07.02.16
...und dann sagt sie es. Sie tut
es tatsächlich.
„Ist schon klar, warum dich
deine Frau verlassen hat.“
Vor María. Vor ihrem
Enkelkind. Aber Familie zählt ja in Deutschland nicht.
Er sagt geschockt irgendwas,
irgendeinen Scheiß, irgendwas wie „Du hörst jetzt besser auf zu reden.“
Aber sie hört nicht auf. Das
wär ja noch schöner.
„Ich kann schon verstehen,
warum dich deine Frau verlassen hat.“
Mit einem Lächeln. Mit ihrer
Schlabberfresse. Wenn ich jetzt eine Waffe hätte…
Vor María.
Er hatte wirklich gedacht,
dass sich etwas geändert hätte. Boah, bin ich blöd.
¡Imbécil!
¡Imbécil!
Du hast es wirklich nicht
anders verdient.
Er hatte echt gedacht, etwas
ändert sich. Aber der Frau ist alles egal.
Das ist genau das, was er
gedacht hatte: „You can’t teach an old
dog new tricks“, sagt er auf Englisch. Extra. Das kann sie nämlich nicht.
Und weil ihm das deutsche Sprichwort nicht einfällt. Das ist genau das, was er
gedacht hatte.
„So viel ist deine
Entschuldigung also wert…“
Einen Dreck. Einen
abgefickten Dreck. Mehr nicht. Nichts. Luft. Scheiße. Ach, leck mich doch!
„Ok, dann siehst du mich eben
die nächsten zehn Jahre nicht“, sage ich, während ich mich vom Sofa erhebe.
Hoffentlich brennt diese
ganze Scheiße nieder, diese ganzen Möbel, die mehr wert sind als ein Sohn. Dieser
ganze tote Scheiß ist mehr wert als du. Deutschland eben. Klar, dass sich
Nadine von mir getrennt hat…
„Pöh“, sagt sie ungerührt,
macht diese abfällige Handbewegung über die Schulter. Boah, wie ich das hasse,
denkt er. Wie ich sie hasse. Diese Leute, die immer cool bleiben, die immer
ruhig bleiben. Was muss eigentlich passieren, damit sich bei der noch was
rührt.
Dann fällt es ihm ein.
Klar!
Der Tod!
Aber danach rührt sich dann
wirklich für immer nichts mehr!
„Dann pisse ich auf dein
Grab!“
Soll er noch sagen „Dann
kacke ich auf dein Grab“? Ne, das ist dann doch zu viel des Guten.
Sie macht eine abfällige
Handbewegung, so wie immer, so als wär ihr das sowas von scheißegal. Ist es
wahrscheinlich auch – dann.
Das bringt ihn so auf die
Palme, diese Gleichgültigkeit, diese Abgebrühtheit, diese Kaltschnäuzigkeit.
Also legt er nach (keine gute Idee, aber leider unvermeidbar): „Dann pisse ich
in die Urne. Mir doch egal.“
„Kein Wunder, dass deine
Frau dich verlassen hat.“
„Mir ist das auch
scheißegal. Ich bin nicht mehr der verzweifelte Ehemann von vor ein paar
Monaten, den du rumschubsen kannst. Dass dir das klar ist!“
Er steht auf. Dann geh ich
eben. Ich muss mir diesen Scheiß nicht antun, an meinem Geburtstag. Ich muss
mir diesen Scheiß nicht geben, an meinem Geburtstag. Von meinen Eltern. Eltern?
Was sind schon Eltern?! Ein Dreck. In Deutschland ist alles einen Dreck wert.
„Klar, dass wir überrannt
werden, von den Arabern. Wenn wir keine Werte mehr haben…“
Wenn die Familie nichts
zählt. Was für eine abgefickte Generation, diese 68er. Was für eine tote,
unnütze Generation. Ich hasse sie.
Er steht auf und geht zur
Tür. María folgt ihm. Ich muss mir das nicht gefallen lassen. An meinem
Geburtstag mir so einen Scheiß sagen zu lassen.
Mittlerweile hat er sich seine
Schuhe wieder angezogen und ist in der Küche. Er kocht vor Wut.