musst. Die eine von denen hat einen One-Night-Stand. Du
hast…
…du hast…
…du hasst…
Die kommt in den Knast, weil
sie versucht, bei ihrem One-Night-Stand einzubrechen, als er sich nicht mehr
meldet…
…du fast…(aber reden wir
nicht davon!)…(das ist alles lange vorbei)…(so, wie deine Trennung)…
…lange vorbei…